Studie: Wie beeinflusst die Automatisierung RMG-Arbeiter:innen in Bangladesch?
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Bangladesch ist nach China der zweitgrößte Exporteur von Konfektionskleidung und trug im Geschäftsjahr 2023 10,35 Prozent zum nationalen BIP und 84,58 Prozent zu den Exporten des Landes bei. Das südasiatische Land beherbergt zudem 61 der 100 am höchsten bewerteten LEED-zertifizierten Fabriken der Welt und 229 LEED-zertifizierte grüne Fabriken. Hochmoderne Bekleidungsfabriken bedeuten auch den technologischen Fortschritt. Sind diese, insbesondere die Automatisierung, aber auch gut für Bekleidungsarbeiter:innen?
Eine aktuelle Studie mit dem Titel „Bewertung des technologischen Wandels im Bekleidungssektor von Bangladesch und seine Auswirkungen auf die Arbeiter:innen“ analysierte genau dies. Die von der Bangladesh Labour Foundation (BLF) mit Unterstützung des Solidaridad Network Asia in Auftrag gegebene Studie befragte 429 Bekleidungsarbeiter:innen aus Dhaka, Gazipur und Narayanganj, allesamt Produktionszentren für Konfektionskleidung. Darüber hinaus wurden Expert:inneninterviews mit 26 Stakeholdern und vier Fokusgruppendiskussionen mit Arbeiter:innen durchgeführt. Die Studie wurde zwischen August und Oktober 2024 von der BRAC University durchgeführt.
Stand der Automatisierung in der Fertigung in Bangladesch
Im Vergleich zu anderen Branchen weltweit befindet sich der Stand der Automatisierung in Bangladesch noch auf einem niedrigen bis mittleren Niveau und erreicht einen Wert von 2,5 bis 3 von 5. Eine Studie von LightCastle Partners aus dem Jahr 2024 bestätigte dies und stellte fest, dass sich Bangladesch noch in der „Anfangsphase der Einführung der Automatisierung in der Fertigung“ befindet, mit einer Hightech-Intensität von nur 1,9 im Vergleich zu China (63,7).
Die Studie ergab auch, dass von den zehn Stufen vom Spinnen bis zum Versand nur drei vollständig automatisiert sind, nämlich Spinnen, Färben und die Fertigstoffvorbereitung. „Der fortgeschrittene Automatisierungsgrad wurde jedoch in der Fertigungsphase nicht festgestellt“. Die Nähphase, in der die meisten Arbeiter:innen beschäftigt sind, ist noch halbautomatisiert, wobei Industrie 2.0 diesen Prozess dominiert.
Über die Produktion hinaus ist das System- und Datenmanagement automatisiert, was digitale IDs, Fingerabdruckscannen, mobile Zahlungen, IoT-fähige Systeme und optimierte Prozesse wie Anwesenheitsverfolgung, Qualitätsüberwachung und Ressourcenmanagement ermöglicht. „Die Datenautomatisierung ermöglicht es herstellenden Betrieben, Produktionskennzahlen, Energieverbrauch und Wartungspläne in Echtzeit zu verfolgen, Just-in-Time-Operationen zu unterstützen und Abfall zu reduzieren“, so die Studie.
Vorteile der Automatisierung
Zu den vielen Vorteilen der Automatisierung von Prozessen gehört eine höhere Produktionsrate bei gleichzeitig geringerem Zeitaufwand für effizientere Aufgaben. Dies führt zu einem erhöhten Arbeitstempo bei gleichzeitig besserer Qualität, erstklassigen Designs und höherer Genauigkeit. Dies bedeutet insgesamt Wettbewerbsfähigkeit und Überleben auf dem Weltmarkt durch die Erfüllung der Verbraucher:innennachfrage, Gewinnmaximierung und einen störungsfreien Betrieb. „Es wurde beobachtet, dass die offizielle Kapazität automatisierter Maschinen bei etwa 200 Stück pro Stunde liegt, während eine Fabrik mit manuellen Maschinen nur 50 bis 60 Stück pro Stunde herstellen kann“, so die Studie.
