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Wie rechtfertigt die Modebranche 15 Jahre Global Fashion Summit?

Von Anna Roos van Wijngaarden

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Business|BERICHT
Die Willkommensrede auf dem Global Fashion Summit.Bild: Global Fashion Summit

„Wir können nicht noch 15 Jahre lang über dieses Thema reden“, war zweifellos der am häufigsten geäußerte Satz auf der jüngsten Ausgabe des Global Fashion Summit (GFS). Doch genau das ist das Treffen für nachhaltige Mode: ein Ort, an dem Modefachleute aus der Branchenspitze über Nachhaltigkeit diskutieren und nicht - wie sie insgeheim hoffen - fertige Antworten auf komplexe Fragen finden. Unterdessen gerät die Umstellung des Sektors auf Kreislaufwirtschaft ins Stocken; der Fortschritt sieht aus wie ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen erfolgreichen und gestrandeten Initiativen. Was ist der Anteil des GFS?

„Die Global Fashion Agenda [GFA; die Organisation hinter dem GFS, Anm.d.Red.] glaubt, dass Bildung ein grundlegendes Instrument sei, um die Branche voranzubringen“, sagt Faith Robinson, Verantwortliche für die Inhalte der GFA. „Das Gipfeltreffen ist als Wissensplattform konzipiert, damit sich die Teilnehmer:innen inspiriert und gerüstet fühlen für ihre Reise in Sachen Nachhaltigkeit. Wir schneiden die Inhalte auf bestimmte Interessengruppen zu, zum Beispiel auf politische Entscheidungsträger:innen. Für sie haben wir das ‘Global Textile Policy’-Forum ins Leben gerufen, eine Plattform für Regierungen und Industrieverbände weltweit, um politische Rahmenbedingungen für den Übergang zur Textilindustrie festzulegen und die EU-Textilstrategie außerhalb der EU zu verbreiten. Für Kreativdirektor:innen haben wir ‘Designer Challenges’ organisiert, bei denen sie mit nachhaltigen Innovator:innen zusammenarbeiten können.“ Neben Podiumsdiskussionen und Präsentationen umfasst das Programm auch ‘Aktionsbühnen’ mit herausgestellten Fallstudien, Innovationsstände mit neuen Materialien und ein Investitionsprogramm - eine große Erweiterung seit der Eröffnung im Jahr 2009, als die Veranstaltung noch Copenhagen Fashion Summit hieß.

Wenig Neues, aber Wichtiges

Laerke Skyum, Gründerin der Marke Ayni, war zu dieser Zeit anwesend. Bei ihrem letzten Besuch im Jahr 2019 sah sie wenig Neues in Bezug auf Themen und Vortragende. „Ich dachte oft: Das ist nicht sehr wertvoll, und es gab sogar Raum für ein bisschen Greenwashing. Andererseits kommen wir nicht weiter ohne eine Plattform, auf der wir zusammenkommen, debattieren, um Reaktionen hervorzurufen, und - was am wichtigsten ist - um auf dem Laufenden zu bleiben. Wir lernen als Branche ständig dazu, und was heute eine gute Idee zu sein scheint, kann morgen schon ganz anders aussehen. Ich glaube, dass die Zusammenarbeit letztlich zu Ergebnissen führt, die aber nur mittel- bis langfristig sichtbar sind. Nehmen Sie die Verordnungen, die jetzt überall auftauchen. Ihre Herausgebenden haben sich auch von Plattformen wie GFS inspirieren lassen.“

Skyum erlebte die Entwicklung des Gipfeltreffens durch den engen Kontakt mit GFS-Gründerin Eva Kruse, jetzt Engagement Officer bei Pangaia, die auf der 15. Ausgabe der Veranstaltung auf der großen Bühne eine Rede mit negativem Fazit hielt - enttäuscht über die langsamen Fortschritte, die sie auf dem Treffen thematisieren wollte. Während das „Warum“ und „Was“ klar geworden ist, stehen hinter dem „Wie“ und „Wann“ immer noch die gleichen Fragezeichen. Skyum betont ihren Respekt für Kruse und die Suche der GFA als Organisation nach dem richtigen Gleichgewicht in dieser Stimmung, mit Richtung Unternehmensführung auf der einen und Aktivismus auf der anderen Seite. In der Ausgabe von 2022 gab es einen solchen Moment, der ihr in Erinnerung geblieben ist, als ein Vertreter der Moving Or Foundation auf der Bühne über die 50 Millionen US-Dollar-Investition von Shein in ein nachhaltiges Projekt sprach. Es sah nicht nur wie ein getarntes Sponsoring aus, sondern auch der Kommunikationsstil sorgte für Aufruhr. „Ein Drittel der Anwesenden stand auf und verließ den Saal, denn GFS ist keine Plattform für diese Art von Führungsstil“, so Skyum.

