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Plagiate in der Mode: Warum gibt es so viele Fälschungen – und sind sie erlaubt?

Von Esmee Blaazer

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Hintergrund

Inspiration vom Laufsteg, Bild zur Veranschaulichung. Bild: Dieses Bild wurde mit Hilfe eines KI-Tools erstellt

Traditionell werden Modetrends von den Laufsteg-Kollektionen vorgegeben. Die Bekleidungsindustrie orientiert sich an den Designs der internationalen Laufstege, sowohl an den Ready-to-Wear-Kollektionen, als auch an der Haute Couture. Die Laufsteg-Modelle werden durch Anpassungen des Designs für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht und zu einem niedrigeren Preis verkauft.

Quelle: Hintergrund-Beitrag ‘Mode: Vom Laufsteg in den Kleiderschrank’

Einige der Designs, die auf den Laufstegen von Designer:innen und großen Modehäusern zu sehen sind, dienen nur zur Inspiration. Andere werden erkennbar imitiert und einige Designs werden identisch kopiert – diese Kopien bezeichnet man auch als Knock-offs oder Duplikate. Doch ist es überhaupt erlaubt, diese Kopien zu produzieren?

In diesem Artikel erklärt die belgische Anwältin Judith Bussé, die sich auf das Rechtsgebiet ‘geistige Eigentumsrechte’ spezialisiert hat , wie das funktioniert.

"Geistige Eigentumsrechte beziehen sich auf absolute Rechte an immateriellen Gütern und dienen zum Schutz kreativer Werke wie Erfindungen und anderer Produkte menschlicher Intelligenz und Kreativität. Dazu gehören unter anderem das Urheberrecht, das Patentrecht, das Markenrecht und das Geschmacksmusterrecht, auch Designrecht genannt. Diese Rechte ermöglichen den Inhaber:innen, die Nutzung und Verwertung ihrer Produkte zu kontrollieren und daraus finanziellen Nutzen zu ziehen.

Lesen Sie mehr zum Thema Markenrecht: 'Recht & Praxis: Nur dekorative Benutzung oder schon Markenverletzung? ’

Inhalt

  1. Was fördert Dublikationen in der Modebranche? Wie geschützt sind die Designs?
  2. Plagiate in der Mode: Wie oft werden Entwürfe von Laufstegen und Designer:innen kopiert, und wie funktioniert das genau?
  3. Können sich Designer:innen und Marken vor Nachahmungen schützen?

1. Was fördert Dublikationen in der Modebranche? Wie geschützt sind die Designs?

In der Modebranche bringen Modedesigner:innen heutzutage vier Kollektionen pro Jahr heraus. Die Branche ist sehr wettbewerbsorientiert: Trends und neue Designs konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Verbraucher:innen und damit natürlich auch um Geld.

Daher versuchen Modemarken regelmäßig – und manche sogar kontinuierlich – neue Stile und Designs auf den Markt zu bringen. Doch die Inspiration für diese Entwürfe muss natürlich irgendwo herkommen.

Aber wo ist die Grenze zwischen Inspiration und Kopie?

Bussé: „Der Rechtsgrundsatz ist die Freiheit des Handels und des Gewerbes. Unternehmen sind frei, zu schaffen, zu inspirieren und sogar zu imitieren. Das Gesetz kann diese Freiheit durch zeitlich begrenzte Exklusivrechte nur einschränken. Dazu gehören das Recht am geistigen Eigentum oder das Verbot unlauteren Verhaltens.

„Die Schwelle für den Urheberrechtsschutz ist extrem niedrig, was bedeutet, dass die meisten Laufsteg-Designs tatsächlich Urheberrechts- oder auch Designrecht genießen", so die Expertin. „Fehlende Deutlichkeit, nicht ausreichender Schutz und ein hoher finanzieller Aufwand für die Durchsetzung dieser Rechte begünstigen jedoch die Nachahmung von Designs.

