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Secondhand im Outdoor-Markt: Vom Trend zum Wirtschaftsfaktor

Wenn die politische Deregulierung von Nachhaltigkeitszielen zur neuen Norm wird, gewinnen die freiwilligen Initiativen von Industrie und Handel eine umso größere Bedeutung. Mit diesen einleitenden Worten trafen sich Ende November Vertreter:innen von Bergzeit, Globetrotter, Sport Conrad und Patagonia in der Bergzeit-Zentrale in Otterfing bei München, um über den aktuellen Stand ihres Secondhandgeschäfts zu diskutieren.

Wie der gesamte Modemarkt steht auch die Outdoorbranche vor einem Dilemma: Für den Großteil der Produkte steht noch kein End-of-Life-Pfad zur Verfügung, der eine Weiterverwendung der Rohstoffe im Sinne einer Kreislaufwirtschaft garantieren würde.

„Für 85 Prozent der Textilien haben wir noch keine Antwort, was damit am End-of-Life passieren soll“, erklärt Michael Austermühle, Regional Manager Central Europe von Patagonia. „Wir sind aktiv auf der Suche nach besseren Materialien, aber Jacken mit Membran sind noch immer Sondermüll.“ Und solange es diese Pfade noch nicht gibt, macht es Sinn, die Lebensdauer von Bekleidung zu verlängern. Beispielsweise, indem man ein Secondhandangebot aufbaut.

Dass sich mit einem Secondhandangebot CO₂ einsparen lässt, hat beispielsweise Globetrotter von MyClimate berechnen lassen. So sinkt der CO₂-Fußabdruck einer Regenjacke von rund neun Kilogramm beim Neukauf auf etwa zwei Kilogramm beim Zweitverkauf, auch wenn die Daten aufgrund komplexer Lieferketten noch nicht vollständig belastbar sind. Dennoch sind sich alle einig, dass es der richtige Weg ist, angesichts der großen Menge an ungenutzter Bekleidung und Ausrüstung in unseren Schränken und Kellern.

Bei Reverse.Supply in Berlin werden die gebrauchten Artikel für den Bergzeit Re-Use aufbereitet. Credits: Reverse.Supply / Bergzeit.

Der Secondhandmarkt wächst – auch im Outdoorsegment

Wie groß der Secondhandmarkt im Bereich Outdoor tatsächlich ist, weiß niemand so genau. Es gibt nur Zahlen über den textilen Secondhandmarkt insgesamt. Da der Outdoormarkt als Nische etwa ein bis zwei Prozent des gesamten Bekleidungsmarkts ausmacht, müsste auch der Secondhandmarkt in diesem Bereich liegen. Michael Austermühle von Patagonia schätzt ihn daher auf rund 190 Milliarden Euro.

Sicher ist allerdings, dass der Secondhandmarkt im Outdoorsegment wächst. Das bestätigen alle Teilnehmenden. Globetrotter startete sein Secondhand-Business 2020 zunächst stationär und als Testlauf, der aber sofort auf große Resonanz stieß. Aufgrund der starken Nachfrage wurde das Angebot schnell auf alle 21 Standorte ausgeweitet und wächst seither kontinuierlich. 2022 folgte die Online-Erweiterung.

„Der Bereich wächst stetig und stark“, sagt Mareike Heubel, Senior Product Lifecycle Managerin bei Globetrotter. „Seit wir auch online Secondhandprodukte anbieten, sehen wir eine extrem starke Nachfrage.“ Der Online Secondhandmarkt macht inzwischen rund ein Viertel des gesamten Re-Sale Umsatzes aus.

Sport Conrad hat 2022 mit einem stationären Secondhandangebot begonnen, zunächst jedoch nur als Event. Aufgrund des großen Interesses gibt es seit 2024 an allen drei Standorten das ganze Jahr über Secondhandware. In der Black Week im November eröffnete das Handelshaus zudem einen Secondhand Popup-Store. „Wir wollten dem Thema mehr Sichtbarkeit geben“, erklärt Maria Ries, Head of CSR bei Sport Conrad.

Auch Bergzeit hat 2021 mit seinem Re-Use Programm in Kooperation mit dem Re-Sale-Dienstleister Reverse.Supply den Schritt in den Wiederverkauf gewagt und das Programm seither weiterausgebaut. Das Sortiment umfasst inzwischen 15.000 Artikel, die Menge an gebrauchten Produkten hat sich innerhalb des letzten Jahres verdreifacht. „Wir haben herausgefunden, dass Secondhand funktioniert. Wir können Ware ankaufen und verkaufen, der erste Schritt ist gelöst. Jetzt kommen die nächsten Ziele“, erklärt Jule Schneider, CSR Managerin bei Bergzeit.