In Bezug auf das Ausbreiten von Stoff erklärte ein Fabrikleiter, dass die Fabrik jetzt nur noch eine:n Arbeiter:in anstelle von sieben benötige, was 1020 US-Dollar an Arbeitskosten einspart. Ebenso brauchte es früher sieben Arbeiter:innen an einer manuellen Maschine, um Paspeltaschen anzubringen; jetzt sind es nur noch drei, was 850 US-Dollar an Arbeitskosten einspart. Die Produktivität pro Stunde stieg von 90 auf 140 Stück und die Ausschussrate sank von 10 Prozent auf nahezu null Prozent, nachdem die Back-Moon-Maschine zur Herstellung von gestrickten Poloshirts eingeführt wurde.
Bessere Qualifikationen, weniger Überstunden, mehr Freizeit
Eine Mehrheit der Arbeiter:innen (85 Prozent), die von halbautomatischen auf automatisierte Maschinen umgestieg, berichtete von einer geringeren körperlichen Belastung, insbesondere bei Strickarbeiten, mit „bemerkenswerten Produktivitätssteigerungen“. Die Anzahl der Fehler wurde ebenfalls um mehr als 50 Prozent reduziert, und die meisten der befragten Arbeiter:innen (fast 97 Prozent) stimmten zu, dass die Automatisierung dazu beigetragen habe, Produktionsziele zu erreichen, da Änderungen und Ausschuss deutlich reduziert und die Sicherheit durch die Vermeidung der manuellen Verwendung von Scheren erhöht wurden.
Die Automatisierung hat auch Möglichkeiten für qualifizierte Positionen in der Maschinenbedienung, Programmierung und Wartung geschaffen, da die Arbeiter:innen zunehmend sowohl grundlegende Maschinen als auch fortschrittlichere automatisierte Systeme bedienen müssen, was sie laut der Studie „vielseitiger und leistungsfähiger“ macht. „Etwa 79 Prozent der befragten Arbeiter:innen glauben, dass ihr Gehalt erhöht wird, wenn sie jetzt kündigen und in eine andere Fabrik wechseln würden, aufgrund der nach der Automatisierung erworbenen Fähigkeiten“, so der Konsens.
Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass mehr als drei Viertel der Arbeiter:innen (fast 78 Prozent) angaben, aufgrund einer Verringerung von Überstunden mehr Freizeit zu haben, die sie mit der Familie verbringen, Hausarbeiten erledigen, Kinder betreuen und dergleichen.
Herausforderungen bei der Automatisierung
Mit den Vorteilen der Automatisierung gehen auch Herausforderungen einher, wobei fast jeder Pluspunkt auch eine Kehrseite hat. Beispielsweise benötigen automatisierte Maschinen weniger Arbeiter:innen für die Bedienung und reduzieren somit die Anzahl der Arbeiter:innen, die für die Erledigung einer Aufgabe benötigt werden. Dies betrifft insbesondere Arbeiterinnen und ältere, weniger gebildete oder ungelernte Arbeiter:innen, die als erste ihre Arbeitsplätze verlieren, während andere möglicherweise in andere Abteilungen versetzt werden, neue Rollen oder Positionen finden oder zu Maschinenbediener:innen ausgebildet werden.
Hier beobachtete die Studie ein Geschlechtergefälle: „Es wurde festgestellt, dass Arbeiterinnen aufgrund mangelnder technischer Fähigkeiten anfälliger sind, und 62 Prozent der Arbeiter:innen gaben an, dass Frauen ersetzt wurden – entweder durch Zuweisung anderer Aufgaben oder in einigen Fällen durch den Verlust des Arbeitsplatzes.“
In der Praxis kennen Nähmaschinenbedienerinnen weniger Maschinen, und halten sich oft nur an eine, während 50 Prozent der Maschinenführer mindestens zwei Maschinen bedienen können. Letztere zeichnen sich auch durch die Verwaltung mehrerer Prozesse auf derselben Maschine aus, im Durchschnitt 3,5 Prozesse im Vergleich zu 2,9 Prozessen bei Bedienerinnen.
