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Scayle zur Konsumflaute: „Jetzt geht es deutlich stärker um effiziente Prozesse“

Von Regina Henkel

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Business |Interview

Kosument:innen sind in Krisenzeiten deutlich zurückhaltender beim Shoppen. Foto: Liza Summer für Pexels

Seit 2018 vermarktet der Onlinehändler About You seine Shop-Software als Lizenzprodukt sowie weitere Business Services an andere Unternehmen. Seit Ende 2021 unter der Marke Scayle. Das Besondere an Scayle ist neben der About-You-Expertise der modulare Aufbau der Commerce-Technologie, wodurch sich Kund:innen ihr System passgenau zusammenstellen können. Ein Multishop-Management ermöglicht zudem eine schnelle Internationalisierung und eine komplett lokalisierbare Customer Experience. About You konnte so in zwei Jahren 16 neue Länder launchen.

Seither hat Scayle das Geschäft im deutschsprachigen Raum sukzessive ausgebaut, mit einem Umsatz von zuletzt 67 Millionen Euro und einem Wachstum von 90 Prozent. Wie das Geschäft in herausfordernden Zeiten läuft und welche weiteren Pläne Scayle hat, erklärt uns Tobias Ring, Director Growth Services bei Scayle. Zeit für ein Resümee nach knapp einem Jahr.

Herr Ring, mit welchen Herausforderungen hat der Onlinehandel derzeit zu kämpfen?

Tobias Ring: Aktuell stellen vor allem externe Faktoren eine große Herausforderung für den Markt dar: der Krieg in der Ukraine, extrem hohe Inflation, Ungewissheit in der Energieversorgung.

All das wirkt sich auf die Konsumstimmung aus. Am stärksten ist dabei vor allem der Fashion- und Lifestyle-Bereich betroffen, da Konsument:innen hier als erstes Käufe zurückstellen. Marken und Händler können dieser Marktentwicklung recht wenig entgegensetzen. Es ist jedoch klar, dass diese Krise sich abschwächen wird und Konsument:innen wieder online kaufen werden. Daher ist es besonders wichtig, jetzt nicht in Stillstand zu verharren und abzuwarten, sondern sich strategisch für die Zeit danach aufzustellen. Marken und Händler, die jetzt in ihr Onlinegeschäft investieren, werden gestärkt aus der Krise herausgehen. Jede Krise geht irgendwann vorbei und es ist wichtig, wie man ihr begegnet ist.

Wie hat sich Ihr Geschäft im laufenden Jahr mit Blick auf Neukund:innen und Umsatz entwickelt?

Sehr positiv. Der Umsatz von Scayle ist im letzten Geschäftsjahr auf 67 Millionen Euro gewachsen. Das entspricht einem Wachstum von 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darüber hinaus konnten wir in den letzten zehn Monaten Neukund:innen mit einem Vertragsvolumen von rund 100 Millionen Euro gewinnen, darunter Marken wie die Deichmann-Gruppe, die S.Oliver Group, Fielmann, DefShop und den FC Bayern. Wir sehen im Markt einen extrem hohen Bedarf an einer modernen, flexiblen Commerce-Technologie, die Unternehmen hilft, digital zu wachsen – und das global und ohne die Komplexität, die normalerweise damit verbunden ist. Darüber hinaus suchen Marken und Händler immer stärker nach bereits vorintegrierten Funktionen – wie etwa Marktplatzfähigkeit – und eine Technologie, die für ihre Zwecke gebaut und weiterentwickelt wird.

Aufgrund unserer Erfahrung mit About You und den mehr als 100 Online-Shops, die Scayle nutzen, verfügt unsere Technologie bereits über umfangreiche Funktionalitäten und wird stetig mit dem absoluten Fokus auf B2C-Lifestyle weiterentwickelt. Unsere Kund:innen profitieren davon, dass wir mehr als 300 Entwickler:innen haben, die sich den ganzen Tag Gedanken darüber machen, was die neuen Funktionen im B2C-Bereich sein werden.