Harter Kern

So dynamisch die Entwicklungen im Bereich der nachhaltigen Mode sind, so stabil ist der harte Kern der GFS-Besucher:innen - im Jahr 2023 waren es rund 1.000. Große Modeunternehmen wie Bestseller, die H&M-Gruppe, Kering und Target gehören zu den Standardteilnehmenden, ergänzt durch Innovations- und Logistikunternehmen, politische Entscheidungsträger:innen, Wissensinstitute und Menschenrechtsorganisationen. Sie schicken nicht die üblichen Kommunikationsbeauftragten mit Praktikant:innen, sondern Entscheidungsträger:innen, die die Autorität haben, der Nachhaltigkeit Priorität einzuräumen - die GFA nennt das „Agenda-Setting“. Dies spiegelt sich in Grundsatzreden über Führung und Visionen wider. Neben der gemeinsamen Nachhaltigkeitsagenda verfolgen sie auch ihre eigene Agenda.

Dass der Global Fashion Summit mit seiner hochkarätigen Besetzung nicht für alle ist, hält Kruse nicht für eine unkluge Entscheidung, aber sie vermisst den Anstoss der Organisation, sich mehr mit Branchenfremden zu vernetzen. „Es wäre schön, wenn Newcomer:innen und kleine Unternehmen durch soziale Veranstaltungen oder Workshops stärker einbezogen würden, wie ich es bei anderen Gipfeltreffen gesehen habe. Die Matchmaking-Plattform ist gut [2023 wurden 400 Treffen organisiert, und die GFA erhielt Rückmeldungen über fruchtbare Kooperationen], aber sie bringt nur Marken mit innovativen Unternehmen zusammen. Die Diskussionsrunden sind meist eine Einbahnstraße.“

Eine der Podiumsdiskussionen. Bild: Global Fashion Summit

Unterschiedliche Erwartungen

Gespräche zwischen FashionUnited und Besucher:innen zeigen, wie unterschiedlich die Erwartungen an die Veranstaltung sind. Kateryna Burianova, Remake-Freiwillige und Einzelhändlerin für nachhaltige Mode erklärte: „Ich finde hier Wissen, das ich auch in meine Arbeit einfließen lassen kann, aber ich sehe das Treffen eher als einen Ort, an dem man seine Perspektive erweitert, als dass man praktische Ratschläge erhält. Ein denkwürdiger Moment war eine beeindruckende Präsentation von Aktivist:innen aus Ghana, die auf die Herausforderungen der Abfallwirtschaft hinwiesen. Das hat in mir ein Gefühl der Empathie und des Handlungsbedarfs geweckt.“

Eine erfahrene Expertin für nachhaltige Textilien, die FashionUnited im Vorfeld kontaktierte, sieht das anders. Nach vier Besuchen beschloss sie, zu Hause zu bleiben: „In den ersten Jahren bin ich voller Hoffnung nach Kopenhagen gefahren, aber bald habe ich gemerkt, dass die Sponsor:innen entscheiden. Kritische Sessions gibt es nicht; alle sind mit allem einverstanden. Die Vernetzung ist anders, aber sie ist flüchtig. Man kennt sich untereinander. Und doch bin ich froh, dass die GFS hier ist. Es ist das einzige Gipfeltreffen in Europa, das sich ausschließlich auf Mode und nachhaltige Schritte konzentriert.“

Repräsentationsproblem

Der Global Fashion Summit verfolgt diese Themen, und ein Interview mit der Organisation offenbart eine starke Motivation, den Sektor bei der Beschleunigung des Übergangs zu unterstützen. Auf das Gefühl, dass Herstellende nicht genug Aufmerksamkeit erhielten, wurde bei der 15. Ausgabe beispielsweise mit einer langen Liste von Podiumsdiskussionen reagiert, auf der diese ihre Sicht verdeutlichen konnten (etwa „Scaling Tier 4 Best Practice“ oder „Building Circular Systems for India“). Die Themen wurden in den letzten Jahren ausgereifter und klarer umrissen, um mehr Tiefe und konkrete Lösungen zu erreichen. Das größere Problem ist die Repräsentation des Treffens: Sicherlich ist es hauptsächlich der globale Norden, mit einzelnen Teilnehmenden aus Südostasien, Afrika oder Lateinamerika, die in Wirklichkeit den größten Teil der Lieferkette repräsentieren. Sie müssen für das „global“ in GFS verantwortlich sein.