Erläuterungen


1. Deutlichkeit:
In Europa gibt es kein Urheberrechtsregister. Auch das ‘nicht eingetragene EU-Geschmacksmuster’ ist – wie der Name schon sagt – in der EU nicht registriert. Jedes Design muss daher von Fall zu Fall auf seine Originalität beim Urheberrecht oder seine Neuheit und Eigenart beim Geschmacksmusterrecht geprüft und bewertet werden. Diese Beurteilung kann in einigen Fällen sehr klar und einfach sein, so bei besonders kreativen und völlig neuen Kreationen. In den meisten Fällen ist die Abgrenzung jedoch weniger eindeutig und betrifft bestimmte Design-Aspekte oder Kombinationen bereits vorhandener Elemente.

In Deutschland kann man das Design für einen umfassenden Geschmacksmusterschutz beim zuständigen Amt in das Geschmacksmusterregister eintragen. So wird das Design für fünf Jahre geschützt. Die Dauer kann viermal um zusätzliche fünf Jahre verlängert werden.

Die Grenze zwischen „Inspiration” und „Imitation” ist nicht immer klar und hängt mit dem Umfang des Schutzes zusammen.

2. Schutzumfang:
In vielen Fällen bietet das Urheberrecht keinen vollständigen Schutz für Modedesigns. Das liegt daran, dass Kleidungsstücke wie T-Shirts immer aus mehreren Teilen wie Ärmel, Kragen sowie Vorder- und Rückseite bestehen. Daher kann dafür kein Schutz beansprucht werden. Die konkrete Gestaltung dieser Bestandteile ist hingegen schutzfähig. Auch wenn die Unterschiede manchmal nur geringfügig sind, kann ihre Kombination einen völlig anderen visuellen und ästhetischen Eindruck vermitteln. Hinzu kommt, dass Kleidung oder bestimmte Teile von Kleidung in einigen Ländern als zweckmäßig gelten, sodass Form und Design nicht immer einen so starken Schutz genießen, wie beispielsweise literarische oder musikalische Erzeugnisse.

3. Finanzielle Beteiligung:
Schließlich ist auch der finanzielle Aufwand ein Hindernis für die Geltendmachung von Rechten an einem bestimmten Geschmacksmuster. Gerichtsverfahren kosten viel Geld – da Modetrends sehr schnelllebig sind, steht der finanzielle und zeitliche Aufwand nicht immer in einem angemessenen Verhältnis zum erzielbaren Erfolg. Außerdem ist der positive Ausgang eines Gerichtsverfahrens nicht immer garantiert. Durch das Fehlen harter Strafen oder eines ausreichenden Abschreckungs-Mechanismus, missachten einige Fast-Fashion-Anbieter daher einfach die Rechte an geistigem Eigentum.

2. Plagiate in der Mode: Wie oft werden Entwürfe von Laufstegen und Designer:innen kopiert, und wie funktioniert das genau?

„Seit dem Aufkommen von Fast-Fashion-Unternehmen hat auch die konsequente und manchmal sogar systematische Form der Produktfälschung zugenommen” sagt Bussé. Die niederländische Modejournalistin Milou van Rossum drückte es 2020 gegenüber der Rundfunkanstalt NOS' Nieuwsuur folgendermaßen aus:„Modeketten wie H&M und Zara schauen sich die Kollektionen von Designer:innen an und kopieren sie, aber oft so schnell, dass sie zuerst in den Geschäften dieser Ketten zu finden sind, und nicht bei den Designer:innen selbst.”

Quelle: NOS/Nieuwsuur Artikel 'Onverkochte 'kledingbergen' door corona, maar ook roep om duurzame herstart' von Ronja Hijmans, 4. August 2020

Dafür gibt es unzählige Beispiele. So verletzte die Fast-Fashion-Kette Forever21 nach Ansicht von Gucci die Markenrechte des Modehauses, indem der Bekleidungshersteller Kleidungsstücke verkaufte, auf denen die unverwechselbaren Streifen der italienischen Luxusmarke zu sehen waren. „Oder der weiße Jumpsuit von Balmain, der in einer billigeren Version von Nasty Gal auf den Markt gebracht wurde, oder die minimalistischen Stücke von Yeezy, die als quasi-identische Modelle in denselben Farben in Zara-Geschäften lagen", ergänzt Bussé.

