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Seminar zu Einkaufspraktiken: gute Kommunikation ist der Schlüssel

Von Simone Preuss

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Ein kürzlich abgehaltenes TIWW-Seminar über Einkaufspraktiken mit Wilco van Bokhorst, Olivia Windham Stewart, Anna Rüchardt, Yen Nguyen und Fatima-Zohra Alaoui (im Uhrzeigersinn von oben links). Bild: Screenshot

Ein kürzlich abgehaltenes Seminar von The Industry We Want (TIWW), einer Multi-Stakeholder-Initiative, die sich dafür einsetzt, branchenweite Fortschritte bei wichtigen Themen im Bekleidungs- und Schuhsektor zu erzielen, beleuchtete die Einkaufspraktiken und brachte Vertreter:innen dreier unterschiedlicher Perspektiven zusammen - Lieferbetriebe, Marken und Arbeitnehmer:innen.

Wenn Marken Feedback zu ihren Einkaufspraktiken erhalten, reagieren sie darauf oft getrennt von ihren Lieferbetrieben und nicht im Gespräch mit ihnen. Das Seminar warf die Frage auf, wie die beteiligten Interessengruppen diesen isolierten Ansatz überwinden können, um das Feedback der Lieferant:innen und die Produktion durch kollaborative und kommunikative Prozesse zu stärken.

„Die TIWW-Metrik ermöglicht es Lieferbetrieben, sich Gehör zu verschaffen, und bietet Einblicke in die Risiken, die mit den Einkaufspraktiken ihrer Auftraggeber:innen verbunden sind. Dies kann als Gesprächsanstoß dienen und die Handelsbeziehungen in Richtung einer gemeinsamen Verantwortung bewegen“, erklärte Olivia Windham Stewart, Expertin für Wirtschaft und Menschenrechte und stellvertretende Direktorin des Responsible Contracting Project, die die Veranstaltung moderierte.

Drei Lehren aus dem CFRPP

Wilco van Bokhorst, federführendes Mitglied der Multi-Stakeholder-Initiative (MSI) Arbeitsgruppe für verantwortungsvolle Einkaufspraktiken und Beauftragter für Politik und Interessenvertretung der Fair Wear Foundation, begann das Seminar mit dem Austausch von Erkenntnissen aus dem Allgemeinen Rahmenwerk für verantwortungsvolle Einkaufspraktiken (CFRPP) und der Learning and Implementation Community (LIC). Er sagte, dass sich bei der Verbesserung der Einkaufspraktiken drei Lektionen herauskristallisiert hätten, die alle einfach seien; merkte aber auch an, dass sie derzeit niemand befolge.

Die erste Lektion ist, dass verschiedene Abteilungen in einem Unternehmen zusammenarbeiten müssen, zum Beispiel Führungsteams, Handel und CSR. Gegenwärtig verfolgen sie möglicherweise alle ihren eigenen Ansatz und kommunizieren nicht miteinander, was zu verwirrenden und teils entgegengesetzten Anweisungen für Lieferbetriebe führt.

„Wenn Marken ihre Einkaufspraktiken verbessern wollen, müssen alle Teams zusammenarbeiten - sie müssen alle unterschiedlichen Bedürfnisse intern verstehen. Genauso wichtig ist es, dass die Lieferant:innen Feedback geben und gemeinsam Lösungen entwickeln“, so van Bokhorst.

Die zweite Lektion ist, dass Unternehmen ihre eigenen Einkaufspraktiken verstehen müssen. Zwar sind mehrere Abteilungen wie Design, Einkauf und andere involviert, aber kaum jemand hat einen Überblick über die verschiedenen Praktiken oder versteht deren volle Auswirkungen. Dies führt zur dritten Lektion, nämlich zu verstehen und zu bewerten, wie sich die Einkaufspraktiken auf die Lieferbetriebe auswirken.

Herausforderungen für Lieferanten

Fatima-Zohra Alaoui, Generaldirektorin des marokkanischen Verbands der Textil- und Bekleidungsindustrie (AMITH) und stellvertretende Sprecherin der Sustainable Terms of Trade Initiative (STTI), beleuchtete anschließend die aktuellen Herausforderungen für Lieferbetriebe in Marokko. Sie sagte, dass die Planung und Vorhersage von Aufträgen immer noch schwierig sei, insbesondere seit Covid, wobei die Auftragslage einer „Achterbahnfahrt“ gleiche, bei der die Auftragsvolumina entweder einen Höhe- oder einen Tiefpunkt erreichen.

