US-Blockade in der WTO schürt Angst vor Handelskriegen
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Was US-Präsident Trump von internationaler Zusammenarbeit hält, demonstriert er immer wieder: herzlich wenig. Jetzt stürzt eine US-Blockade die Welthandelsorganisation in eine tiefe Krise.
US-Präsident Donald Trump ist aus dem Klimavertrag ausgestiegen, aus dem Iran-Atom-Abkommen, dem UN-Menschenrechtsrat. Jetzt setzt er der Welthandelsorganisation (WTO) die Daumenschrauben an. Die USA haben die Ernennung neuer Berufungsrichter so lange blockiert, dass nun ein Herzstück der Organisation teils lahmgelegt ist: Bei der Schlichtung von Handelsstreitigkeiten gibt es seit der Nacht zum Mittwoch keine Berufungsinstanz mehr, weil nur noch ein Richter im Amt ist. Drei sind vorgeschrieben.
Will Trump die WTO zu ihrem 25-jährigen Jubiläum (1.1.2020) vor die Wand fahren? Und weltweit zur Bully-Politik zurückkehren, wo ein Land das andere im Alleingang mit Strafzöllen in die Knie zu zwingt? Mit China versuchen die USA das bereits durch jede Menge neue Zölle, gegen die EU auch, etwa auf Stahl und Aluminium, und Trump hat weiteren Zöllen angedroht, auf Autos und Champagner.
«Die USA demontieren mit ihrer Blockadehaltung die WTO und sorgen für ein enormes Risiko für die Weltwirtschaft», urteilt der für Außenhandel zuständige FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Von einer Hiobsbotschaft für die deutsche Wirtschaft spricht der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Dieter Kempf. «Ohne verlässliche Regeldurchsetzung droht der deutschen Wirtschaft weiter steigende Unsicherheit auf den Weltmärkten.»
WTO-Experte Joost Pauwelyn geht noch weiter: «Das größte Risiko ist die Eskalation von Handelskriegen», sagt der Rechtsprofessor an der Genfer Universität Graduate Institute. Er sieht aber einen Silberstreif am Horizont: «Vielleicht war es nötig, dass die USA mit der Faust auf den Tisch hauen, um die Länder zu den nötigen Reformen zu bewegen. Im besten Fall geht daraus eine gestärkte WTO hervor - das kann aber ein paar Jahre dauern.» Mit Trump habe das nichts zu tun. Die US-Demokraten hätten mit der WTO dieselben Probleme.
Der Frust der Amerikaner sitzt seit Jahren tief. Vor allem das aufstrebende China mit seiner staatsgelenkten Wirtschaft, mit der Missachtung von Patenten und billigen Waren auf dem Weltmarkt verärgert sie und andere, etwa die EU. «Der US-Handelsbeauftragte hat mehrfach moniert, dass die WTO-Regeln nicht ausreichen, um China wegen Verstößen gegen geistige Eigentumsrechte zu belangen», schriebt die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Neue WTO-Regeln werden aber verhindert, denn jedes Land hat Vetorecht.
Zudem hat China - wie zwei Drittel der Mitglieder - den Status eines Entwicklungslandes mit vielen Konzessionen. «Die WTO ist KAPUTT, wenn die REICHSTEN Länder der Welt Entwicklungslandstatus beanspruchen um WTO-Regeln zu umgehen und Konzessionen bekommen», twitterte Trump im Sommer. Allerdings beanspruche China bei laufenden Verhandlungen keine Entwicklungsland-Vergünstigungen mehr, sagt Pauwelyn.
Die WTO gilt als Erfolgsgesichte. Sie hat größere Handelskriege 25 Jahre lang verhindert. Heute unterliegen 96 Prozent des weltweiten Handels WTO-Regeln. Bis zu Trumps Amtsantritt waren willkürliche Zölle eine Seltenheit, und betroffene Länder konnten sich im Streitschlichtungsverfahren wehren. Die heute 164 Mitgliedsländer unterwarfen sich den Richtersprüchen. Zuletzt musste die EU nach einer Niederlage wegen rechtswidriger Subventionen für den Flugzeugbauer Airbus milliardenschwere US-Zölle hinnehmen.
Trotz Krise ist die WTO weiter aktiv. Verhandelt wird etwa über eine Begrenzung von Subventionen in der Fischerei und im Agrarsektor. «Die beste Art, die Relevanz der WTO zu demonstrieren, ist es, auf dem Verhandlungssektor etwas zu schaffen», sagt der EU-Botschafter João Aguiar Machado und beschwört die anderen Länder, bei der nächsten Ministertagung im Juni in Kasachstan für Durchbrüche zu sorgen.
Auf die von der EU mit Spannung erwartete Entscheidung über die Höhe von Strafzöllen, die sie wegen rechtswidriger US-Subventionen für den Flugzeugbauer Boeing erheben darf, hat die Situation keinen Einfluss. Dafür ist ein Schlichter außerhalb des Berufungsgremiums zuständig. Dessen Entscheidung wird in den kommenden Monaten erwartet.
«Das multilaterale Handelssystem begann mit einem entscheidenden Akteur, den USA», sagte der stellvertretende WTO-Direktor Alan Wolff gerade bei einer Rede in Moskau. «Dieser Akteur und Begründer des Systems hat diese wichtige Rolle aufgegeben.» Die Situation sei zwar nicht gut, «aber sie ist auch nicht katastrophal.» (dpa)