Erst kürzlich wurde der Bekleidungsanbieter Mango vom Pariser Berufungsgericht zu einer Schadensersatzzahlung in Höhe von 2 Millionen Euro wegen systematischer Fälschung von Céline-Designs verurteilt, so Bussé weiter. „Das Gericht stützte sich nicht auf das Urheber-, Design- oder Markenrecht, sondern auf die Unlauterkeit der Geschäftspraktiken von Mango und das Schmarotzertum, das immer wieder zu verschiedenen Produkten führte, die eindeutig und stark von Céline-Designs 'inspiriert' waren.

Auch kleinere Designer:innen werden zunehmend kopiert, berichtet die Anwältin. „Angesichts der begrenzten Ressourcen dieser kleineren Designer:innen führen diese Praktiken nicht immer zu einem Rechtsstreit. Sie lösen jedoch häufig Diskussionen in den Medien über Plagiate und Ethik in der Modeindustrie aus oder führen zu Forderungen nach einer strengeren Regulierung und Durchsetzung von Urheberrechten in der Modeindustrie."

So verklagte die niederländische Designerin Toos Franken Zara vor Jahren, weil das Unternehmen einen ihrer Entwürfe kopiert hatte. „Andere bekannte Fälle sind der der griechischen Modedesignerin Mary Katrantzou gegen den Discounter Primark im Jahr 2012, der Schotte Mati Ventrillon gegen Gucci wegen des Entwurfs eines Pullovers 2015 oder Walter Van Beirendonck gegen Virgil Abloh 2020 wegen Mäntel, die er bereits 2016 entworfen hatte sowie Jurgi Persoons gegen Haider Ackermann für Jean Paul Gaultier im Februar 2023,” fasst Busse zusammen. „Ein sehr aktuelles Beispiel kommt von H&M: Die schwedische Modekette hat vor einigen Monaten Duplikate der Mütze der Kinderbekleidungsmarke Caroline Bosmans zu einem Schnäppchenpreis angeboten.”

„Diese Beispiele zeigen, vor welchen Herausforderungen Designer:innen und Marken stehen, wenn es darum geht, ihre kreativen Arbeiten vor Fälschungen zu schützen", betont Bussé.

3. Können sich Designer:innen und Marken vor Nachahmungen schützen?

„Es ist schwierig, eine eindeutige Antwort auf diese Frage zu geben", sagt Bussé. „Die Modeindustrie ist extrem wettbewerbsintensiv und es gibt viele große Unternehmen, die im Vergleich zu kleineren Designer:innen über unverhältnismäßig große Ressourcen verfügen. Außerdem ist es nicht immer einfach, den Schutzumfang eines bestimmten geistigen Eigentumsrechts in Bezug auf frühere Designs und saisonale Trends objektiv abzugrenzen. In Verbindung mit den hohen Kosten und dem hohen Aufwand, der oft mit Rechtsstreitigkeiten verbunden ist, versteht es sich von selbst, dass keine Strategie eine Garantie gegen Kopierverhalten bietet.”

Verteidigungsmöglichkeiten gegen Plagiate in der Modeindustrie

Um ein Design besser vor Fälschungen oder Nachahmungen zu schützen, können Modedesigner:innen einige Maßnahmen ergreifen. Die Brüsseler Anwältin gibt Tipps:

1) Dokumentieren Sie den gesamten Designprozess, einschließlich der kreativen Entscheidungen die getroffen wurden, der Person, die das Stück entworfen hat, des Datums, an dem das Stück entworfen wurde und der Design-Aspekte, die den Entwurf zu anderen Produkten, die derzeit auf dem Markt sind, abgrenzen. Diese Dokumentation ist notwendig, um der eigenen Beweislast nachzukommen, wenn gegen die Nachahmung eines Designs vorgegangen wird.