Die letzten Jahre waren extrem: Zunächst ein Online-Boom durch Corona und jetzt eine Konsumflaute. Wie erleben Sie dieses auf und ab?

Während der Corona-Zeit haben viele Unternehmen gemerkt, dass ihr Digitalmodell nicht so ausgereift ist wie das von Online-Pure-Playern, wie beispielsweise Zalando oder Amazon. Richtigerweise haben diese Unternehmen konsequent in ihre digitalen Fähigkeiten investiert, wie in die Internationalisierung, Personalisierung und Omnichannel – und haben so ihre digitale Customer Experience signifikant verbessert. Diese Investitionsbereitschaft war für Scayle natürlich extrem positiv – insbesondere weil unsere Technologie auf genau diese Themen spezialisiert ist und wir unseren Kund:innen in kürzester Zeit helfen konnten.

Im neuen Extrem der Konsumzurückhaltung geht es deutlich stärker um effiziente Prozesse und Reduktion der Marketingausgaben. Auch hier hilft unsere Technologie unter anderem durch integrierte Automatisierung von Arbeitsprozessen, wie beispielsweise Übersetzungen oder Produktdatenpflege. Shop-Manager:innen können so ihre Arbeit schneller erledigen. Gleichzeitig führt der Einsatz unserer Technologie zu einer höheren Conversion Rate – dies konnten wir erst vor kurzem wieder bei großen Live-Gängen unserer Kund:innen erleben. Eine höhere Conversion Rate ermöglicht es, Marketingkosten abzusenken und somit dennoch den gleichen Umsatz zu erzielen.

Wie wirkt sich diese Situation bei Ihnen und Ihren Mode-Kund:innen aus? Mit welchen Maßnahmen versuchen Sie gegenzusteuern?

Sowohl unsere Kundschaft als auch wir merken es vor allem in den Umsätzen. Unsere Lizenzgebühren richten sich nach dem Umsatz der Kundschaft, folglich zahlen viele Kund:innen dieses Jahr weniger als im letzten Jahr. Wir finden diesen partnerschaftlichen Ansatz sehr wichtig. Egal ob Krise oder Boom: Wir gewinnen und verlieren stets gemeinsam.

Wir ergreifen derzeit unterschiedliche Maßnahmen, um gegenzusteuern. In den letzten Monaten haben wir deutlich stärker unsere Bestandskund:innen beraten, welche Maßnahmen sie ergreifen können, die Wirkung zeigen. Dank unseres Handelsgeschäfts verfügen wir hier über umfangreiche Kenntnisse, beispielsweise bei der Optimierung von Marketingaktivitäten. Diese teilen wir mit Kund:innen, damit sich der Umsatz und auch die Profitabilität wieder positiv entwickeln.

Tobias Ring von Scayle. Foto: Scayle

Immer mehr Pure Player werden zu Marktplätzen und wollen das Marktplatz-Business ausbauen – auch indem das Wholesale-Business reduziert wird. Spüren Sie eine verstärkte Nachfrage nach Marktplatzanbindungen bei Ihrer Kundschaft?

Definitiv. Eine klar definierte Marktplatz-Strategie birgt für viele Unternehmen ein großes Potenzial. Wenn sie zum Marktplatz werden, können sie eine breite Sortimentsauswahl anbieten und somit mehr Umsatz generieren. Der große Vorteil, vor allem in Zeiten einer Krise, ist, dass der Händler nicht selbst ins Warenrisiko geht. Gleichzeitig erlangen Marken mehr Kontrolle, weil sie beispielsweise für ihre Ware die Preise steuern und diese konsequent über verschiedene Kanäle aussteuern können. Hinzu kommt, dass wir unseren Kund:innen neben einer sofort nutzbaren Marktplatz-Funktion auch ein internationales Logistiknetzwerk anbieten können, auf das sie zurückgreifen können. Marktplatz und Verkäufer:innen auf der Plattform können so auch global verkaufen – mit voll-lokalisiertem Setup und profitieren von Synergien, wie beispielsweise günstigeren Tarifen.

