Warum kein Modeunternehmen KI ignorieren sollte
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„Das Dümmste, was man tun kann, ist, künstliche Intelligenz zu ignorieren“, sagt Max Pinas. Software, die Künstliche Intelligenz (KI) enthält, wird von den größten Akteur:innen der Modebranche eingesetzt. Zumindest erscheint es so auf der Amsterdamer Konferenz Emerce Fashion, auf der über die Zukunft des Modeunternehmertums gesprochen wurde.
KI ist Teil der Kultur geworden
Die Menschen gewöhnen sich schnell an neue Technologien, wie der niederländische Programmmacher und Kameramann Frans Bromet feststellte. Er drehte 1998 ein Video, in dem Menschen zum Ausdruck brachten, dass sie überhaupt kein Mobiltelefon bräuchten. „Ständig erreichbar sein? Das behagt mir nicht“, sagt jemand in dem Video, das auf YouTube zu sehen ist. Wie das Mobiltelefon, dem die Menschen anfangs misstrauisch gegenüberstanden, von dem heute aber fast alle mindestens eines besitzen, ist auch die KI Teil unserer Kultur geworden.
„Als ich vor Jahren den Leuten sagte, dass sie mit ihrem Handy bezahlen würden, wurde ich für verrückt erklärt“, erinnert sich KI-Experte Pinas. Jetzt glaubt er, dass KI die nächste neue technologische Entwicklung sei, an die sich die Menschen bald gewöhnen werden. Diese Erkenntnis stammt von seinem Sohn, der das Tool bereits am Tag der Einführung von ChatGTP zur Erledigung seiner Hausaufgaben nutzte. Die schnelle Akzeptanz machte Pinas klar, dass KI die Welt in kürzester Zeit im Sturm erobern würde.
Wie KI bei Suitsupply das Geschäft stationär und online verbindet
Während des Vortrags von Suitsupply, ging es darum, wie der Anzugspezialist trotz einer schwierigen Corona-Phase wieder floriert – auch dank digitaler Unterstützung.
Der Umsatz des Unternehmens stieg 2023 um 11 Prozent, von 499 Millionen Euro auf 553 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr, wie das niederländische Magazin Quote zuletzt berichtete. Der Nettogewinn wuchs ebenfalls, von 8 Millionen Euro 2022 auf 30 Millionen Euro ein Jahr später. „20 Prozent unseres Umsatzes stammen aus digitalen Kanälen“, sagt Wietse Smits, Stratege bei Suitsupply.
Es ist ein Scheindilemma, dass sich Modeunternehmer:innen zwischen physisch und online entscheiden müssen. Die beiden verstärken sich eigentlich gegenseitig, meint Carl Greif, Datenwissenschaftler bei Suitsupply. Der Erfolg des Modeunternehmens liegt in der nahtlosen Zusammenarbeit zwischen der digitalen Welt, die Datenexpert:innen erfordert, und den stationären Geschäften, in denen Stilexpert:innen den Unterschied ausmachen.
Diese sorgen in Suitsupply-Filialen dafür, dass Kleidungskombinationen zusammenpassen, heißt es im Gespräch. Große Mengen an Informationen über die Einkäufe der Kund:innen werden in ein KI-System eingespeist. Dieses System analysiert die Daten und gibt wertvolle Erkenntnisse an die Mitarbeiter:innen in den Filialen weiter. Die Daten werden auch verwendet, um zu prüfen, ob die Artikel vorrätig sind. Wenn Kund:innen etwas kaufen, erhalten sie einen personalisierten Newsletter mit Vorschlägen, wie sie das Outfit mit dem „Look Builder“ vervollständigen können; einem Tool, mit dem sich unzählige Kombinationen mit verschiedenen Modellen erstellen lassen.
KI als Werkzeug zum Erreichen von Zielen
ChatGPT kann innerhalb von Sekunden Empfehlungen aussprechen. Mit Midjourney können etwa Bilder bearbeitet werden, um Kollektionen zu visualisieren, bevor sie produziert werden; und mit Adobe Firefly können sogar bewegte Bilder, wie zum Beispiel Laufstegvideos, nach eigenen Wünschen gestaltet werden.
Ein wichtiger Tipp von Pinas und anderen Expert:innen während Emerce Fashion ist, dass man als Modeunternehmen besser früher als später mit KI-Programmen beginnen sollte. Mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Programme sind schnell und man kann sie so effektiv einrichten, dass sie die Bedürfnisse der Kundschaft erfüllen.
Das menschliche Gehirn hat eine gewisse Kapazität, wobei die Technik sich viel mehr merken kann, gibt Unternehmer Aljoscha Gielkens zu bedenken. Ein Aspekt des Geschäfts, der viel Platz im Kopf beansprucht, seien die Kosten für Rücksendungen; Kund:innen schickten häufig etwas zurück, wenn es nicht passte, merkte Greet Dekocker an, Geschäftsführerin von Becom.
Modemarken wie Vanessa Bruno, Sandro, Maje und Ba&sh arbeiten daher mit dem KI-gesteuerten „Sizing Tool“ Fringuant zusammen. Balmain kollaboriert mit Bods. Die Inditex-Marke Bershka arbeitet mit 3DLook zusammen; Marc Cain mit Sizekick. Egal, ob das eigene KI-Ziel darin besteht, mehr Umsatz zu generieren, indem man Kund:innen dabei hilft, den richtigen personalisierten Look zu finden – es gibt unzählige KI-Programme und -Tools auf dem Markt, die die Arbeit schneller und effizienter machen können.
Doch wer kritisch ist, stellt fest, dass KI so etwas wie eine „Blackbox“ oder ein schwarzes Loch ist – sie ist da, aber wie sie im Inneren funktioniert, ist nicht ganz klar. KI bietet zwar Bequemlichkeit, wirft aber auch grundlegende Fragen zum Datenschutz und zum geistigen Eigentum auf.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.nl. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.