2) Entwickeln Sie eine Registrierungs-Strategie: Stellen Sie sicher, dass Sie die Teile, die Sie registrieren können, rechtlich schützen und überlegen Sie, was sinnvoll und effizient für eine Registrierung ist.

  • Der Markenname und/oder das Logo sollten immer als Marke eingetragen sein.
  • Darüber hinaus können auch einige andere charakteristische Elemente des Stücks oder der gesamten Linie geschützt werden, wie ein Muster, Streifen, eine Farbkombination, ein Motiv oder die spezifische Position eines bestimmten Elementes.
  • Sie sollten auch prüfen, ob Sie sich auf das ‘nicht eingetragene Geschmacksmusterrecht’ berufen können, sofern Ihr Design neu ist und einen individuellen Charakter hat. Auch in diesem Fall sollten Sie das Design- und das Veröffentlichungsdatum genau festhalten.
  • Schließlich kann es für bestimmte Stücke oder Elemente sinnvoll sein, eine wirksame Geschmacksmustereintragung in Betracht zu ziehen. Eine solche Eintragung ist weder teuer noch kompliziert und kann zusätzlichen Schutz für Teile eines Designs bieten.

Generell ist eine Eintragung natürlich nur dann sinnvoll, wenn die Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Wert des Schutzes stehen und wenn Sie beabsichtigen, die Registrierung gegen Dritte durchzusetzen, die Ihre Rechte verletzen.

3) Wer hartnäckig bleibt, gewinnt: Wenn Sie im Falle von Produktfälschungen kaum Gehör bei dem rechtsverletzenden Unternehmen finden, besteht der nächste Schritt darin, eine förmliche Mahnung auszusprechen und dann eine Klage einzureichen. So erhalten Sie eine Anhörung und eventuell eine Entschädigung für die begangenen Verstöße. Solche Rechtsfälle sind in der Regel kostspielig und können viel Zeit in Anspruch nehmen. Daher ist es wichtig, eine gute Rechtsberatung zu haben und seine Erwartungen und Bedenken klar zu formulieren.

Zusammenfassung

Brussé rät, realistische Erwartungen zu haben: „Der Schutz vor Fälschungen wird in dieser globalisierten Welt immer schwieriger. Urheberrechte sind meist nationale Rechte, und auch die anderen geistigen Eigentumsrechts sind nicht in jedem Land gleich. Außerdem ist ein Vorgehen im Ausland oft besonders kompliziert und finanziell weniger lukrativ. Fast-Fashion-Riesen wie Shein und Temu schrecken daher nicht davor zurück, sich von Originaldesigns 'inspirieren' zu lassen oder sie sogar vollständig zu kopieren."

IN KÜRZE
Obwohl Modedesigns einen gewissen rechtlichen Schutz genießen, erschweren Nuancen im Design, unklare Rechtsvorschriften und hohe Durchsetzungskosten die Gewährleistung eines umfassenden Schutzes vor Plagiaten.
KI-Bild zur VeranschaulichungBild: Dieses Bild wurde mit Hilfe eines KI-Tools erstellt
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Quellen:
- Input von Judith Bussé, einer in Brüssel ansässigen Rechtsanwältin, die auf geistige Eigentumsrechte spezialisiert ist und PIVOT law leitet. Sie hat jahrelange Berufserfahrung und unterstützt sowohl größere als auch kleinere Designer:innen bei Rechtsfragen und Plagiats-Angelegenheiten.
- FashionUnited-Archiv.

Mehr Hintergrund:

Dieser übersetzte Beitrag erschien zuvor auf FashionUnited.nl.

Hintergrund
Markenrecht
Markenrechtsverletzung
Plagiat