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Zweiter „What Fuels Fashion?“-Bericht: Große Modeunternehmen nicht auf saubere Energie vorbereitet

Die zweite Ausgabe des Berichts „What Fuels Fashion?“ (WFF) konzentriert sich auf saubere Energie, also erneuerbare Energie frei von fossilen Brennstoffen für Herstellungsprozesse. Den Herausgebenden zufolge, der Non-Profit-Organisation Fashion Revolution, ist dies der wichtigste Hebel zur Emissionsreduzierung entlang der Lieferkette.

Der Bericht, eine Sonderausgabe des Fashion Transparency Index (FTI) der Organisation, rückte erneut 200 der weltweit größten Modeunternehmen in Bezug auf ihre Energie- und Dekarbonisierungsbemühungen ins Rampenlicht (‚Groß‘ bedeutet hier mit einem Jahresumsatz von über

einer Milliarde US-Dollar
).

Fashion Revolution beschloss, die Kriterien für den Jahresumsatz von 400 Millionen US-Dollar im letzten Jahr auf eine Milliarde US-Dollar in diesem Jahr zu erhöhen. Dafür gab es drei Hauptgründe: die Priorisierung von Marken mit den größten Ressourcen und der größten Verantwortung, die Klima- und Energiewende anzuführen; die Straffung der Analyse, um den Fokus auf die Bereiche mit der größten Wirkung zu legen; und die Bereitstellung von mehr Zeit für eingehende Recherchen und zielgerichtetere Interessenvertretung.

. Zusammen haben diese Marken einen geschätzten Jahresumsatz von mehr als 2,7 Billionen US-Dollar (2,5 Billionen Euro). Damit sind sie laut Fashion Revolution die mächtigsten Akteur:innen, die die Klimazukunft der Modebranche bestimmen.

Unternehmen schneiden insgesamt schlechter ab als im Vorjahr

Die Unternehmen wurden anhand von über 70 Indikatoren wie Verantwortlichkeit, Dekarbonisierung, Energieverbrauch und -beschaffung, Finanzierung, Treibhausgas-Fußabdruck, Unternehmensführung, Just Transition und Interessenvertretung, Überproduktion und Interessenvertretung für erneuerbare Energien, verfolgt. So wurde aufgedeckt, wo es an Transparenz mangelt und wo dringender Handlungsbedarf besteht. Es sei darauf hingewiesen, dass der WFF Transparenz misst, nicht Ethik oder Nachhaltigkeit. „Eine Marke kann bei der Transparenz ihrer Dekarbonisierungsbemühungen eine hohe Punktzahl erreichen, aber das bedeutet nicht, dass sie ethisch oder nachhaltig ist“, erklärt Fashion Revolution.

Alarmierend ist, dass die durchschnittliche Markenpunktzahl, die 2024 bereits bei niedrigen 18 Prozent (von 100 Prozent) lag, weiter auf nur noch 14 Prozent gefallen ist. Während die Marken mit der höchsten Punktzahl im letzten Jahr um die Mitte der Siebziger lagen, erreichte die Marke mit der besten Punktzahl 2025 nur 71 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung ist bei der Anzahl der Unternehmen zu beobachten, die mit „0“ bewertet wurden: 32 im letzten Jahr und 39 in diesem Jahr (siehe unten für die niedrigsten und höchsten Punktzahlen).

„Der Weg zur Dekarbonisierung wird dadurch gewonnen oder verloren, wie die Modebranche mit Energie umgeht. Die industrielle Elektrifizierung ist eine Chance für einen gerechten Übergang, bei dem Arbeitnehmende und Zulieferbetriebe im Mittelpunkt stehen müssen. Wenn die Modebranche nicht handelt, gefährdet sie ihre Integrität in einer Welt, die sich von fossilen Brennstoffen abwendet – und damit die Gesundheit, die Sicherheit und die Würde der Menschen, die unsere Kleidung herstellen“, kommentiert Liv Simpliciano, Head of Policy & Research bei Fashion Revolution, in einer Pressemitteilung.