Der Online-Boom hat den Onlinehandel beflügelt, gleichzeitig aber auch Innovation ausgebremst, weil sie nicht erforderlich war – sagen manche. Sehen Sie das auch so?

Das ist weniger das Feedback, das wir bekommen. Gerade während eines Online-Booms, wenn Zalando oder About You deutlich zweistellig wachsen, ist es ja für viele ein Ansporn, ähnlich schnell zu wachsen. Um dies zu erreichen, muss das Shopping-Erlebnis für Konsumenten weiter verbessert werden. Plattformen wachsen in diesen Zeiten besonders stark. Warum? Weil sie die beste Technologie haben. Und darauf baut alles andere auf. Du kannst die besten Produkte der Welt haben, aber wenn dein Kundenerlebnis nicht stimmt, kommst du nicht weit. Gerade bei viel Kaufenthusiasmus wird sehr schnell klar, welche Technologie mithalten kann und welche das eigene Wachstum ausbremst.

Die letzten Jahre ging es für Modemarken vornehmlich darum, überhaupt in allen relevanten Shops präsent zu sein. Jetzt geht es vermehrt um die Aussteuerung. Wie weit sind da inzwischen die Marken?

Viele wissen bereits, dass sie nicht nur auf einer Plattform präsent sein müssen und arbeiten an einer markenspezifischen D2C-Strategie. Ein eigener Shop ist Gold wert, aber er muss Konsument:innen auch einen Mehrwert bringen, beispielsweise mit limitierten Drops oder Loyalitätsprogrammen. Gleichzeitig gilt es, die Zielgruppe auf Plattformen abzuholen. Das läuft dann normalerweise anteilig über Wholesale, Dropshipping oder auch plattformeigene Fulfillment-Angebote, bei denen Marktplätze die Logistik übernehmen. So können Marken auch international auf einer voll lokalisierten Plattform präsent sein und darüber neue Zielgruppen auf sich aufmerksam machen.

Während die Präsenz extrem gestiegen ist, hapert es meist noch an der Aussteuerung. Hauptgrund hierfür ist häufig, dass jeder Kanal mit einer eigenen Technologie verwaltet wird und es den Marken an vollständiger Sichtbarkeit fehlt. Genau hier kommt Scayle ins Spiel. Bei Scayle werden alle digitalen Kanäle aus einem globalen Datenpool bespielt. Egal ob eigener Webshop oder Marktplätze, alles läuft bei Scayle zusammen und kann somit effizient gesteuert werden.

Social Commerce und auch Live Shopping gewinnen an Bedeutung. Bieten Sie das an? Wie entwickeln sich beide Themen?

Wir haben uns den Markt für Social Commerce und Live Shopping intensiv angeschaut und evaluiert, inwieweit wir Lösungen hierfür anbieten wollen. Ebenfalls haben wir viel mit unseren Kund:innen über diese Themen gesprochen. Unser Ergebnis war, dass es bereits viele gute und spezialisierte Anbieter:innen in diesen Bereichen gibt. Folglich haben wir uns entschlossen, diese über unsere extrem leistungsstarken APIs anzubinden und somit eine Best-of-Breed-Strategie für viele unserer Kund:innen zu implementieren.

Wie eng arbeiten Sie bei der Entwicklung neuer Features mit About You zusammen?

Historisch haben wir sehr eng mit About You in der Entwicklung von neuen Features zusammengearbeitet. Aktuell ist es so, dass About You einer von vielen großen Kund:innen in unserem Portfolio ist. In der Feature-Entwicklung holen wir immer das gesamte Feedback von unseren Kund:innen ein und entscheiden anschließend, welche Themen wir in unserem Produkt umsetzen. Beispielsweise haben wir inzwischen ein komplettes Entwicklungsteam, welches sich ausschließlich auf Omnichannel spezialisiert hat. Dies ist für About You überhaupt nicht relevant, da About You keine stationären Läden betreibt. Für Deichmann, Fielmann, S.Oliver, Depot, Tom Tailor und Marc O’Polo ist es aber ein entscheidender Differenzierungsfaktor.

