Taipei Fashion Week und darüber hinaus: 5 aufstrebende taiwanesische Talente, die man kennen sollte

In den letzten Jahren ist es nur wenigen taiwanesischen Designer:innen gelungen, den Markt auf globaler Ebene zu erobern, doch die lokale Branche wächst mit aufstrebenden Talenten, die allmählich die verdiente Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Parallel dazu beginnt das Land, zunehmend zu experimentieren und in die alle zwei Jahre stattfindende Taipei Fashion Week zu investieren, die am Wochenende mit ihrer AW24-Saison zu Ende ging. Sie ist das Sprungbrett für viele Designer:innen, bevor sie auf internationale Märkte abwandern. 

Nach Abschluss dieser Ausgabe der Taipei Fashion Week sprach FashionUnited mit fünf Designer:innen, die in Taiwan und über das Land hinaus durch die Teilnahme an der Modewoche oder durch eine breitere Zusammenarbeit mit der Branche rasch an Bedeutung gewinnen. 

Damur

  

  

Der in Berlin lebende und in Taiwan geborene Damur Huang gründete seine gleichnamige Marke unter der Prämisse, die Design-Identitäten der beiden Länder, in denen er zu Hause ist, zu vereinen. Es sind auch diese Orte, die neben dem chinesischen Festland zum Epizentrum des Geschäfts der Marke geworden sind, da Verbraucher:innen jeder Region Huangs hochwertige und dennoch zugängliche Art von Streetwear schätzen. 

Das gilt auch für die neueste AW24-Kollektion des Designers, #IamVersatile, die im Rahmen der Taipei Fashion Week gezeigt wurde. Im Gespräch mit FashionUnited erläuterte Huang das Konzept der Kollektion, das im Wesentlichen auf einer Neuinterpretation der Mode der 1960er Jahre durch provokante Ausschnitte basiert: „Wir haben viele zugängliche, trendige Teile aus der Streetwear-Kategorie entworfen, aber bei der Kollektion ging es wirklich darum, Looks zu stylen, die sehr hochwertig und elegant und gleichzeitig progressiv sind. Es geht darum, mit dem traditionellen Design zu brechen und ihm eine andere Dimension zu verleihen.“

Damur hat bereits an vergangenen Ausgaben der Berlin Fashion Week teilgenommen und war auch bei den letzten Ausgaben der Taipei Fashion Week dabei, einer Stadt, der sein Herz immer noch gehört. „Wir könnten für SS25 etwas Neues machen, wir wissen es noch nicht“, sagte Huang auf die Frage nach zukünftigen Plänen. „Vielleicht in Berlin, vielleicht irgendwo anders. Aber Taipeh wird immer eine wichtige Stadt für mich sein, weil ich hier aufgewachsen bin und 20 Jahre lang hier gelebt habe.“

  

  

Claudia Wang

  

  

In den letzten Saisonen hat Claudia Wang die virtuelle und die reale Welt miteinander verschmelzen lassen. Sie präsentierte einige ihrer physischen Kollektionen und Produkte neben digitalen Gegenstücken, die von außerirdischen Avataren angezogen wurden, die die Modenschau im Hintergrund begleiteten. Das von Videospielen inspirierte Konzept war bereits beim Debüt der Designerin auf der London Fashion Week im September 2023 zu sehen und wurde bei der Präsentation ihrer AW24-Kollektion auf der Taipei Fashion Week fortgesetzt. 

Der Einsatz der Digitalisierung ist für die gebürtige Amerikanerin jedoch nichts Neues. Wang integrierte diese Technologie zunächst in ihren gesamten Designprozess, um die Erstellung von Mustern effizienter zu gestalten. Jetzt hat sie sich zum Ziel gesetzt, physische Muster zu ersetzen und diese Effizienz im gesamten Unternehmen zu fördern, während sie gleichzeitig auf die Verringerung von Abfällen drängt. 