Saubere Energie ist der wichtigste Hebel zur Reduzierung der Emissionen entlang der Lieferkette. Bild: Fashion Revolution

„Die Textilindustrie kann mit gutem Beispiel vorangehen: Da die Prozesswärme selten 250 Grad Celsius übersteigt, hat sie das Potenzial, vollständig von fossilen Brennstoffen wegzukommen. Die Möglichkeit besteht – jetzt müssen sich die Unternehmen verpflichten und klare Strategien festlegen, um den Übergang zu ermöglichen“, fügt Jan Rosenow hinzu, Professor für Energie- und Klimapolitik an der Universität Oxford.

Große Modeunternehmen sind nicht auf saubere Energie vorbereitet

Die Ergebnisse sind jedoch entmutigend: Weniger als ein Fünftel (18 Prozent) der Marken legen Ziele für den Kohleausstieg offen, die die Textilverarbeitung abdecken, und keine schließt zugekauften Wasserdampf ein, wodurch sie in der Lieferkette auf Kohle angewiesen sind. Nur zehn Prozent der Marken geben Ziele für erneuerbaren Strom in der Lieferkette an und noch weniger (sechs Prozent) geben umfassendere Ziele für erneuerbare Energien an. Dies ist ein erhebliches Defizit, das die meisten Marken ohne einen öffentlichen und glaubwürdigen Plan für die Versorgung ihrer Lieferketten mit sauberer Energie zurücklässt, so der Bericht. Nur sieben Prozent geben an, dass sie Anstrengungen unternehmen, um Hochtemperaturprozesse zu elektrifizieren – trotz bewährter Lösungen wie Wärmepumpen und Elektrokesseln, die im Handel erhältlich sind.

Rückverfolgbarkeit

Neunzig Marken oder 45 Prozent der analysierten Marken erzielten im gesamten Abschnitt zur Rückverfolgbarkeit null Punkte, wobei 59 Prozent davon börsennotierte Unternehmen sind. Dies deckt eine schwerwiegende Verantwortlichkeitslücke für Investor:innen auf, wie der Bericht betont: „Ohne Transparenz der Lieferbetriebe können Investor:innen Klimarisiken nicht bewerten oder Finanzmittel in eine glaubwürdige Dekarbonisierung lenken. Dies ist ein eklatantes ESG-Versäumnis: Solange die Listen der Lieferbetriebe nicht als Grundvoraussetzung offengelegt werden, ist jede Behauptung der Übereinstimmung mit Klima- oder Sozialzielen leeres Gerede.“

Verantwortlichkeit

Während 60 Prozent der Marken die Energiebeschaffung in ihren eigenen Betrieben offenlegen, tun dies nur elf Prozent in ihren Lieferketten, wo es eigentlich am wichtigsten ist. „Viele stützen sich auf RECs (Renewable Energy Credits), die die Nutzung fossiler Brennstoffe verschleiern, so dass Klimaschutz für viele Marken zu einer Übung in Buchhaltung und nicht in Verantwortlichkeit wird“, so der Bericht.

Finanzierung

Investitionen in neue Technologien sind erforderlich, wenn es um die Dekarbonisierung der Lieferketten der Modeindustrie geht, insbesondere von Marken und Einzelhandelsunternehmen in ihre Zulieferbetriebe. Allerdings geben nur zwei Prozent an, die laufenden Betriebskosten ihrer Zulieferbetriebe zu unterstützen, und weitere zwei Prozent berichten über Investitionen in die Anpassung der Lieferkette. Nur sechs Prozent geben Kapitalanlagen in erneuerbare Energien oder Effizienz an.

