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Zeit für echte Veränderung bei der Modeplanung

Von FashionUnited

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Credits: Aygin Kolaei für FashionUnited

Das Thema Planung wird in Modeunternehmen seit langem mit großer Ambivalenz behandelt. In Zeiten von komfortablem Wachstum findet „die Planung“ in der Regel wenig Aufmerksamkeit. „Es läuft“ und Investitionen werden vornehmlich in kundenorientierten Bereichen getätigt – neue Kampagnen, der Onlineshop oder das Filialnetzwerk sollen die Umsatzentwicklung weiter befeuern.

Aus diesem Grund haben Marken und Händler:innen über viele Jahre nur begrenzt in ihre Planungsfähigkeiten investiert, die nun in einem deutlich anspruchsvolleren Marktumfeld dringend nötig wären. Die hohe Volatilität auf den Absatzmärkten kombiniert mit großen Unsicherheiten in der Beschaffung haben dazu geführt, dass es für Händler:innen immer schwieriger wird, Sortimente, Mengen, Aufträge und Kapazitäten aufeinander abzustimmen. Die Folge ist, dass Abverkaufsraten, Bestände, Preisabschriften und Kosten oft keine ausreichende Profitabilität mehr ermöglichen.

Während vor einigen Jahren noch Vollpreis-Abverkäufe von über 75 Prozent die Regel waren, freuen sich viele Händler:innen mittlerweile, wenn sie 60 Prozent erreichen und andere versuchen, wenigstens noch 50 Prozent der Ware zum ursprünglich geplanten Preis abzusetzen. Die entsprechend gestiegenen Preisabschriften auf die Restbestände verhageln den Händler:innen die Marge. Auch diesbezüglich finden sich nur noch wenige Marken im Markt, denen es gelingt, die Preisabschriften unter zwölf Prozent vom Nettoumsatz zu halten, was lange Jahre als Goldstandard galt. Die meisten liegen heute jenseits der 15 Prozent teilweise über 20 Prozent mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Profitabilität.

Zudem lässt es sich als Modeunternehmen aus Nachhaltigkeitssicht kaum noch rechtfertigen, dass beträchtliche Teile des eingekauften Bestands – wenn überhaupt – nur noch im Sale als „Überproduktion“ verkauft werden. Sowohl Profitabilität als auch Nachhaltigkeit erfordern einen fortschrittlicheren Ansatz, um Sortimente und Bedarfe kundenorientiert zu planen und Ressourcen effizient einzusetzen.

Folglich steht die Verbesserung der Planung aktuell oben auf der Agenda zahlreicher Modeunternehmen. Häufig wird dort nach wie vor auf Basis einer historisch gewachsenen Kombination verschiedenster, nicht miteinander verknüpfter Systeme und Excel-Tabellen geplant. So ist es nicht untypisch, wenn die Sortimentsplanung für das eigene Filialgeschäft in einer alten Systemlösung stattfindet, die Wholesale-Planung in einem anderen Tool, bei den Nachfrageprognosen mit eigener Künstlicher Intelligenz (KI) experimentiert wird und auf der Beschaffungsseite Bestände, Produktionskapazitäten und Materialen mit einem Mix aus Excel und verschiedenen Systemen ermittelt werden. Das Ergebnis: Die einzelnen Funktionsbereiche haben jeweils eine ganz eigene Sicht auf „die Wahrheit“, Abstimmungen kosten viel Aufwand und Planzahlen laufen selbst in der Orderphase noch deutlich auseinander. Zudem bleiben die analytischen Fähigkeiten in den verschiedenen Bereichen – von Merchandising über Vertrieb bis zur Beschaffung – weit hinter den Möglichkeiten der aktuellen Technologie zurück.

Modeunternehmen hängen bei integrierte Planungslösungen hinterher

Dass dies auch anders gehen kann, zeigen Konsumgüterunternehmen, die den Modeunternehmen in Bezug auf integrierte Planungslösungen etwa zehn Jahre voraus sind. Die Notwendigkeit einer technologischen Erneuerung und tatsächlichen Integration der Planung wurde dort schon sehr viel früher erkannt und konsequent angegangen.

Viele Modeunternehmen haben dagegen mit der jahrelangen Entwicklung weg von der eigenen Produktion und passiven Lohnveredelung (PLV) hin zum ‘Free on Board’-Sourcing weitgehend die Fähigkeit verloren, Pläne in Bezug auf Finanzen, Vertrieb, Einkaufsbudgets und Sortimente mit der Planung von Produktionskapazitäten und Materialien zu synchronisieren. Dies rächt sich nun in einem Umfeld, in dem die Dynamik auf den Beschaffungsmärkten volle Transparenz erfordert. Denn nur so lässt sich sicherstellen, dass Waren im Rahmen der erwarteten Zeit und Produktkosten auch tatsächlich beschafft werden können. Das bedeutet nicht, dass Unternehmen wieder verstärkt zu PLV und eigener Produktion zurückkehren, es ist aber eine klare Entwicklung hin zu einer stärkeren Kontrolle der Wertschöpfungskette zu beobachten. Das bezieht sich sowohl auf das Management von Lieferant:innen inklusive der Vorstufen, als auch auf Kapazitäten und Materialien. Die Notwendigkeit zur Transparenz hinsichtlich Nachhaltigkeit auf allen Stufen wirkt als weiterer Verstärker dieser Entwicklung.

