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„Wir wollen zeigen, was beim Thema Nachhaltigkeit heute schon geht“

Von Regina Henkel

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Sympatex hat Großes vor Augen: Der Funktionsspezialist hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 den ökologischen Kreislauf in der Funktionsbekleidungsindustrie zu schließen. Das hat das Unternehmen aus München in diesem Jahr verkündet. Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind kein fernes Ziel mehr, vieles sei heute schon möglich, sagt CEO Dr. Rüdiger Fox. Schon heute sind 100 Prozent recycelte, recycelbare sowie PFC-freie Funktionstextilien im Portfolio des Membranspezialisten und Fox lädt alle Hersteller dazu ein, den Weg zu absolut nachhaltiger Outdoorbekleidung gemeinsam zu beschreiten.

Nachhaltigkeit ist wirtschaftlich notwendig

„Ich bin völlig erstaunt, warum nicht noch mehr Unternehmen nachhaltig agieren“, sagt Dr. Rüdiger Fox, CEO von Sympatex Technologies. Er meint damit nicht etwa, dass es einfach wäre nachhaltiger zu wirtschaften. Nein, er hält es schlichtweg für eine unternehmerische Notwendigkeit. „Das Thema kommt sowieso in naher Zukunft“, ist Fox überzeugt. „Der Unternehmer muss in Zukunft weit mehr einkalkulieren als bisher – die Wirtschaft braucht in dieser Hinsicht dringend ein Upgrade.“ Gewinne werden privatisiert, die Kosten für die Beseitigung von Umweltschäden trägt aber die Gesellschaft. Dieses Modell wird es nach Meinung von Fox nicht mehr lange geben. „Es ist daher auch wirtschaftlich nötig, mehr Nachhaltigkeit in die eigenen Prozesse zu integrieren.“ Genauso wirtschaftlich motiviert ist daher sein Credo: „First Mover können hinterher mehr vom Kuchen abbekommen.“ Fox, der sich selbst „Fundamentalpragmatist“ nennt, will nicht darauf warten, bis ihm jemand zeigt wie Nachhaltigkeit geht. Er arbeitet lieber selbst aktiv daran mit und lädt die Branche ein, mitzumachen. Gleich mehrere Leuchtturmprojekte hat Sympatex in diesem Jahr lanciert.

Klimaneutrale Membran

Zu den ersten Projekten gehörte die Verbesserung der CO2-Bilanz. Zur Ispo 2017 präsentierte Sympatex die erste CO2-neutrale Membran. Um jeglichen Beitrag zur globalen Erwärmung zu eliminieren, kompensiert das Unternehmen seit 2017 die CO2-Menge der gesamten jährlichen Membran-Produktion durch entsprechende Klimaschutzzertifikate in Zusammenarbeit mit der Münchner Beratung ClimatePartner. Das bedeutet: Durch die Unterstützung international zertifizierter Klimaschutzprojekte gleicht Sympatex auch die letzten verbleibenden CO2-Emissionen aus, die bei der Produktion der Membran frei gesetzt werden.

Closing the Loop: Kreislaufwirtschaft

Die Einbindung von Kreislaufprozessen ist ein weiteres Ziel für Fox: „Wir wollen zeigen, was beim Thema Nachhaltigkeit heute schon möglich ist. Kreislaufwirtschaft ist ideal, wenn man sie in allen Faktoren umsetzen kann. Die Natur selbst ist das beste Beispiel dafür, in der Natur gibt es keinen Abfall!“ Zur Ressourcenschonung und Abfallvermeidung treibt Fox die Entwicklung von recycelten und recyclingfähigen Produkten voran. So entwickelte das Unternehmen zusammen mit dem deutschen Outdoor-Spezialisten Vaude für Frühjahr/Sommer 2018 eine Schuhkollektion mit einer zu 100 Prozent recycelten und klimaneutralen Sympatex Membran sowie mit 100 Prozent recycelten Sympatex Futterstoffen.

Außerdem hat sich Sympatex mit vier Partnern zu der europäischen Industriepartnerschaft wear2wear zusammengeschlossen. Ziel dieser Vereinigung ist es, Rohstoffkreisläufe zu schließen und die Textilien am Ende ihres Lebenszyklus wieder komplett zu recyceln. Fox: „Diese Kooperation steht allen weiteren Partnern offen, die sich zu einem geschlossenen Materialkreislauf in der Textilindustrie verpflichtet fühlen – und mit jedem weiteren Mitglied kommen wir unserem Ziel näher, zeitnah eine nachhaltige Bekleidungsindustrie zu realisieren.“

Polyester-Kreislauf kann heute schon geschlossen werden

Gestartet wurde mit dem Polyester-Kreislauf, der von der Sammlung des gebrauchten Kleidungsstücks bis hin zum neuen Textil geschlossen werden soll. „Wir haben einen Großversuch gestartet mit Berufsbekleidung. Wir haben Uniformen aus reinem Polyester entwickelt und nehmen diese vollständig wieder zurück, um sie dem Recyclingkreis unseres neu gegründeten Projektes wear2wear zuzuführen. Das tolle an Kunststoff ist ja, dass es zu 100 Prozent ohne Qualitätsverlust recycelbar ist.“ Auf der internationalen Arbeitsschutzmesse A+A im Oktober zeigte Sympatex ein erstes Endprodukt, das auf modernsten Produktionsanlagen aus gebrauchten Funktionstextilien hergestellt wurde und auch wieder recycelt werden kann. Fox: „Generell ist in der Berufsbekleidung gerade viel Bewegung. Behörden achten heute vermehrt auf nachhaltige Kriterien, wenn sie öffentliche Aufträge für Uniformen vergeben. Das wird auch Effekte auf die Produktionsprozesse anderer Textilien haben.“