Zweitens seien die Preise immer noch ein Problem und seit Covid noch gesunken - das niedrigste Niveau sei also derzeit anzutreffen. Nicht zuletzt fühlten sich Arbeiter:innen immer noch nicht sicher genug, um Bedenken und Beschwerden zu äußern; ein solches sicheres Arbeitsumfeld müsse erst noch geschaffen werden.

„Das Wohlergehen der Marken hängt vom Wohlergehen der Zulieferbetriebe ab. Deshalb brauchen wir ein gemeinsames Ziel und müssen zusammenarbeiten, um Lösungen für die Probleme zu finden, mit denen wir heute konfrontiert sind“, resümierte Alaoui.

Lieferbetriebe als Produktionspartner

Auf der Einkäuferseite beleuchtete Anna Rüchardt, Leiterin für Wirkung und Verantwortlichkeit bei Hakro, die Kommunikation des Schrozberger Anbieters für Berufsbekleidung mit seinen Lieferbetrieben. Zunächst sagte sie, dass sich der Gedanke des Miteigentums und der Partnerschaft auf Augenhöhe in der Terminologie des Unternehmens widerspiegele: Lieferbetriebe werden deshalb als ‘Produktionspartner' bezeichnet.

„Wir machen keine Audits um der Audits willen; wir wollen wissen, wie wir besser werden können - wir als Marke gemeinsam mit unseren Produktionspartnern. Deshalb starten wir immer sofort nach Audits zusammen mit unseren Produktionspartnern einen Verbesserungsprozess“, betonte Rüchardt.

Sie verwies auch auf das einzigartige Geschäftsmodell von Hakro, das nicht auf Mode basiert, die Trends unterliegt, sondern mit einem konstanten Portfolio arbeiten kann. So kann langfristig, mindestens ein halbes Jahr im Voraus, geplant werden. Sie betonte auch, dass Hakro keine Preise diktiert oder Zielpreise vorgibt, sondern von Anfang an gemeinsam mit seinen Partnern kostendeckende Preise festlegt. Sie räumte ein, dass dies eine ständige Kommunikation erfordere, was schwierig sei, sich aber auszahle.

Sozialer Dialog ist der Schlüssel

Zu guter Letzt sprach Yen Nguyen, Landesvertreterin und Koordinatorin für strategische Partnerschaften in Vietnam bei der niederländischen Stiftung CNV Internationaal und ehemalige Projektkoordinatorin der ILO, über die Hindernisse, mit denen Lieferbetriebe in Vietnam konfrontiert sind, wenn sie Rückmeldungen zu Einkaufspraktiken geben.

„Der soziale Dialog wird als Grundlage für weitere Verbesserungen benötigt. Wir müssen in den Aufbau von Kapazitäten auf Gewerkschaftsebene investieren und dafür sorgen, dass Bedenken ohne Angst vor negativen Auswirkungen geäußert werden können“, betonte Nguyen.

Wie Alaoui ist auch sie der Meinung, dass ein allgemeiner Preis- und Auftragsrückgang ein großes Problem darstellt, das durch die Inflation und den daraus resultierenden Kostenanstieg noch verschärft wird. In Bezug auf das Feedback sagte sie, dass viele Marken denken, dass sie in Bezug auf ihre Einkaufspraktiken „gut genug“ seien, auch wenn dies in Wirklichkeit nicht der Fall sei. Sie nannte Löhne als einen weiteren verbesserungswürdigen Bereich, da vietnamesische Bekleidungsarbeiter:innen ohne Überstunden derzeit keinen existenzsichernden Lohn erzielen könnten.

CSDDD als potenzieller „Game Changer“

Alle Teilnehmer:innen waren sich einig, dass die neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), die am Donnerstag vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde, hilfreich sein könnte. Für van Bokhorst bedeutet dies, dass Unternehmen, die die Richtlinie nicht einhalten, nicht mehr verantwortungsbewusst handeln. Auch Alaoui begrüßte, dass Einkaufspraktiken berücksichtigt werden. „Die Verantwortung sollte nicht nur auf die Lieferbetriebe abgewälzt werden“, sagte sie.

Auch für Nguyen ist dies ein Schritt, um den Druck auf diese zu verringern. Sie riet aber auch dazu, in die Ausbildung der Arbeitnehmer:innen zu investieren, damit sie sich selbst vertreten könnten: „Die Ausbildenden müssen geschult werden, damit sie die Anforderungen und die Rolle, die sie spielen müssen, verstehen. Zulieferbetriebe können eine aktivere Rolle spielen, anstatt darauf zu warten, dass die Marken ihnen sagen, was sie tun können und was nicht“, fasste sie zusammen.

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