„Saubere Energie für kühle Arbeit“

Mit steigenden Temperaturen und immer häufiger auftretender extremer Hitze sind die Gesundheit und das Leben der Textilarbeiter:innen in Gefahr. Allerdings legt keine der 200 analysierten Marken Daten zu Hitze und Feuchtigkeit in den Fabriken oder zur Feuchtkugeltemperatur (WBGT) offen. „Die öffentliche Bekanntgabe des WBGT würde den Gewerkschaften die Möglichkeit geben, Schutzmaßnahmen auszuhandeln, Marken über die Kosten der Anpassung wie Kühlsysteme informieren, Investor:innen eine entscheidungsrelevante Kennzahl zur Bewertung der finanziellen und operativen Risiken liefern und Anpassungsinstrumente wie parametrische Versicherungen freisetzen“, erklärt der Bericht.

Klimaextreme gefährden die Gesundheit von Textilarbeiter:innen. Bild: Fashion Revolution

Daher fordern Fashion Revolution und die Klima-Non-Profit-Organisation Action Speaks Louder im Rahmenwerk „Clean Heat for Cool Work“ die Ablösung von kohle-, gas- und biomassebefeuerten Kesseln und anderen fossilen Brennstoffsystemen durch elektrische Alternativen wie industrielle Wärmepumpen. Diese reduzieren die Treibhausgasemissionen und bieten gleichzeitig das Potenzial, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem sie Arbeitnehmer:innen vor Hitzestress und Luftverschmutzung in den Fabriken und den umliegenden Gemeinden schützen. Das Rahmenwerk kombiniert die kostengünstige Überwachung mit investitionsintensiven Lösungen und fordert die öffentliche Bekanntgabe von Wärmedaten der Fabriken, um eine Grundlage zur Messung von Verbesserungen durch die Umstellung auf saubere Energie zu schaffen.

„Modemarken werben gerne für innovative neue Produkte, aber die Realität der viktorianischen Ära, Kohle und Holz zu verbrennen, um diese Produkte herzustellen, wird stillschweigend unter den Teppich gekehrt. Da der Zugang zu erneuerbaren Energien und sauberen Energietechnologien weltweit zunimmt, haben Modemarken die Verantwortung, ihre Abhängigkeit von giftigen Brennstoffen zu verringern und das Wohlergehen der Arbeitnehmer:innen und Gemeinden zu schützen“, erklärt Ruth MacGilp, Fashion Campaign Manager bei Action Speaks Louder.

Marken und Einzelhandelsunternehmen mit den höchsten und niedrigsten Punktzahlen

Fast ein Fünftel (19,5 Prozent) oder 39 Marken wurden mit null Prozent bewertet, darunter Unternehmen wie Aeropostale, Billabong, Bosideng, Deichmann, Dillards, DSW, Eddie Bauer, Forever21, Hudson’s Bay, LC Waikiki, Max Mara, New Yorker, Nine West, Quiksilver, Reebok, Saks Fifth Avenue, Semir, Urban Outfitters und Youngor.

Die Marke mit der höchsten Punktzahl im Jahr 2025 war H&M mit 71 Prozent (gegenüber 61 Prozent im Jahr 2024), gefolgt mit einigem Abstand vom Mutterkonzern von Calzedonia, Intimissimi und Tezenis, Oniverse, mit 63 Prozent (gegenüber 52 Prozent). Puma erreichte im letzten Jahr mit 75 Prozent die höchste Punktzahl, kam diese Jahr aber nur auf 51 Prozent. Gucci belegte 2024 mit 74 Prozent den zweiten Platz, fiel aber dieses Jahr auf 47 Prozent zurück.

Es sei darauf hingewiesen, dass der WFF nur das bewertet, was Marken öffentlich über ihre Dekarbonisierungsbemühungen in ihren Betrieben und ihrer Lieferkette preisgeben; der Bericht misst also die öffentliche Bekanntgabe, nicht die Auswirkungen der Dekarbonisierung einer Marke. Ebenso werden Punkte nur für öffentlich zugängliche Informationen und Daten über die Richtlinien, Verfahren, Leistungen und Fortschritte der großen Marken bei den Dekarbonisierungsbemühungen in der gesamten Wertschöpfungskette vergeben. Eine Überprüfung der Behauptungen von Marken und Einzelhandelsunternehmen würde den Rahmen der Untersuchung sprengen.

