Saudi Fashion Commission CEO: „Markt öffnet sich für zeitgenössische Männermode“

Saudi-Arabien fördert einheimische Modelabels mit einem maßgeschneiderten Programm Saudi 100. Dieses ermöglichte es 100 Labels bei der Herrenmodewoche im Juni in Paris zu zeigen – mit einer Modenschau im Palais de Tokyo und in einem Showroom im Hotel Mona Bismarck. Der CEO der Saudi Fashion Commission, Burak Cakmak, lud FashionUnited zu einem exklusiven Interview, um über Förderung und Ambitionen zu sprechen.

Diese Ausgabe der Saudi 100 Brands scheint eine westlichere Männermode aus Saudi-Arabien zu zeigen?

Dieses Land ist immer für eine Überraschung gut und genau das passiert mit der Entstehung einer Herrenkonfektion. Die saudische Kundschaft Nummer eins sind nach wie vor Frauen, aber es gibt auch eine große Lust auf Männermode und die Erschließung neuer Märkte. Historisch gesehen kleideten sich Saudis eher traditionell, aber das Leben vor Ort hat sich stark verändert und es gibt immer mehr Gelegenheiten, sich modisch zu kleiden: Festivals, Veranstaltungen, Konzerte, Ausstellungen und Ähnliches.

Die Hälfte der Einwohner:innen ist jünger als 25 Jahre. Diese leben entweder im Land oder studieren im Ausland. Sie brauchen etwas Neues und Interessantes und das hat eine neue Generation einheimischer Designer:innen, die jünger als 35 Jahre sind, dazu veranlasst, zeitgemäße Herrenmode und Streetwear-Marken auf den Markt zu bringen. Diese weist saudi-arabische Bezüge auf, auch wenn sie für Nicht-Einheimische vielleicht nicht immer erkennbar sind. Die Spezialität des Landes ist das Kunsthandwerk, darunter die Stickerei, die jedoch in der Männermode derzeit noch nicht sehr sichtbar ist.

Zwei Frauen sind für Männerkollektionen verantwortlich, ist das ein Novum?

Auf jeden Fall. Für ihre gleichnamige Marke hat Noura Sulaiman die erste hochwertige Männerkollektion entworfen. Außerdem wurde die Marke KML von dem Bruder/Schwester-Duo Hassan mitgegründet.

Wie gehen Sie vor, um junge saudi-arabische Marken in Paris ins Rampenlicht zu stellen?

Jedes Jahr begleiten wir 100 Marken, die sich beworben haben, um sie für die Realitäten des internationalen Marktes zu sensibilisieren. Wir wollen sicherstellen, dass wir die beste Auswahl erhalten. In einem ersten Schritt führen wir sie über den kollektiven Showroom, Saudi 100 Brands, ein. Wir übernehmen die Miete der Räumlichkeiten, die Pressearbeit und den Kontakt zu den Einkäufer:innen. Die Marken übernehmen die Reisekosten.

Diejenigen, die das Potenzial haben, können dann individuell und unabhängig ihre Kollektionen vorstellen. So präsentierte Shahd Alshehail für die Marke Abadia während der Pariser Modewoche im Juni 2024 einen eigenen Showroom im Marais-Viertel.

Auf welchen Markt zielen Sie ab, wenn Sie auf der Fashion Week Paris präsentieren?

Eine Präsentation in Paris hat immer einen sofortigen Effekt, wenn man nach Hause kommt. Nachdem wir sie in der letzten Saison vorstellten, erhielten die Designer:innen direkt nach der Show Anrufe von Kund:innen, die die gesamte Kollektion kaufen wollten. Darüber hinaus wurden zwei Marken von Galeries Lafayette ausgewählt. Die ersten Endkund:innen waren eine Französin und eine Amerikanerin.

Wie sieht es mit der Beschaffung und Herstellung aus?

Saudi-Arabien produziert Wolle, was Teil unserer Handwerkstradition ist, aber die meisten Materialien für den Massenmarkt gibt es nicht vor Ort, also müssen wir sie in Spanien, Italien, Portugal, der Türkei, China und Indien beziehen. Die Sourcing-Messe Première Vision ist ein ideales Ziel für die Herstellung von Luxusartikeln.

Bei Damenmode haben die Marken in der Regel ihre eigenen Werkstätten und Boutiquen. Sie können schnell für den lokalen Markt produzieren und benötigen kein spezielles Fachwissen. Wir haben jedoch gerade die erste Produktionsstätte in Riad eröffnet, die für Streetwear und die Verarbeitung von Jersey bestimmt ist. Wir hoffen, dass bei der nächsten Präsentation die meisten der ausgestellten Stücke in Riad hergestellt werden. Die Kleidungsstücke sind in einem Premiumbereich positioniert, der von 150 bis 1500 Euro (Einzelhandelspreis) reicht.

Organisieren Sie Veranstaltungen in Saudi-Arabien, um die Entstehung dieses neuen Marktes zu signalisieren?

Wir haben im Oktober 2023 die erste Riyadh Fashion Week eröffnet. Dreißig heimische Designer:innen aus verschiedenen Marktsegmenten (Damen- und Herrenkonfektion, Streetwear, Couture, Schmuck) wurden auf dem Laufsteg gezeigt. Diese Veranstaltung wird vom 17. bis 22. Oktober 2024 wiederholt.

Für Mai 2025 kreieren wir eine zweite Veranstaltung, die sich auf Resort-Kollektionen konzentriert, im St. Regis Red Sea Resort am Roten Meer an der Westküste Saudi-Arabiens. Im Rahmen des Projekts „Red Sea Global“ werden zahlreiche Hotels eröffnet und der Ort ist auf dem besten Weg, ein neues internationales Reiseziel zu werden. Wir werden internationale Marken in die dreitägige Veranstaltung einbeziehen, die den saudi-arabischen Markt ansprechen möchten. Wir wollen die Präsenz lokaler Marken optimieren, aber auch den Beitrag der Modebranche zum Bruttoinlandsprodukt des Landes erhöhen.

Welche Bedingungen bieten Sie internationalen Marken, um in Saudi-Arabien auf dem Laufsteg zu präsentieren?

Sie sind vergleichbar mit denen, die Marken erfüllen müssen, die auf der Pariser Fashion Week zeigen und ihre eigenen Veranstaltungen organisieren. Wir haben eine Webplattform eingerichtet, um über dieses Projekt zu kommunizieren. Die Labels übernehmen die Reise- und Unterbringungskosten und wir haben die Infrastruktur für Models, Make-up, Frisur, Regie und anderes.

Für wie lange ist das Programm Saudi 100 Brands geplant?

Wir befinden uns in der dritten Saison und hoffen, mindestens zwei weitere Saisonen durchführen zu können. Unsere Strategie ist auf fünf Jahre angelegt, nach deren Ablauf wir eine Bestandsaufnahme machen werden, welche Fortschritte wir gemacht haben und welche Art von Unterstützung wir benötigen. Zudem aktualisieren wir jedes Jahr das Begleitprogramm, das wir einführen.

Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.fr. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.