Allerdings funktioniert „Closing the Loop“ nur mit sortenreinen Fasern. Wenn Polyester z.B. mit Elastan verbunden ist, ist es - zumindest nach dem heutigen Stand der Technik – kaum möglich. Aus Produktsicht mag das zunächst nach einem Rückschritt oder einer Einschränkung klingen, dessen ist sich Fox bewusst: „Aber im zweiten Schritt entwickeln sich daraus ganz neue Möglichkeiten. Viele gute neue Ideen sind aus einer Notlage heraus entstanden.“ Was außerdem nötig wäre, ist eine einheitliche Kennzeichnung der Textilien, wie man sie recyceln kann. Bisher kann ein Kunde nur ahnen, ob ein Textil recyclingfähig ist. Mit einem aussagekräftigen Label könnte er die Recyclingfähigkeit in die Kaufentscheidung mit einbeziehen. Auch das würde die Entwicklung geschlossener Kreisläufe beschleunigen. Fox ist zuversichtlich: „Das ist ein evolutionärer Prozess. Ich denke aber, dass die Schnelllebigkeit der Branche hier auch Vorteile bringt, weil Veränderungen rasch umgesetzt werden können.“

Wirtschaft hat Nachhaltigkeit noch nicht integriert

Für Fox steht es außer Frage, dass sich unser Wirtschaftssystem in den nächsten Jahren massiv verändern wird: „Meine Vorhersage ist: In fünf Jahren ist Nachhaltigkeit in aller Munde. In zehn Jahren vielleicht schon umgesetzt.“ Wenn man sich die Entwicklung der letzten Jahre ansehe, könne man nur zu diesem Schluss kommen, sagt er. Er rät seinen Kunden deshalb, die aktuelle gesellschaftliche Dynamik bei der Materialauswahl mit einzubeziehen. „Wenn Sie heute die Materialauswahl treffen, dauert es in unserer Branche etwa anderthalb Jahre bis die Kollektion tatsächlich in die Läden kommt. Bis dahin kann sich schon viel verändert haben.“

Aber warum hat man das Gefühl, die Bekleidungsindustrie ist in den letzten Jahren nicht sonderlich weit gekommen? Fox: „Nach wie vor fehlt der Wirtschaft ein geeignetes System zur Darstellung von Nachhaltigkeit. Unser gängiges Reportingsystem kann das nicht abbilden.“ Auch die gängige Wachstumsideologie stellt Fox infrage. „Warum muss Wachstum in der Wirtschaft immer mit materiellem Wachstum einhergehen? Dass das nicht zwingend nötig ist zeigt die Digitalisierung: Wir können uns ein Buch downloaden, ohne dass dafür ein Buch gedruckt werden muss.“ Gerade die jungen Generationen stehen dem Besitz von Dingen anders gegenüber als ihre Vorgänger. „Ich propagiere jetzt nicht das Mode-Sharing, aber das Auto war beispielsweise auch einmal ein Statussymbol, der Verbrauch spielte keine Rolle. Gerade ändert sich das – und Car-Sharing wird immer beliebter, vor allem bei der jüngeren Generation“, so Fox.

Gesellschaftlicher Konsens fehlt noch

Wichtig seien systemimmanente Lösungen, nur ein gehobener Zeigefinger allein nutze wenig. Was Fox Sorge bereitet ist jedoch die Einstellung der Konsumenten. Angesichts der wachsenden Beliebtheit von Black Friday und Cyber Monday – und wie die Rabattschlachten alle heißen – sieht es noch nicht danach aus, als sei der Konsument tatsächlich bereit sein Konsumverhalten zu überdenken. „An der Stelle halte ich es für notwendig, noch mehr in den gesellschaftlichen Dialog zu treten“, stellt Fox fest. „Zum Glück gibt es Organisationen wie Greenpeace, die auch diese Themen immer wieder vorantreiben.“ Bei Sympatex selbst sei Fast Fashion jedoch nicht unbedingt das Thema, so Fox, da die Sympatex Produkte auf Langlebigkeit ausgerichtet seien. Nichtsdestotrotz sieht sich der Funktionsspezialist in der Verantwortung. Aufklärung in Sachen Nachhaltigkeit gehört für Sympatex deshalb zur Kommunikationsstrategie. Im Sommer lancierte das Unternehmen eine Kampagne mit dem Claim „Think about what on earth you’re doing to the environment by wearing outdoor apparel you don’t think about“.

Gleiches gilt für die ewige Performance-Debatte im Sport. Fox: „In den letzten Jahren war Performance der wichtigste Maßstab. Mit unseren Jacken kann man durch die Waschanlage gehen. Die Frage ist aber, ob ich unbedingt eine Jacke haben muss, die auch Öl abscheidet?“ Hier ist es unter anderem das Verdienst von Greenpeace gewesen, die Öffentlichkeit auf problematische Chemikalien wie z.B. PFC hinzuweisen, worauf die Textil-Industrie reagieren musste. Damit rückte auch die Frage in den Mittelpunkt, wie viel Performance wir wirklich brauchen und in welchen Kleidungsstücken? Inzwischen haben die meisten Brands reagiert und die Verwendung von PFC eingeschränkt oder ganz ersetzt. Sympatex hat die Diskussion begrüßt – die Sympatex-Membran kommt seit jeher ohne PFC aus.

Fotos: Sympatex

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