„Die Ungleichheit der Geschlechter zeigt sich auch in gehobenen Produktionsrollen wie CAD-Operationen, die von Arbeitern dominiert werden“, heißt es in der Studie. Dies geht mit einer Einkommenssteigerung einher.
Weniger Überstunden bedeuten weniger Lohn
Während es zunächst nach einem großen Vorteil klingt, dass Arbeiter:innen aufgrund schnellerer Produktionszyklen, die durch vollautomatisierte Maschinen ermöglicht werden, weniger Überstunden leisten müssen (von durchschnittlich 20 Stunden pro Woche auf 11 Stunden), ist die Kehrseite, dass ihnen nun weniger Geld zur Verfügung steht, da die Lohnstruktur für Maschinenkompetenz nicht entsprechend angepasst wurde.
„Dies unterstreicht die Tatsache, dass je mehr Maschinen oder Prozesse ein:e Arbeiter:in bedienen kann, desto mehr verdient er/sie monatlich, aber dieser Betrag ist nicht ausreichend“, so die Studie. „Dies wirkt sich direkt auf den Lebensunterhalt und das Familienleben aus, mit negativen Auswirkungen aufgrund geringer Einkommen und steigender Inflationsraten. Während die Fabriken nach dem Einsatz fortschrittlicher Technologie und Maschinen erheblich profitiert haben, gab es nach diesem technologischen Wandel keinen signifikanten Anstieg der Einkommen der Arbeiter:innen“, so das Fazit.
Der Übergang zu automatisierten Prozessen hat auch zu einer Polarisierung der Arbeitsplätze geführt, insbesondere in mittleren Positionen, da viele Aufgaben nun durch automatisierte Systeme und Software effizienter erledigt werden können.
Der begrenzte Zugang zu Schulungen ist eine weitere Herausforderung für Arbeiter:innen, wobei mehr als zwei Fünftel (41 Prozent) angaben, keine formelle Schulung erhalten zu haben. Für diejenigen, die diese erhielten, fand sie meist während der Arbeitszeit statt, was den Druck auf die Arbeiter:innen weiter erhöht. „Dieser Mangel an angemessener und konsistenter formaler Schulung führt dazu, dass sich viele Arbeiter:innen unvorbereitet fühlen und sich Sorgen um ihre Arbeitsplatzsicherheit machen. Es ist auch offensichtlich, dass die Beteiligung von Frauen an formellen und informellen Schulungen vergleichsweise gering ist“, so der Konsens.
Empfehlungen für eine „Just Transition“
Man kann erkennen, dass für das Funktionieren der Automatisierung in der RMG-Branche – insbesondere für diejenigen an der untersten Stufe, die Bekleidungsarbeiter:innen – ein koordinierter Ansatz von Fabriken, Ausbildungseinrichtungen, Marken, Einkäufer:innen, Wirtschaftsverbänden, Regierung und Entwicklungspartner:innen erforderlich ist, wie die Studie vorschlägt.
Auf Lieferbetriebs-/Herstellungsebene bedeutet dies die Entwicklung eines strategischen Plans für Nachhaltigkeit, um „einen gerechten Übergang für die Arbeiter:innen und einen reibungslosen Geschäftsbetrieb“ zu gewährleisten. Dazu gehören Schulungseinrichtungen, rechtzeitige Informationsweitergabe, Motivationspakete für die Weiterbildung und die Einführung von Praktikumsprogrammen in Zusammenarbeit mit technischen Bildungseinrichtungen, um zukünftige Talente zu rekrutieren.
Marken und Einkäufer:innen sollten verantwortungsvolles Geschäftsgebaren und ethische Handelspraktiken sicherstellen. Dazu sollten Folgenabschätzungen gehören, um die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Automatisierung auf Arbeiter:innen und Lieferbetriebe zu bewerten und zu aktualisieren. Sie sollten auch mit Lieferant:innen, Handelsverbänden, Gewerkschaften und Regierungen bei transparenten, inklusiven Automatisierungsstrategien zusammenarbeiten und sich an der Gestaltung und Finanzierung von Schulungsprogrammen für Arbeiter:innen beteiligen.