Die Global Fashion Agenda ist sich dessen bewusst. „Wir arbeiten hart daran, die Vertretung der Herstellenden und Bekleidungsarbeiter:innen bei unseren Veranstaltungen zu verbessern. Neben den verschiedenen Treffen treibt die GFA auch Programme zur Verbesserung der Recycling-Infrastruktur in Bangladesch, Vietnam und Kambodscha voran“, erläuterte Robinson. Als Beispiel nennt sie die 100-Millionen-Dollar-Investition von Modeunternehmen und GFA-Partner:innen in das erste große Offshore-Windkraftprojekt vor Cox's Bazar, Bangladesch, „das von der GFA-Versammlung auf dem Gipfeltreffen 2022 initiiert wurde. Wir erwarten einen erheblichen Zuwachs an Arbeitsplätzen, eine Stabilisierung der Energieversorgung und eine jährliche Verringerung der Emissionen um 725.000 Tonnen“. Ein weiteres konkretes Beispiel ist das Global Circular Fashion Forum, eine Post-Consumer-Recycling-Initiative, durch die die GFA und ihre Partner:innen seit November 2023 10,6 Millionen Kilogramm Textilabfälle in Bangladesch gesammelt und sortiert haben.

Zwischen progressiv und positiv

Die Teilnehmenden des Gipfeltreffens sind sich einig über die Dringlichkeit eines Wandels in der Modebranche. Doch der Ton des Gesprächs wird von der Organisation professionell geregelt: nicht zu progressiv. Emma Hakansson, die sich mit ihrer gemeinnützigen Organisation Collective Fashion Justice auf der aktivistischen Seite des Spektrums positioniert, versteht das. „Von mir aus könnte es radikaler und ‘pushy’ sein, aber es ist schwierig, all diese Leute in einen Raum zu bekommen. Da muss man Kompromisse eingehen.“ Nachdem sie im letzten Jahr die Anzahl der Erwähnungen von Tieren zählte und nur auf magere sechs kam, wandte sie sich an die GFA-Geschäftsführerin Federica Marchionni [seit 2021] mit einem Vortrag über die Bedeutung von tierischen Materialien in der Kohlenstoffdebatte. Sie wurde eingeladen, diesen während der 15. Ausgabe vor Publikum vorzutragen - ein Beispiel, das zeigt, dass die GFA tatsächlich etwas mit Feedback macht.

„In diesem Gebäude [DR Koncerthuset] sitzen viele Leute mit Macht in der Branche. Für jemanden wie mich mit einer kleinen Wohltätigkeitsorganisation ist das eine großartige Plattform“, so Hakansson. Sie stellt fest, dass sich die Teilnehmenden bei weitem nicht einig sind, was genau am Modesystem geändert werden muss, was mit ihren eigenen Zielen zu tun hat. Diese Gespräche finden auch während der Veranstaltung statt - abseits der Bühne - und das ist unglaublich wichtig.“

Viele Besucher:innen haben angesichts von Naturkatastrophen und Menschenrechtsverletzungen Probleme mit der unbeschwerten Atmosphäre des Treffens, aber eine positive, kooperative Stimmung schafft Mehrwert. Die Designerin Cecilie Bahnsen spricht mit Begeisterung über die Ausgabe im Jahr 2019. Nike organisierte einen Workshop mit kleineren nachhaltigen Modemarken und Designer:innen, um nachhaltige Materialverwendung und Upcycling zu diskutieren und zu demonstrieren. „Für mich wirkte das sehr verbindend, weil unsere gemeinsamen Hindernisse diskutierbar gemacht wurden. Als Designer:in neigt man manchmal dazu, alles allein zu machen, anstatt offen dafür zu sein, dass man gemeinsam viel mehr erreichen kann.“ Bei der 15. Ausgabe war sie zum ersten Mal selbst bei einer Podiumsdiskussion dabei. „Ich bin stolz darauf, heute neben dem Team von Eileen Fisher zu sitzen, denn ich finde die Art und Weise, wie sie über Kreislaufwirtschaft denken und wie sie immer darüber kommuniziert haben, inspirierend. Darum geht es auch beim Gipfeltreffen: den Mut zu haben, auf jemanden zuzugehen, den man bewundert, und zu fragen: Wie sind Sie das angegangen?“