Der akute Handlungsbedarf bei vielen Unternehmen der Modebranche führt nun dazu, dass das Thema „Neue Planung“ oftmals überstürzt angegangen wird, ohne die Bedürfnisse des operativen Geschäfts mit der technischen Implementierung einer neuen Planungslösung ausreichend abzustimmen. Ist ein:e Systemanbieter:in ausgewählt, geht es oft genug nur noch darum, dass das System so schnell wie möglich „live geht“. Das hat zur Folge, dass alte Prozesse und Methoden in ein neues, eigentlich viel leistungsfähigeres System übertragen werden. So bleibt jedoch der tatsächliche geschäftliche Nutzen weit hinter den ursprünglichen Erwartungen zurück. Es lässt sich festhalten: Schnelle Implementierung heißt nicht automatisch schneller Return on Investment.

Unternehmensspezifisches Planungsmodell

Auch wenn Umsetzungen neuer Planungssysteme heute zumeist agil erfolgen, ist es dennoch unabdingbar, dass im Vorfeld Klarheit darüber geschaffen wird, welche messbaren Ergebnisse erwartet werden. Dazu gehört auch ein Zielbild in Bezug auf zukünftige Fähigkeiten. Aufgrund der Tatsache, dass Vertriebsplanung, Sortimentsplanung, operative Bedarfsplanung sowie Beschaffungsplanung sehr eng zusammenhängen, ist es zudem notwendig, die Abhängigkeiten zu verstehen und zu gestalten. Nur so kann sichergestellt werden, dass die verschiedenen Puzzelstücke später zusammenpassen. Zudem gilt bei Prozessen: Vorsicht vor zu generischen „Best-Practices“. Entlang der Planungsprozesse gibt es zwar vielfach erprobte Wege, um die Ergebnisse der Planung zu verbessern, diese sind jedoch in starkem Maße abhängig vom Geschäftsmodell. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Rolle von Wholesale, Retail und Online, die Internationalität des Geschäfts, die Beschaffungsstruktur sowie den Aufbau des Logistik-Netzwerks.

Ein Planungsmodell muss somit immer unternehmensspezifisch sein, wenn es erfolgreich sein soll. Externe Beispiele helfen dabei, die relevanten Möglichkeiten der Gestaltung zu verstehen, aber letztendlich sollten Entscheidungen stets in Bezug auf die eigenen Ziele und Rahmenbedingungen erfolgen – es gibt kein „One-Size-Fits-All“. Des Weiteren gilt es vorsichtig zu sein bei der Gestaltung zukünftiger Prozesse und Methoden. Die Vielfalt der Möglichkeiten, die die neuesten Planungslösungen im Markt bieten, verleiten dazu, zu viel Komplexität in neue Planungsansätze einzubauen. Nicht alles, was möglich ist, macht auch Sinn. Neben dem Risiko für die Umsetzung gilt dies insbesondere auch für die Akzeptanz der Nutzer:innen. Es ist niemandem geholfen, wenn ein hochkomplexer Algorithmus ein Ergebnis ausgibt, das für operative Planungsteams nicht nachvollziehbar ist und dem kein Vertrauen geschenkt wird. In diesen Fällen kehren die Teams dann schnell wieder zu einer Parallelplanung in selbstgebauten Excel-Tabellen zurück.

Das Feld der relevanten Systemanbieter für Planungslösungen bei Modemarken ist überschaubar. Die Kernfrage ist, ob eine gesamtheitliche Planungsplattform ausgewählt werden soll, die fast alle Planungsprozesse abdecken kann, oder ob der bessere Weg eine Kombination verschiedener Lösungen ist, die jeweils ihre Stärken in bestimmten Bereichen haben. Es ist wichtig, dabei nicht nur die technischen Aspekte zu betrachten, sondern insbesondere auch die Fähigkeit, die zukünftigen Prozesse und Methoden abzubilden, die für eine Verbesserung der Planung tatsächlich notwendig sind.

Eine weitere wichtige Frage betrifft die Nutzung eigenentwickelter analytischer Kompetenzen. Insbesondere große Modeunternehmen haben in den letzten Jahren beträchtliche Investitionen in den Aufbau eigener Analytik- und KI-Teams getätigt. Als Teil eines zukünftigen Planungsprozesses können solche Fähigkeiten in ausgewählten Bereichen zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb genutzt werden. Es darf dabei allerdings nicht der Fehler gemacht werden, alles selbst entwickeln zu wollen, ohne dass dadurch ein Vorteil gegenüber bereits existierenden Standardlösungen entgegensteht. Dies führt ansonsten zu viel Zeitaufwand, breit im Markt verfügbare Funktionalitäten „neu zu erfinden“, womit die knappen und wertvollen eigenen Analytik-Fähigkeiten falsch eingesetzt sind.

Aktuell starten viele Modehändler und Marken Initiativen, um ihre Planung zu verbessern. Es ist zu hoffen, dass diese Welle an Aufmerksamkeit für das Planungsthema nachhaltiger ist als in der Vergangenheit, so dass tatsächliche Verbesserungen für Profitabilität und Nachhaltigkeit erreicht werden.

Über den Autor

Peter Rinnebach ist Managing Director bei Accenture, einem Dienstleister im Bereich der Unternehmens- und Strategieberatung sowie Technologie- und Outsourcing, und verantwortet das Thema Merchandising und Planung in Europa. Er unterstützt seit über 20 Jahren Modemarken und Händler:innen bei der Verbesserung ihrer Planungsfähigkeiten vom Konzept bis zur Umsetzung. Zu seinen Kund:innen gehören führende Modeunternehmen – von Luxusmarken über Sportswear-Brands bis zu vertikalen Händler:innen.

Peter Rinnebach Bild: Accenture
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