Wichtig ist auch, sicherzustellen, dass faire Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und Arbeitsrechte während des gesamten Automatisierungsprozesses eingehalten werden. Marken und Einkäufer:innen sollten sich auch zu langfristigen Verträgen mit ihren Lieferbetrieben verpflichten und die Preisstrukturen anpassen, um die Automatisierungskosten der Betriebe auszugleichen. Sie sollten auch mit diesen zusammenarbeiten, um Entlassungen zu minimieren, indem sie sich auf Umschulung, Weiterbildung und Umstellung innerhalb der Lieferkette konzentrieren.
Gewerkschaften sollten sich mit Arbeitgeber:innen, Arbeitgeberverbänden, Marken, Regierungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen abstimmen und zusammenarbeiten, um einen gerechten Übergang zu unterstützen. Sie sollten auch sicherstellen, dass Entscheidungen über die Automatisierung offen kommuniziert werden und dass die Ansätze partizipativ sind, wobei Arbeiter:innen und ihre Vertreter:innen konsultiert werden sollten.
Wichtig ist auch, dass sie sicherstellen, dass Frauen nicht überproportional von der Automatisierung betroffen sind, und zusätzliche Unterstützung für Arbeiterinnen während des Übergangsprozesses leisten. Dazu gehört ein Drängen auf stärkere soziale Sicherheitsnetze, einschließlich Arbeitslosengeld, Rentensystemen, Zugang zu erschwinglicher Gesundheitsversorgung und Bildung. Schließlich sollten sie auch auf eine größere Rechenschaftspflicht globaler Marken drängen, um sicherzustellen, dass ihre Lieferketten ethisch bleiben und die globalen Arbeits- und Menschenrechtsstandards einhalten.
Auf Regierungsebene sollte ein nationaler Aktionsplan entwickelt werden, der die Arbeiter:innen bei einem gerechten Übergang priorisiert, einschließlich starker Arbeitsgesetze und Schutzmaßnahmen, um den Herausforderungen der Automatisierung zu begegnen. Faire Leistungen und Entschädigungen für entlassene Arbeiter:innen sollten ebenfalls vorhanden sein. Der Zugang zu finanzieller Unterstützung für Technologie-Upgrades, grüne Infrastruktur und fortschrittliche Maschinen, insbesondere für kleine und mittlere Fabriken, wird ebenfalls wichtig sein. In ähnlicher Weise sollten nationale öffentliche und private technische Ausbildungszentren unterstützt werden, um bedarfsgerechte Weiterbildungen für Arbeiter:innen und das mittlere Management anzubieten.
Die Studie empfiehlt außerdem die Entwicklung von Weiterbildungs- und Umschulungsprogrammen, die speziell auf die Bedürfnisse von weiblichen Arbeitskräften zugeschnitten sind, und andere Maßnahmen.
- Die Automatisierung in der Bekleidungsindustrie Bangladeschs nimmt zu, verbessert die Effizienz und Qualität, führt aber auch zu Arbeitsplatzverlusten, die insbesondere Frauen und ungelernte Arbeiter:innen betreffen.
- Während die Automatisierung bei einigen Arbeiter:innen zu höherer Produktivität und geringerer körperlicher Belastung führt, führt sie auch zu geringeren Überstundenverzahlungen und Einkommensungleichheit, wenn sie nicht richtig gehandhabt wird.
- Die Bewältigung der Herausforderungen erfordert einen Multi-Stakeholder-Ansatz unter Einbeziehung von Fabriken, Marken, Regierung und Gewerkschaften, um faire Löhne, Umschulungsmöglichkeiten und einen gerechten Übergang für alle Arbeitenden zu gewährleisten.
Während die wichtigsten Ergebnisse der Studie „Assessment of Technological Transition in the Apparel Sector of Bangladesh and Its Impact on Workers“ zu Beginn des Jahres vorgestellt wurden, ist die vollständige Studie noch nicht veröffentlicht. FashionUnited hat durch die Executive Summary Einblicke gewonnen und wird den Artikel aktualisieren, sobald die vollständige Studie verfügbar ist.