Secondhandprodukte bei Globetrotter. Credits: Globetrotter

Pionierarbeit: Hürden in der Entwicklung des Geschäftsmodells

Patagonia gilt als Pionier im Secondhand-Bereich: In den USA startete das Unternehmen bereits 2012 mit Pop-up-Stores und Online-Angeboten. In Europa folgte 2016 zwar der Einstieg über das Programm „Worn Wear“, hier liegt der Schwerpunkt jedoch auf Reparaturen, weniger auf Secondhand. Bislang verkauft Patagonia nur im Berliner Store Secondhandware und organisiert Pop-up-Events etwa ein bis zwei Mal im Jahr an verschiedenen Orten. Der Andrang sei jedes Mal riesig, aber „für mehr reicht die Ware nicht“, so Austermühle.

Das Problem: „Wir beschäftigen uns seit Jahren mit Trade-In, aber uns fehlen IT- und Prozessmanagement – und wir wollen diese sensiblen Prozesse nicht vollständig aus der Hand geben.“ Ohne Trade-in, also dem Ankaufen von gebrauchter Kleidung, besteht das Angebot überwiegend aus Retouren und reparierten Einzelstücken, und deren Verfügbarkeit ist begrenzt. Am Ziel Re-Sale hält Patagonia jedoch fest: In den nächsten Jahren will Patagonia auch in Europa ein Secondhand-Business aufbauen.

Dass Re-Sale anspruchsvoll ist, weiß man auch bei Bergzeit. Der Online-Riese hat den Bereich bewusst ausgelagert, weil es innerhalb des bestehenden Onlineshops zu kompliziert geworden wäre. „Das bisherige System ist darauf ausgelegt, dass man einen Artikel anlegt und 1.000-mal verkauft. Bei Secondhand ist das anders: jeder Artikel muss einzeln angelegt werden. Das war mit der Logistik inhouse nicht abbildbar“, erklärt Jens Oellrich, Teamlead Re-Use bei Bergzeit.

Auch bei Globetrotter mussten neue Wege gefunden werden. Zwar haben die Hamburger anfangs ebenfalls mit Reverse.Supply zusammengearbeitet, inzwischen bilden sie jedoch alle Prozesse inhouse ab. „Es gibt noch kein vorgefertigtes System für Re-Sale. Dinge anzukaufen und zu bewerten, ist noch nicht automatisierbar. Auch Fake-Produkte sind eine Herausforderung. Wir lernen da täglich neu hinzu“, erklärt Mareike Heubel von Globetrotter. „Das ist Pionierarbeit.“

Auch im stationären Geschäft mussten Strukturen neu aufgebaut werden, um den An- und Verkauf zu organisieren, beispielsweise durch Schulungen. Dort übernimmt das Verkaufspersonal diese Aufgaben. Zwar kann Globetrotter von den Erfahrungswerten des Personals bei der Einschätzung von Produkten profitieren, doch ist es nicht immer leicht, diese Prozesse zu integrieren. „Wir können nicht eine Person im Store abstellen, die nur Produkte bewertet. Online ist das einfacher“, so Heubel weiter. Je nachdem, wie viel im Store los ist, klappt die Bewertung nicht immer innerhalb einer Stunde, wie es das Ziel ist.

Mareike Heubel erklärt das Secondhand-System bei Globetrotter. Credits: Bergzeit

Ob vielleicht KI bei Ankauf und Bewertung helfen kann? Im Moment noch nicht, sagt Jens Oellrich von Bergzeit: „Wir haben das getestet, es funktioniert noch nicht. Auf einer schwarzen Hose sieht die KI nichts. Es ist noch kein Unternehmen auf uns zugekommen, das gesagt hat, wir haben eine funktionierende Lösung.“

Zielgruppen: Käufer:innen und Verkäufer:innen sind nicht identisch

Die Zielgruppe für Secondhandprodukte wird immer breiter. Während sich bei Patagonia vor allem junge Menschen und Vintage-Liebhaber:innen für Secondhandprodukte interessieren, nutzen bei den anderen Händlern auch immer mehr Familien und preisbewusste Konsument:innen das Angebot. Angesichts der Preisentwicklung der letzten Jahre ist das nicht überraschend.

