Trotz Lockdown – wie Brands die Ordersaison HW21/22 einschätzen
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Das neue Jahr hat begonnen, aber mit dem Anlaufen der Ordersaison HW21/22 ist noch kein Aufatmen für die Modebranche in Sicht. Der Lockdown in Deutschland wurde bis Mitte Februar verlängert und volle Lager sorgen für viel Unsicherheit in der Branche. Wie beurteilen Marken wie Marc O’Polo, Vagabond und Strellson die Lage und das Ordervolumen für die kommende Saison?
„Grundsätzlich ist die Lage natürlich sehr angespannt. Wir bekommen von vielen Händlern die Information, dass die Situation brenzlig ist”, sagte Maximilian Böck, Vertriebschef und Co-CEO bei Marc O’Polo am Mittwoch. „Nichtsdestotrotz gibt die angekündigte Verlängerung des Lockdowns bis zum 15. Februar Zuversicht. Die Erwartungen von vielen war ein Lockdown bis Ende Februar.” Das Modeunternehmen aus Stephanskirchen ist im stationären Handel gut vertreten und zählt 110 eigene Stores, 178 Franchise-Stores, fast 800 Shop-in-Store-Partner und rund 950 Handelspartner im Multilabel-Bereich.
Maximilian Böck ist optimistisch, dass die Kauflaune nach dem Lockdown zurückkehren und einen gewissen Aufholeffekt mit sich bringen wird. Die Geschäfte für Marc O’Polo liefen bis zum zweiten Lockdown gut. „Sobald die Geschäfte wieder geöffnet sind, gehen wir von einer Fortsetzung dieser Performance aus”, sagte Böck. „Dadurch, dass wir die Winterware vor dem erneuten Lockdown gut verkauft haben, haben wir kein so großes Problem.”
Bild: Marc O'Polo Concept Store in Stockholm
Grundstimmung Unsicherheit
Auch wenn der Lockdowns bis zum 15. Februar verlängert wurde, bleibt aber weiterhin unsicher, wann die Läden wirklich aufmachen können. Die Grundstimmung in der Modebranche ist damit eine andere als in der vergangenen Orderrunde im Sommer, als trotz Pandemie die Läden schon für einige Monate offen waren und Händler wieder Verkaufszahlen hatten, an denen sie sich orientieren konnten.
„Es herrscht eine große Unsicherheit gerade”, sagte Strellson-Markenchef Marino Edelmann. Vieles ist noch unklar – wann die Geschäfte wieder öffnen, wie viel Waren noch verkauft werden können und wie viel Ware dann für den kommenden Winter gebraucht wird, fasst er das Problem zusammen. „Selbst die best-organisiertesten, best-planendsten Händler sind gerade mit einer Glaskugel unterwegs, weil niemand sagen kann, mit wie viel Bestand man aus der Wintersaison rausgehen wird und was entsprechend für nächsten Winter die Strategie ist”, erklärt er in einem Gespräch in der vergangenen Woche. Strellson, eine Marke der Schweizer Holy Fashion Group, ist auf etwa 100 Shopflächen vertreten und betreibt 40 Monobrand-Stores.
Anfang Januar schätzten die Branchenverbände Textil (BTE), Schuhe (BDSE) und Lederwaren (BLE), dass sich im deutschen Modemarkt eine halbe Milliarde unverkaufter Artikel durch den Lockdown seit Mitte Dezember aufgetürmt haben. Solange die Läden geschlossen sind, zögern Modehändler mit ihren Bestellungen für den kommenden Winter, das stellt auch Brands vor Probleme bei der Planung und dem Verkauf ihrer Kollektion.
Auch im Schuhmarkt stehen Hersteller und Marken vor ähnlichen Probleme. Im Januar konnten sie ohne Schlussverkauf ihre Läger nicht einmal leeren, sagte Jan-Dirk Wittrock, der den Vertrieb der schwedischen Schuhmarke Vagabond in Deutschland verantwortet. Vagabond ist in 45 Märkten weltweit vertreten und beliefert mehr als 200 Händler in Deutschland.
„Als Händler weißt du nicht, wo du in einem halben Jahr stehst. Viele warten noch mit der Order und tun sich schwer. Manche kaufen erst im Februar und März in einem, wenn sie mehr wissen”, sagte er in einem Interview am Montag.
