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Umfrage: Deutsche Verbraucher:innen werden zunehmend digitaler

Von Simone Preuss

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Bild: Negative Space / Pexels

Nachdem deutsche Verbraucher:innen im europäischen Vergleich lange das Schlusslicht bildeten, was die Nutzung digitaler Kanäle anging, so haben sie sich inzwischen vom vorletzten Platz ins europäische Mittelfeld vorgearbeitet und bilden jetzt sogar eine der wenigen Ausnahmen, was den Anstieg der Nutzer:innen insgesamt angeht.

Während 15 von 19 europäischen Ländern nach Lockerung der Coronaeinschränkungen ein Wiedererstarken physischer Kanäle verzeichnen - etwa beim Einkauf im Supermarkt, im Modegeschäft oder dem Besuch der Bankfiliale - konnten in Deutschland seit letztem Jahr knapp 4 Millionen neue Nutzer:innen hinzugewonnen werden, die erstmals online einkauften, eine Versicherung abschlossen oder eine Reise buchten. Gegenüber 2021 entspricht das einem Wachstum von 5 Prozentpunkten (PP).

Allgemeine Akzeptanz digitaler Interaktionen

Grund dafür ist eine stärkere Nutzung digitaler Lösungen in bestimmten Branchen, etwa im Bankwesen (+14PP auf insgesamt 86 Prozent), Gesundheitswesen (+14PP auf insgesamt 44 Prozent) und Lebensmittelhandel (+11PP auf insgesamt 21 Prozent).

„In Summe ist die Akzeptanz digitaler Interaktion über Apps, Chats oder Webseiten weit mehr als ein pandemischer Trend - Europa hat seit 2019 im Durchschnitt einen Nettozuwachs von 100 Millionen Online-Nutzer:innen erlebt“, fasst die repräsentative Umfrage „Digital Sentiment Survey“ von McKinsey & Company zusammen.

An der zwischen dem 15. bis 31. März 2022 durchgeführten Umfrage nahmen über 25.000 Verbraucher:innen zwischen 18 und 85 Jahren aus 19 europäischen Ländern teil, darunter über 1.500 aus Deutschland. Sie ist die dritte Auflage der erstmalig 2020 durchgeführten Verbraucherumfrage.

Allgemein haben rund 85 Prozent der Europäer:innen mit Internetzugang während der vergangenen sechs Monate mindestens einen digitalen Dienst aus dem Bereich Lebensmittel, Bankwesen, Versicherungen, Einzelhandel, Unterhaltung, Bildung, öffentliche Verwaltung oder Gesundheit genutzt. Während im Jahr 2021 dies nur 65 Prozent der Verbraucher:innen in Deutschland taten, sind es jetzt 70 Prozent oder Platz 13 im europäischen Vergleich.

Neben Deutschland verzeichneten auch Österreich (+7PP), Finnland (+3 PP) und die Schweiz (+0,5PP) Online-Zugewinnen. Alle anderen Länder zeigen teilweise deutliche Rückgänge in der Digitalnutzung zugunsten physischer Kanäle, etwa dem Gang in den stationären Handel (Frankreich -11PP, Portugal -13PP, Tschechien -14PP).

„Europas und Deutschlands Verbraucher:innen interagieren im ‘New Normal’ mit deutlich mehr Branchen über digitale Kanäle als vor der Pandemie. Die Entwicklung ist unumkehrbar und wird sich über die jungen Generationen noch einmal verstärken“, kommentiert Gérard Richter, Leiter von McKinsey Digital in Deutschland und Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey, in einer Mitteilung.

Gewinner Bank- und Gesundheitswesen

Bei den vollkommen digitalen Nutzer:innen verzeichnete das Bankwesen mit 33 Prozentpunkten absolut den größten Zuwachs, wobei rund 86 Prozent der Nutzer:innen von Bankdienstleistungen angaben, diese ausschließlich digital zu nutzen. Dies ist nach Unterhaltung mit 88 Prozent die zweithöchste Durchdringung in der erwachsenen Bevölkerung.