„Es gibt nicht so viele Menschen, die sich komplett bei Globetrotter neu ausstatten können“, gibt Heubel zu bedenken. Gleichzeitig kalkulieren immer mehr Menschen beim Kauf neuer Produkte den Wiederverkauf mit ein, beispielsweise bei hochpreisigen Produkten oder bei Kinderbekleidung, die oft nur kurz passt. Insofern unterstützt das Secondhandgeschäft auch den Neuverkauf und fördert das Qualitätsbewusstsein von Konsument:innen.

Auffällig ist, dass Verkäufer:innen und Käufer:innen nur eine sehr kleine Schnittmenge haben. Wer gebrauchte Kleidung ver-kauft, kauft sie also nicht unbedingt – und umgekehrt. Secondhand ist somit weniger ein geschlossenes Tauschsystem als vielmehr ein eigenständiger Markt. Auch deshalb kannibalisieren sich Secondhand- und Neuwarenverkauf nicht.

Gut verkaufen sich bei Bergzeit übrigens Bergstiefel, Kletterschuhe und natürlich Jacken. Globetrotter hingegen bietet Schuhe gar nicht im Re-Sale an wegen zu hoher Retourenraten. Überhaupt lohne sich das Geschäft bei niedrigpreisigen Produkten wie Accessoires und T-Shirts noch nicht. Aus Konsument:innensicht könne man darauf aber nicht verzichten, so die Meinung der Akteur:innen.

Dennoch gibt es noch viel zu tun, um das Thema präsenter in den Köpfen der Kund:innen zu machen. Einerseits um den kontinuierlichen Rückfluss an Re-Sale-Produkten zu gewährleisten und andererseits, um ihren Absatz anzukurbeln. Im stationären Handel, also bei Globetrotter und Sport Conrad, ist das Verkaufspersonal dazu angehalten, das Secondhandsortiment aktiv mitzuverkaufen. Im Onlinehandel macht beispielsweise Bergzeit durch Flyer, die jedem Paket beiliegen, dauerhaft auf den Wiederverkauf aufmerksam.

Sport Conrad hat sein Secondhand Event "Nomoi" genannt. Das ist bayerisch und heißt so viel wie: noch einmal. Credits: Sport Conrad

Secondhand als Wirtschaftsmodell oder „nur“ aus Idealismus?

Strategisch entwickelt sich Secondhand damit von einem Nachhaltigkeitsprojekt zu einer relevanten Geschäftssäule. Für alle gilt: Secondhand muss sich rechnen - was allerdings derzeit noch nicht der Fall ist. Dafür ist das Business noch zu jung und die Prozesse sind noch im Entwicklungsstadium. Bergzeit rechnet in den kommenden fünf Jahren mit einem ein- bis zweistelligen Umsatzanteil, Globetrotter und Sport Conrad planen den Ausbau um Repair- und Refurbish-Angebote. Auch Mietmodelle werden diskutiert, nicht zuletzt, weil sie perspektivisch zusätzlichen Secondhand-Nachschub generieren und den Rückfluss systematisieren helfen.

Auch bei Patagonia wird mit der Einführung von Re-Sale die Kostendeckung zum Ziel – anders als bisher. Denn bislang werden alle Dienstleistungen im Zusammenhang mit Worn Wear, also vornehmlich die Reparatur von Produkten, für Endkonsument:innen kostenlos angeboten. „Wir haben immer gesagt, das ist kein Wirtschaftsfaktor. Reparaturen sind umsonst, sogar das Shipment. Es geht nur um Reduktion des Footprint“, erklärt Michael Austermühle von Patagonia. Aber das wird sich ändern, sobald Patagonia auch Trade-in machen wird. „Dann ist das Ziel, zumindest kostendeckend zu arbeiten, es muss keinen Gewinn machen.“

Mick Austermühle von Patagonia plant in den nächsten Jahren die Einführung eines umfangreichen Secondhandsystems.gonia Credits: Bergzeit

Das heißt jedoch nicht, dass mit dem Re-Sale keine gemeinnützigen Aktionen verbunden werden können. So unterstützen fast alle Teilnehmenden mit ihren Secondhand-Initiativen lokale NGOs. Bergzeit spendet beispielsweise 2025 insgesamt 10.000 Euro für im Herbst eingesendete 10.000 Re-Use-Artikel. Auch Patagonia spendete die Einnahmen von rund 30.000 Euro, die allein beim Münchner Worn-Wear-Event erzielt wurden, an drei lokale Umweltschutzgruppen. Genauso lässt auch Sport Conrad seit 2022 ein Prozent des Verkaufspreises regionalen Projekten zukommen.


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