Schweizer Start-Up Myne entwickelt personalisierten BH mit individuellen Maßen und KI
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Das Schweizer Start-up Myne will mit personalisierten, maßgefertigten Produkten den Konsum und die Produktion von Bekleidung verändern. Gerade hat das Zürcher Label seinen ersten BH auf den Markt gebracht, dessen individuelle Passform auf künstlicher Intelligenz und digitaler Präzisionsfertigung basiert.
Perfekte Passform, nachhaltige Fertigung und keine Überproduktion. Das verspricht das Start-up Myne aus Zürich und will damit die Unterwäschebranche verändern. Die Idee: Maßgeschneiderte BHs, die digital gesteuert in Einzelfertigung hergestellt werden und deren Passform individuell per Körperscan ermittelt wird. „Viele BH-Marken beschäftigen sich mit neuen Stoffen oder einer weiteren Zwischengröße, doch wir bei Myne sind überzeugt, dass die Produktionsmethode neu gedacht werden muss“, sagt Mathias Durisch, der das Label Myne gemeinsam mit seiner Frau Linda gegründet hat.
Beide kommen aus der Sport- und Textilindustrie und entwickeln mit ihrer Agentur „Innovation Unit“ bereits seit vielen Jahren für Marken wie Leki, UYN, Rossignol, X-Bionic und Uvex neue Produkte. Denn gerade beim BH ist Frau nicht gleich Frau, und die bisherigen BH-Größen, die sich vor allem an Brustumfang und Körbchengröße orientieren, werden der Vielfalt weiblicher Körperformen nicht gerecht. „Wir haben rund 100 Messpunkte ermittelt, die eine perfekte Passform garantieren“, sagt Linda Durisch. Berücksichtigt werden zum Beispiel auch Länge und Breite des Oberkörpers, das Volumen der Brust und wie es verteilt ist.
Kooperation mit Sizekick und Hohenstein
Die Scan- und KI-Technologie für Myne wird von dem deutschen Unternehmen Sizekick und dessen strategischem Partner Hohenstein bereitgestellt. Der Scan-Prozess verläuft ganz einfach: Mit dem Smartphone im Myne-Shop anmelden, den Button „Jetzt vermessen“ klicken, den Anleitungen folgen, und über die Kamerafunktion werden die exakten Körpermaße der Frau in wenigen Sekunden erfasst. Für den Scan sollte die Kundin am besten BH und enganliegende Kleidung wie beispielsweise Leggings tragen. Das Gesicht wird automatisch gepixelt und gemeinsam mit der Identität der Kundin nur in Form von Mess-Daten außerhalb der Webshop-Umgebung auf Servern in der Schweiz gespeichert. Darauf legt Linda Durisch großen Wert, damit sich die Kund:innen sicher fühlen können. Anschließend gleicht das KI-basierte System die anonymisierten Daten mit einem umfangreichen Datensatz ab.
Digitale Produktion
Für die Produktion hat sich Myne mit dem deutschen Unternehmer Hans R. Bauer und seinem Unternehmen New Textile Technologies zusammengetan. Bauer hat die BHs mitentwickelt und lässt sie in Kroatien produzieren. Die firmeneigene Technologie ermöglicht es, flexible und langlebige Silikonschichten aufzubringen, die in Sport- und Medizintextilien Anwendung finden. Auch die Produktion erfolgt weitgehend digitalisiert. Hierbei wird anhand der ermittelten Körpermaße eine Silikonspur auf den Stoff aufgetragen, die einerseits die Ränder des BHs definiert und andererseits auch als Stützelement dient. „Wir haben sozusagen den Bügel neu erfunden“, sagt Linda Durisch. Anschließend wird das Volumen in die Körbchen eingearbeitet, indem zwei Metallkugeln den Stoff passgenau ausdehnen und thermofixieren. Näharbeiten wurden auf ein absolutes Minimum reduziert. Der ganze Prozess erfolgt weitgehend automatisiert über Roboter.
Möglich sind derzeit BHs bis zur Größe 90D. Es ginge auch größer, aber dafür ist die Maschine, die man sich wie einen 3D-Drucker vorstellen muss, noch nicht ausgelegt. Etwa zwei Wochen dauert die Produktion, hinzu kommt noch der Postweg.
Ziel: Konsum und Produktion neu denken
„Wir wollen nicht einfach nur einen weiteren BH verkaufen: Wir wollen die Art und Weise verändern, wie Frauen Lingerie erleben“, sagt Linda Durisch. Myne will Passformprobleme lösen und den BH-Kauf angenehmer machen, aber auch die Überproduktion reduzieren und die Produktion in Europa stärken. Linda Durisch: „Alle reden davon, mehr vor Ort zu produzieren. Wir sind ready!"
Für Myne ist der BH nur der Anfang. Für den Start hat Myne bewusst das komplexeste Frauen-Produkt gewählt und rund zwei Jahre investiert, bis der Prozess stimmte. Weitere Produkte, die mit Hilfe von Körperdaten passgenau hergestellt werden, sollen folgen. So arbeitet Myne bereits an der Entwicklung von Badebekleidung. „Wichtig ist, dass das Produkt keinen starken Trends unterliegt“, sagt sie. Sonst müsste man zu schnell neue Modelle auf den Markt bringen, was sich auf Aufwand und Preis auswirken würde. Auch bei den BHs sei schon klar, dass man bald weitere Modelle ergänzen werde, zum Beispiel mit breiteren Trägern und anderen Ausschnittformen. Im Moment beschränkt sich Myne auf ein Modell, eine Stoffart und bietet diese in verschiedenen Farben an.
Der Verkauf erfolgt bislang ausschließlich über den eigenen Shop, Kooperationen mit dem Handel sind noch nicht geplant. Denkbar ist aber vieles. „Vielleicht gibt es in Zukunft Läden oder Pop-ups, wo man unsere Produkte sehen und anfassen kann, vielleicht auch wo sie gleich vor Ort produziert werden. Wir sind für alles offen“, sagt die Unternehmerin.