Bild: Vagabond
Wann kehrt die Normalität zurück? Aussichten für die Order HW21/22
„Es wird eine anspruchsvolle Runde mit den vollen Lagern und fehlenden Abverkäufen derzeit, da erhoffe ich mir keine Budgetsteigerungen”, sagte Edelmann. Bis Ende Februar hofft er, dass die Bestellungen der Händler eingehen. Normalität erwartet Edelmann erst im kommenden Jahr. „Ich glaube, dass wir ab März, April wieder eine Aufwärtsbewegung sehen werden mit dem wärmeren Wetter und den Impfungen. In der Sommerorder werden wir etwas mehr Normalität verspüren, die richtige normale Order ist dann wahrscheinlich der nächste Januar. “
Die Händler werden für die bevorstehende Order vorsichtig planen, daher ist insgesamt mit einem Minus von 10 Prozent im Vergleich zu einer normalen Herbst-/Winter Saison zu rechnen, erwartet Maximilian Böck für den Modemarkt. „Für unsere Orderrunde bin ich sehr zuversichtlich, dass wir ohne große Abstriche reinverkaufen. Von unseren Partnern bekommen wir das Feedback, exzellente Produkte und eine hervorragende Performance am POS zu haben.“
Seinen relativen Optimismus begründet Böck damit, dass die kommende Herbst/Winter-Saison weniger von den Auswirkungen der Pandemie geprägt sein wird und ein Stück Normalität zurückkehrt. Er rechnet zwar noch mit einer Maskenpflicht und Einschränkungen, aber nicht mit einem Lockdown, Reiseverboten oder dichten Grenzen.
Auch Vagabond sieht das Ordervolumen ähnlich zum Vorjahr. „Ich gehe davon aus, dass wir Herbst/Winter 21 ähnlich so wie Herbst/Winter 20 durchkommen”, sagte Wittrock. Die nächsten Wochen werden entscheidend für den Schuhhandel sein, wo die starken Umsatzmonate ab März beginnen.
Showrooms oder digital?
Neben der Unsicherheit erschweren auch verschärfte Regeln während des Lockdowns die Ordersaison. Viele Messen von Düsseldorf bis Mailand, wo die Hersteller ihre neue Kollektion sonst zeigen, sind ausgefallen oder wurden verschoben.
In ihren Showrooms setzen die Marken auf höchste Hygienestandards. Marc O’Polo hat elf Showrooms und davon fünf in Deutschland, in dieser Orderrunde gibt es hier neben Plexiglas-Scheiben nun auch FFP2-Masken. Vor allem bei Einkäufern von Damenmode beobachtet das Unternehmen aus Stephanskirchen nach wie vor das Bedürfnis in den Showroom zu kommen, um die Kleidungsstücke zu fühlen oder anzuprobieren.
Aber die Pandemie hat auch gezeigt, dass ein Teil der Order, vor allem für Basics, ohne weiteres digital stattfinden kann, findet Wittrock. Auch Vagabond hat in digitale Ordertools investiert. Stundenlange Autofahrten oder Flugreisen lohnen sich oft nicht, er beobachtet hier auch ein Umdenken bei den Kunden.
Bei Strellson hofft Marino Edelmann viele Einkäufer in den zehn Showrooms von Paris bis Zürich zu sehen, die ab dieser Woche geöffnet sind. Seit einem Jahr ist bei Strellson auch digitales Ordern möglich, aber gerade für die Neuausrichtung findet er es besser, den Kunden einen Gesamteindruck zu vermitteln.
„Wir haben viel vor und eine Neuausrichtung der Marken im letzten Jahr schon gestartet. Jetzt fühlen wir uns wie ein Fußballer, der immer im Training ist, aber nicht zum Spiel ins Stadion darf”, sagte Marino Edelmann. „Aber das bringt ja alles nichts, wir müssen positiv bleiben und die Menschen begeistern, mit unseren Produkten und unserer Marke. Wir geben uns Mühe so wenig wie möglich, über Corona zu sprechen, sondern über tolle neue Sachen.”
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Bild: Strellson HW21