„Marken lagern weiterhin Verantwortung aus und priorisieren kurzfristige Gewinne gegenüber dem langfristigen Überleben. Nirgendwo ist dies deutlicher als beim Versagen der Branche, das Energieproblem anzugehen. Saubere Energie ist die unmittelbarste Möglichkeit, Emissionen in großem Maßstab zu reduzieren – und gleichzeitig die Temperaturen in den Fabriken zu senken, die Belastung der Arbeitnehmer:innen durch Hitzestress zu verringern und die Luft in den Fabriken und den umliegenden Gemeinden zu reinigen“, fasst der Bericht zusammen.

Empfehlungen

Die zweite Ausgabe von „What Fuels Fashion?“ ist nach wie vor eine Pflichtlektüre für Marken, Einzelhändler:innen und alle, die an einem gerechten Übergang in der Modebranche interessiert sind. Es geht nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen oder sich darum zu sorgen, dass der Weg noch weit ist, sondern darum, einen Fahrplan zu erstellen, der tückische Gebiete verbindet und gemeinsam befahrbar macht, damit die Modebranche vom Umweltverschmutzer zum Pionier werden kann.

Der Bericht nennt vier wichtige Interessengruppen, um signifikante Fortschritte bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen entlang der Lieferkette zu gewährleisten: Es liegt in der Verantwortung der großen Marken und Einzelhändler:innen, Energie in großem Maßstab zu elektrifizieren, die Elektrifizierung der Zulieferbetriebe zu finanzieren, eine kontinuierliche WBGT-Überwachung einzuführen, faire und stabile Einkaufspraktiken zu gewährleisten, existenzsichernde Löhne zu ermöglichen, eine von den Arbeitnehmern:innen geführte Sorgfaltspflicht in den Mittelpunkt der Dekarbonisierung zu stellen und über die Einhaltung von Vorschriften hinauszugehen.

Investor:innen und Aktionär:innen sollten Druck auf Marken und Einzelhändler:innen in Bezug auf das Energierisiko ausüben, saubere Energie zu einem Indikator für den Übergang machen und Investitionen der Zulieferbetriebe absichern. Auch die Bürger:innen spielen eine wichtige Rolle, indem sie ihren Konsum einschränken und die vorgestellten Forschungsergebnisse für ihren Aktivismus nutzen, indem sie den Schutz der Arbeitnehmer:innen fordern und sich über die Politikgestaltung informieren.

Nicht zuletzt sollten Journalist:innen Arbeitnehmer:innen eine Stimme geben, Wissenschaftler:innen unabhängige Beweise liefern und die Zivilgesellschaft sich einsetzen, mobilisieren und Unternehmen zur Rechenschaft ziehen.

„Die Branche steht an einem Wendepunkt. Wenn Marken weiterhin mit Bilanzierungstricks und Teilmaßnahmen arbeiten, werden sie in einer Welt, die sich von fossilen Brennstoffen abwendet, an Glaubwürdigkeit verlieren. Aber wenn sie die Elektrifizierung der Zulieferbetriebe finanzieren, erneuerbare Energien sichern und sich zu einer echten Partnerschaft mit Zulieferer:innen und Arbeitnehmern:innen verpflichten – unterstützt durch den Druck von Investor:innen, die Kontrolle durch Journalist:innen, die Forschung von Wissenschaftler:innen, die Mobilisierung der Zivilgesellschaft und die informierten Forderungen der Bürger:innen –, kann die Modebranche zeigen, wie industrielle Dekarbonisierung und Klimagerechtigkeit gemeinsam vorangetrieben werden können“, ist das Fazit des Berichts.

Der vollständige Bericht „What Fuels Fashion“? ist auf der Website von Fashion Revolution einzusehen. Er enthält die genauer aufgeschlüsselten Leistungen anhand der Indikatoren, sowie ein Glossar, einen umfangreichen Referenzteil und Abbildungen.


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