Geld sorgt für Unbehagen

Der geschäftsmäßige Charakter des Global Fashion Summit schießt manchmal über das Ziel hinaus. Vortragende sind auch Sponsoren; ehrliche Fragen werden nicht immer gestellt und die Antworten klingen regelmäßig wie ein Verkaufsgespräch. Die Teilnehmer:innen haben oft schon illustre Karrieren hinter sich. Auch der Preis der Eintrittskarten ist ein Hinweis auf das Zielpublikum: Er beginnt bei 450 Euro ohne Mehrwertsteuer für wohlwollende Studierende und erreicht seinen Höhepunkt bei 1620 Euro für Inhaber:innen von Premium-Tickets. Nur sie erhalten Zugang zu exklusiven Gesprächsrunden, bei denen vage Themen konkret werden und Dilemmas ohne viel Aufhebens diskutiert werden. Diese finanziellen Entscheidungen stellen die Mission der GFA, ein „führendes Forum [öffentlicher Ort des Gedankenaustauschs] für Nachhaltigkeit in der Mode“ zu sein, in Frage, was bei Besucher:innen ein ungutes Gefühl auslöst. Während des Gipfels wurde eine Bemerkung fallen gelassen, die ich ziemlich "daneben" fand: Wir brauchen Geld. Geh doch mal zu den CEOs. Es gibt unheimlich viel Geld, vor allem im Luxusmarkt", sagte ein Dienstleister für Blockchain-Technologie.
Eine der Pausen im Programm, in denen fleißig Networking betrieben wurde. Bild: Global Fashion Summit

Der Wert von Networking

Es wäre naiv zu erwarten, dass es bei der einzigen großen Nachhaltigkeitstagung für Modefachleute nur um die Auswirkungen gehe und dass zwei gefüllte Programmtage ihre gemeinsamen Herausforderungen lösen können. Konferenzen vom Kaliber des GFS dienen auch der Anerkennung von Führungskräften, der Pflege von Beziehungen, der Interessenverfolgung, der Generierung von Leads und - nicht zuletzt beim komplexen Thema Nachhaltigkeit - der Inspiration.

„Ich stehe Nachhaltigkeitskonferenzen im Allgemeinen recht skeptisch gegenüber, da sie oft auf eine Auflistung der veröffentlichten ESG-Strategien von Marken hinauslaufen, sich zu wenig auf die wirklichen Herausforderungen konzentrieren und die Anbietenden nicht vertreten sind. Ich komme nicht wegen der Podiumsdiskussionen oder Breakout-Sitzungen hierher, sondern wegen des Wertes von Networking. Im Vergleich zu anderen Konferenzen habe ich auf dem Gipfeltreffen eine unvergleichliche Gruppe potenzieller Kund:innen und Partner:innen [Technologieanbietende, NROs] getroffen. Sie kommen auch wieder, so dass man durch herzliches Kennenlernen neue Möglichkeiten schaffen kann“, findet Heidi Van Dyck, CEO des Daten-Start-ups Athena Studio.

Gleichzeitig kann man erwarten, dass eine hochkarätige Veranstaltung mit Vertreter:innen der Führungsebene und hochrangigen Expert:innen jedes Jahr erkennbare Ergebnisse hervorbringen, die den Weg der Unternehmen in Richtung Nachhaltigkeit beschleunigen: eine neue Zusammenarbeit, ein Pilotprojekt, eine Investition. Lydia Brearley, Beraterin und Inhaberin der Sustainable Fashion School erklärt: „Die Botschaft dieser Ausgabe war kraftvoll und ich spürte ihre Resonanz im Raum: Es wird die Branche mehr kosten, wenn wir nicht handeln, als wenn wir es tun. Obwohl alle mit der Bereitschaft zum Handeln zuhörten, war auch spürbar, dass wir zu viel reden. Wir brauchen nicht mehr Innovationen. Wir müssen jetzt helfen, sie zu vermarkten“. Dazu müssen die Beteiligten gemeinsam Pilotprojekte durchführen und riskante Investitionen tätigen. Und das geschieht nicht auf dem Gipfel.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.

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