Welche Bedeutung hat der stationäre Handel für Ihr Geschäft?

Der Anteil an Kund:innen wächst, die ihr Filialnetz in unsere Commerce Engine integrieren. Das hat auch wesentliche Vorteile, weil dann beispielsweise deutlich mehr Ware verfügbar wird. So kann ein Wintermantel aus einer Filiale von Kund:innen online bestellt und direkt an eine andere Filiale zur Abholung geschickt werden. Filialen werden so zu eigenen Logistikzentren. Click & Connect ist für viele also nur der Anfang und wir sind uns sicher, dass wir hier noch spannende Innovationen in nächster Zeit sehen werden. Auch von uns.

Was zum Beispiel?

Das können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verraten.

Wer sind Ihre Kund:innen? Welche Branchen und Unternehmensgrößen adressieren Sie?

Unsere Kundschaft kommt aus allen wesentlichen B2C-Segmenten. Fashion, Beauty & Personal Care, Home & Living, Sports et cetera. Historisch bedingt haben wir natürlich viele Fashion-Kund:innen aufgrund unserer Verbindung zu About You. Inzwischen ist es jedoch recht ausgeglichen über die Segmente verteilt. Natürlich immer relativ zur Größe. Mit Fielmann oder FC Bayern sehen wir, dass wir derzeit entlang aller B2C-Segmente Neukund:innen gewinnen.

Bei der Größe der Kund:innen fokussieren wir uns sehr klar auf das Enterprise-Segment. Dabei definieren wir ein Unternehmen als Enterprise, wenn es mehr als 30 Millionen Euro Online-Umsatz generiert. Durchschnittlich liegen unsere Kund:innen in Deutschland sogar bei circa 100 Millionen Euro Jahresumsatz online.

About You investiert stark in die eigene Internationalisierung. Wie sieht es diesbezüglich bei Scayle aus?

Aufgrund des sehr positiven Feedbacks im deutschen Markt haben wir in den letzten Monaten ebenfalls mit der Internationalisierung von Scayle begonnen. Wir haben in UK, BeNeLux und den Nordics lokale Vertriebsteams aufgebaut. Im Vergleich zum B2C-Geschäft von About You ist die Internationalisierung im B2B-Software-Bereich jedoch deutlich aufwändiger. Beispielsweise braucht man lokale Teams, bespielt eine deutlich spitzere Zielgruppe und benötigt ein lokales Partnernetzwerk für die Implementierung. In unseren drei internationalen Märkten sind wir sehr gut gestartet und ich verbringe immer mehr Zeit außerhalb von Deutschland. Ich bin mir sicher, dass wenn wir in zwölf Monaten wieder sprechen, wir in weiteren Märkten vor Ort sind.

Inwieweit können Ihre Kund:innen von der Internationalisierung profitieren?

Kund:innen profitieren von unserer Internationalisierung über zwei wesentliche Wege. Zum einen bauen – beziehungsweise integrieren – wir weitere lokale Anforderungen in unsere Technologie, um den Bedürfnissen der internationalen Kund:innen gerecht zu werden. Dies umfasst zum Beispiel die Integration von Zahlmethoden oder Logistikdienstleistern, auch wenn wir dank About You bereits viele haben. Aber auch von komplexen Steuersystemen, wie etwa in den USA. Diese stehen dann wiederum all unseren Kund:innen zur Verfügung.

Zum anderen fördern wir immer stärker den Erfahrungsaustausch zwischen unseren Kund:innen. Viele von ihnen haben ähnliche Herausforderungen und können sich ideal untereinander unterstützen. Beispielsweise haben wir bei der diesjährigen OMR am Vorabend ein gemeinsames Dinner mit all unseren Kund:innen gehabt. Hieraus haben sich allein in diesem Jahr ein paar Partnerschaften zwischen den Kund:innen ergeben. Wenn nun internationale Kund:innen dazukommen, gibt es hier für alle noch mehr Möglichkeiten.

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