Wangs Bestreben, nachhaltige Praktiken voranzutreiben, zeigt sich auch in ihrer jüngsten Zusammenarbeit mit dem unabhängigen taiwanesischen Textilhersteller Lin Hsing Ye Co., der die junge Modeschöpferin bei der Entwicklung von Stoffen mit 3D-Effekt für die neueste Kollektion unterstützt, was sich in Stoffen mit wasserähnlichem Glanz und leichtem Volumen zeigt. Das Ergebnis ist eine Linie mit satten Farben und voluminösen Silhouetten, die teilweise mit geometrischen Mustern versehen sind, die mit komplizierteren Blumenmustern kollidieren und einmal mehr die Verschmelzung von digitalen und realen Elementen zu einer Ästhetik illustrieren.

  

  

Seivson 

  

  

Nachdem sie in den vergangenen Jahren sowohl auf den Modewochen in Tokio als auch in Taipeh vertreten waren, zogen es Seivson und seine Designerin Tzu Chin Shen in diesem Jahr vor, sich aus dem Rampenlicht zurückzuziehen und stattdessen an der B2B-Matchmaking-Veranstaltung Taipei In Style teilzunehmen. Dort war sie Gastgeberin eines kleinen Standes, an dem sie sowohl Einkäufer:innen als auch Fans begrüßte, die hofften, ein Stück aus ihrer limitierten Kollektion zu ergattern. Ihre Entscheidung, sich von den Modenschauen zurückzuziehen, ist jedoch auf die kürzliche Einrichtung eines japanischen Hauptsitzes für die Marke zurückzuführen, mit der sie das Ziel verfolgt, diesen Kernmarkt besser zu bedienen. 

Obwohl dies der Fall sein mag, stellte Shen fest, dass einige ihrer Looks auch bei den europäischen Einkäufer:innen, die die Messe besuchten, Anklang fanden. Dies zeigte sich in der starken Resonanz auf Stücke mit dem charakteristischen Druck der Marke, der auf den ersten Blick an eine zarte Blumentapete erinnert, bei näherer Betrachtung aber tatsächlich nackte Frauen zeigt. Trotz des eindeutigen Interesses der westlichen Märkte hat Asien nach wie vor Priorität. Im Gespräch mit FashionUnited sagte Shen: „Wenn wir in den europäischen und amerikanischen Markt eintreten wollen, wäre das eine Herausforderung, denn wenn wir einen Ort betreten, wollen wir ihn erst einmal beobachten und tiefer in den Markt eindringen, bevor wir expandieren - nicht nur für eine Modenschau und dann wieder weg.“

Dies ist der Ansatz, den Seivson in Japan verfolgt, einem stark gesättigten Markt, auf dem es schwierig sein kann, Fuß zu fassen. Doch mit der Zeit und nachdem sie die richtigen Kund:innen gefunden hatte, begann die Tokioter Modewoche, Shen mehr als „Insiderin“ zu sehen, nahm sie später in das Programm auf und verlieh ihr einen prestigeträchtigen Preis, der ihre Präsenz verstärkte. Als solche ist sie sich der Tendenz der japanischen Verbraucher:innen bewusst, sich an eine legere Garderobe zu halten, die durch ein praktisches und bedarfsorientiertes Einkaufsverhalten geprägt ist. Doch für Shen ist die Person, die sie sich beim Entwerfen vorstellt, immer noch eine Person mit Selbstvertrauen in ihre Selbstdarstellung, und daher eine Person, die auf der ganzen Welt Anklang findet. 

  

  

Irensense

  

  

Irensense ist eine weitere Marke, die sich bereits einen Platz im Tokioter Programm gesichert hat, indem sie sich in der vergangenen SS24-Saison vorstellte und sich nun, wie auch Seivson, dafür entschied, die neueste Kollektion auf der Taipei In Style zu präsentieren. Die hier gezeigte Auswahl wirde von einem Konzept abgeleitet, das von dem Filmklassiker „Lost in Translation“ inspiriert ist, was nach Aussage von Designer Tseng Yan-Wei einen direkten Bezug zu seinen Erfahrungen als Ausländer in Tokio darstellt. Dies führte dazu, dass er in seinen Kreationen westliche Designstile, wie zum Beispiel Spitzenapplikationen, mit östlichen Kulturelementen vermischte, was das Aufeinandertreffen der Kulturen in der Produktion widerspiegelt. 

