UK: Neues Einwanderungsgesetz könnte Wachstum der Modebranche verlangsamen
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Zum 31. Januar 2020 hat Großbritannien die Europäische Union verlassen. Das hat Konsequenzen für die Einwanderungspolitik des Landes: Vor wenigen Tagen gab die britische Behörde für Visa und Immigration des Innenministeriums bekannt, dass ab 1. Januar 2021 ein Punktesystem eingeführt werden soll, das nicht mehr zwischen EU- und Nicht-EU-Mitgliedern unterscheidet. Dies ist darauf ausgerichtet, hochqualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu holen; was geschieht aber mit den Millionen von niedrig qualifizierten Arbeitskräften, die das Land ebenfalls braucht? Für die Bekleidungsindustrie, die von Geringqualifizierten abhängt, könnte dies weitreichende Folgen haben.
Die britische Datenanalyse- und Beraterfirma etwa GlobalData warnt, dass die geplanten Änderungen des UK-Einwanderungsgesetzes das Wachstum der Bekleidungsbranche verlangsamen könnten, denn ab Januar 2021 würden geringqualifizierten Arbeitern aus der EU Visa verweigert.
„Das Innenministerium hat bereits bestätigt, dass 70 Prozent der bestehenden EU-Arbeitskräfte nicht den Anforderungen der Facharbeiterrouten entsprechen würde. Das könnte sich für den britischen textilherstellenden Sektor als problematisch erweisen, zumal er so stark von osteuropäischen Arbeitskräften abhängig ist“, sagte Hannah Abdulla, Bekleidungskorrespondentin bei GlobalData, in einer Erklärung.
Ausschluss von Niedrigqualifizierten könnte zum Rückschritt werden
„Da Großbritannien seine Produktionskapazitäten ausbauen möchte, könnte der jüngste Schritt zu einem Rückschritt führen. Eine der Sorgen ist die Forderung nach einer formalen Qualifikation. Es gibt viele hochqualifizierte Arbeitskräfte in diesem Sektor, wie zum Beispiel Maschinenschlosser, aber sie haben nicht unbedingt die formale Qualifikation, um dies zu beweisen. Und mit weniger als einem Jahr Zeit, bevor die neuen Regeln zum Einsatz kommen, werden die britischen Fabriken darum kämpfen, rechtzeitig Ersatzpersonal auszubilden. Letztendlich werden die neuen Regeln das Wachstum des Sektors begrenzen“, begründet Abdulla die Warnung.
Die britische Einwanderungsbehörde ist eindeutig, was die neuen Regeln angeht: „Wir werden das Gesamtniveau der Migration reduzieren und denjenigen mit den höchsten Qualifikationen und den größten Talenten höchste Priorität einräumen: Wissenschaftlern, Ingenieuren, Akademikern und anderen hochqualifizierten Arbeitskräften“, heißt es in einer offiziellen Bekanntgabe vom 19. Februar 2020.
Wer keine hochqualifizierte Arbeitskraft, Facharbeiter, Studierender, Innovator oder globale Führungskraft ist oder sonst einen spezialisierten Arbeitsweg vorzuweisen hat, der schaut ab Januar 2021 in die Röhre: „Wir werden keinen allgemeinen Weg für Geringqualifizierte oder Teilzeitarbeiter einführen. Wir müssen den Schwerpunkt unserer Wirtschaft weg von der Abhängigkeit von billigen Arbeitskräften aus Europa verlagern und uns stattdessen auf Investitionen in Technologie und Automatisierung konzentrieren. Arbeitgeber werden sich anpassen müssen“, heißt es lapidar weiter.
Das ist bestenfalls kurzsichtig und könnte schlimmstenfalls langfristig negative wirtschaftliche Konsequenzen haben. Britische Verbände wie etwa London First warnen bereits vor einem Arbeitskräftemangel und sehen besonders für das Baugewerbe, den Einzelhandel und Kliniken Engpässe voraus. Sie fordern Visa-Erleichterungen und eine Senkung des empfohlenen Mindestjahresgehalts von 30.000 Pfund (rund 33.000 Euro) auf 20.000 Pfund (rund 22.000 Euro).
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