Rund 44 Prozent der Befragten gaben an, im Bereich Gesundheitswesen in den letzten sechs Monaten rein digitale oder digital-unterstützte Angebote wahrgenommen zu haben, etwa die digitale Kontaktaufnahme mit einem Arzt / einer Ärztin, die Krankenversicherung per Mail oder Chat, aber auch Wellness- oder Gesundheitsmonitoring-Apps und -Onlinedienste, die Online-Diagnose oder Symptom-Checker. Die Video-Sprechstunde beziehungsweise die Online-Therapie spielt eine noch eher untergeordnete Rolle.

Deutscher Einzelhandel vor europäischem Durchschnitt

Der Einzelhandel verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr eine um 4 PP zurückgegangene Nutzung digitaler Kanäle, was mit einer verstärkten Nutzung physischer Geschäfte zusammenhängen kann. Dies liegt weit unter dem europäischen Durchschnitt von minus 11 PP.

Insgesamt beträgt die Gesamtnutzung beziehungsweise Durchdringung im deutschen Bekleidungs- und sonstigem Einzelhandel 69 Prozent, davon ein Großteil (58 Prozent) vollständig digital, nur gering digital mit menschlicher Unterstützung (9 Prozent) und der Rest physisch (33 Prozent). Hier wurde als Hauptgrund für die Nichtnutzung digitaler Kanäle „Mir ist der persönliche Kontakt lieber“ genannt.

Bild: Nutzung digitaler Kanäle / McKinsey & Company

Bei den bevorzugten digitalen Kanälen wurden für den Bekleidungs- und sonstigen Einzelhandel Websites am häufigsten genannt (48 Prozent), gefolgt von Marktplätzen (29 Prozent), mobile Apps (17 Prozent), die sozialen Medien (3 Prozent) und Instant Messaging und Callcenter (jeweils 1 Prozent).

Misstrauen bei Cyberattacken, Kryptowährungen

Im Vergleich zum letzten Jahr hat die Sorge vor Cyberattacken zugenommen: Fast ein Drittel der Nutzer:innen misstraut digitalen Angeboten aus Angst - direkt oder indirekt - Opfer eines Cyberangriffs zu werden. Aktuelle technologische Schlüsseltrends wie künstliche Intelligenz, Kryptowährungen, Hyperpersonalisierung oder Metaverse haben mit über 80 Prozent einen hohen Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung.

„Gegenüber Kryptowährungen und dem Trend zur Hyperpersonalisierung bleiben die Deutschen zusammen mit den Österreicher:innen in Europa die größten Kritiker und sehen diese Trends eher negativ. Das ist ein klarer Auftrag an Unternehmen wie Politik, die positiven Effekte neuer Technologien klarer an Verbraucher:innen zu kommunizieren“, so Richter.

Die Verbraucher:innen erwarten derzeit nicht, dass der Krieg in der Ukraine große Auswirkungen auf ihre digitale Nutzung haben wird - nur etwa 15 Prozent der deutschen Verbraucher:innen sehen einen negativen Effekt auf ihr persönliches digitales Nutzungsverhalten, so die Umfrage. Sie gehen jedoch davon aus, dass sie ihre Ausgaben in Zusammenhang mit digitalen Dienstleistungen reduzieren werden.

„Mit fortschreitendem Kriegsverlauf und negativen Implikationen wie einer weiter zunehmenden Inflationsrate ist zu erwarten, dass der Konsum abnimmt. Diese Entwicklung würde sich natürlich auch in Ausgaben für digitale Dienstleistungen oder Onlinekäufe niederschlagen“, sagt Richter. Bislang deutet sich insbesondere ein Umsatzrückgang für die Branchen Bekleidung und Einzelhandel an: 24 Prozent der Verbraucher:innen möchten hier ihre Ausgaben reduzieren.

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