Auch wenn Irensense sich weiterhin auf den japanischen Markt konzentrieren will, hat Yan-Wei Ambitionen, seine Marke in naher Zukunft nach Paris zu bringen. Dies wird jedoch erst dann der Fall sein, wenn der Designer das Gefühl hat, dass die Marke genügend Stabilität erlangt habe. Dies ist eine Eigenschaft, die bei den 30- bis 40-jährigen Zielkund:innen von Irensense bereits vorherrscht, die in der Regel über die finanziellen Mittel verfügen, um die Produkte der Marke zu kaufen.

Um diese Ambitionen voranzutreiben, verriet Yan-Wei, dass er plant, Irensense in einen Transformationsprozess zu führen, entweder durch eine Änderung der Identität oder durch die Einführung einer neuen, fortschrittlicheren Marke, die eher in Richtung High-End-Mode gehen würde. „Ich habe das Gefühl, dass Irensense bereits ziemlich hohe Ziele erreicht hat, also möchte ich mich selbst herausfordern, etwas Luxuriöseres zu machen“, sagte Yan-Wei und fügte hinzu, dass Details wie Technik und Textilien zu den Merkmalen gehören, die möglicherweise gehobene Formen annehmen könnten. 

  

  

Spfloe

  

  

Abseits der hellen Lichter der Modewoche beginnt eine weitere Marke im Umfeld der Textilindustrie Taipehs zu erblühen. Ein großer Akteur in diesem Bereich, Grandetex, steht hinter der Einführung von Spfloe, einer multifunktionalen Bekleidungsmarke, bei der praktische Materialien im Vordergrund stehen. Spfloe und Grandetex sind zwar nicht direkt miteinander verbunden, aber ein Großteil der Textilien der Marke stammt von dem Zulieferer, darunter auch das patentierte Secao, ein Material, das aus dem Abfallprodukt der Kakaopflanze entwickelt wurde. 

Das Designteam, bestehend aus zwei Designer:innen und einem Direktor, sorgt dafür, dass jedes Produkt der Kollektion eine Reihe von Vorteilen für die Träger:innen bietet, sei es UV-Schutz, schnelle Kühlung oder Wasserabweisung, aber mit neuen modischen Dimensionen. „Als wir die Marke aufbauten, wollten wir Funktionskleidung neu definieren, da diese typischerweise zu sportlich und nicht so urban ist“, erklärt Corinna, eine der Designer:innen hinter der Marke, die auf Spfloes gehobene Version von Cargohosen, Parkas und Kleidern verweist - um nur einige der angebotenen Artikel zu nennen. Durch die Verwendung von technischen Materialien erhalten diese Kleidungsstücke ein funktionelles Upgrade, das sowohl Verbraucher:innen ansprechen soll, die modische Funktionalität suchen, als auch mögliche Markenpartner:innen, die ebenfalls Interesse an den breiteren Möglichkeiten von Grandetex haben.

Daher konzentriert sich ein Großteil der Marketing- und Forschungsstrategie von Spfloe auf die Zusammenarbeit mit Streetwear-Influencer:innen, um das Feedback zu den Kollektionen zu erfassen, wobei Kollaborateur:innen aufgrund ihrer Assoziation mit dem „urbanen Stil“ ausgewählt werden, an den sich Spfloe weiter anlehnen möchte. Dieser Prozess wird derzeit mit Influencer:innen in London fortgesetzt, wo Spfloe auch einen eigenen Showroom betreibt, der eine größere Nähe zum europäischen Markt ermöglicht. Hier bereitet sich die Marke auch auf die Teilnahme an einem Multimarken-Pop-up-Store in Paris im Juli vor, wo sie eine weitere, als „Designer Exclusive“ bezeichnete Kollektion präsentieren wird, die ihre Möglichkeiten nochmals erweitert. 

  

  

FashionUnited wurde von der Organisation eingeladen, die Taipei Fashion Week zu besuchen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.