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Recht und Praxis: Händlerhaftung für fehlende Produktkennzeichnung

Von Janina Voogd

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Wir alle kennen sie, die in die Kleidung eingenähten, oftmals beidseitig bedruckten Zettel mit ellenlangen Texten, die vor allem eins tun: kratzen. Oftmals werden die Zettel daher nach einem kurzen Blick auf die Pflegehinweise abgeschnitten und weggeworfen. Viele Hersteller zeichnen auf den Zetteln (oder gar Zettel-Bündeln) gestrichelte Linien und Scherensymbole ein, um dem Käufer das Herausschneiden zu erleichtern. Und doch sind die ungeliebten Zettel nicht nur für Verbraucher, sondern auch für Hersteller und Händler überaus wichtig. Denn das, was auf den Zetteln steht, ist zum Teil gesetzlich vorgeschrieben (siehe z.B. hier zur Textilkennzeichnung).

In Deutschland regelt unter anderem das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG), was auf den Zetteln zu stehen hat. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Produktsicherheit für den Verbraucher zu gewährleisten. Denn nicht nur bei Lebensmitteln kann es vorkommen, dass unsichere Produkte in den Markt gelangen. Auch Bekleidungsstücke und Accessoires können mangelhaft oder gar gefährlich sein. Für den Verbraucher ist es daher wichtig, dass solche Gefahren und Mängel schnell entdeckt werden und sämtliche betroffene Produkte notfalls aus dem Verkehr gezogen werden können. Dabei kommt es aber vor, dass die Behörden die erforderlichen Schritte nicht effektiv umsetzen können, weil entweder der Bereitsteller des Produkts nicht ermittelt oder die betroffene Charge des Verbraucherprodukts nicht identifiziert werden kann.

Die Kennzeichnungspflicht für Verbraucherprodukte…

Dem soll mit der Kennzeichnungspflicht des Produktsicherheitsgesetzes entgegengewirkt werden. Von der Kennzeichnungspflicht umfasst sind alle Verbraucherprodukte. Nach der Definition des Produktsicherheitsgesetzes sind Verbraucherprodukte alle neuen, gebrauchten oder wiederaufbereiteten Produkte, die für Verbraucher bestimmt sind oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar sind, von Verbrauchern benutzt werden können, selbst wenn sie nicht für diese bestimmt sind. Als Verbraucherprodukte gelten aber auch Produkte, die dem Verbraucher im Rahmen einer Dienstleistung zur Verfügung gestellt werden. Die Definition ist damit weit gefasst.

… trifft in erster Linie den Hersteller…

Das Produktsicherheitsgesetz regelt nun, dass der Hersteller (ggf. neben weiteren Personen) die Verpflichtung hat, bei der Bereitstellung eines Verbraucherprodukts auf dem Markt unter anderem seinen Namen und seine Kontaktanschrift anzugeben. Somit gehört jedenfalls im Grundsatz der Name des Herstellers zusammen mit seiner Adresse auf das Produkt oder – falls eine Angabe auf dem Produkt unmöglich ist – auf seine Verpackung. Alternativ können Name und Adresse des Händlers angegeben werden, verpflichtend ist dies aber nicht.

… aber auch Händler treffen Pflichten

Zwar treffen die Kennzeichnungspflichten die Händler von Verbraucherprodukten damit nicht unmittelbar. Das Produktsicherheitsgesetz sieht aber vor, dass Händler dazu beitragen müssen, dass nur sichere Verbraucherprodukte auf dem Markt bereitgestellt werden. Über diese Hintertür hat der Bundesgerichtshof vor kurzem eine Haftung des Händlers für den Fall angenommen, dass die Herstellerkennzeichnung fehlte. Das Gericht hat in der Entscheidung "Motivkontaktlinsen" (BGH, Urteil vom 12.01.2017, Az. I ZR 258/15) klargestellt, dass jeder Händler wissen müsse, dass das Fehlen der Kennzeichnung die Sicherheit und Gesundheit von Personen gefährde und somit gegen die Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes verstoße. Händler, die die richtige Kennzeichnung bei den von ihnen angebotenen Produkten nicht überprüfen oder unzureichend gekennzeichnete Produkte in den Verkehr bringen, verstoßen damit selbst gegen das Produktsicherheitsgesetz.

Fehlt die (richtige) Kennzeichnung, so haftet nun auch der Händler. Neben drohenden Bußgeldern wegen Ordnungswidrigkeit haben fehlende Kennzeichnungen auf Verbraucherprodukten noch weitere mögliche Folgen: Der Vertrieb eines nicht (richtig) gekennzeichneten Produkts kann wettbewerbswidrig sein, so dass Hersteller und Händler befürchten müssen, von Wettbewerbern oder Verbraucherschutzverbänden abgemahnt zu werden. Um dies zu vermeiden, sollten Unternehmen aller Handelsstufen darauf achten, dass die von ihnen vertriebenen Produkte richtig gekennzeichnet sind.

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel keine Rechtsberatung darstellt und eine solche nicht ersetzen kann.

Geschrieben von Janina Voogd, LL.M. (Cape Town), Noerr LLP

Janina Voogd ist Rechtsanwältin in der Praxisgruppe Gewerblicher Rechtsschutz im Münchener Büro der Sozietät Noerr LLP. Sie berät nationale und internationale Unternehmen in allen Bereichen des Marken- und Designrechts. Darüber hinaus berät sie im Wettbewerbs- und Vertriebsrecht. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Beratung von Unternehmen in der Mode- und Kosmetikbranche. Janina Voogd ist Lehrbeauftragte für Marken- und Designrecht an der AMD Akademie Mode & Design in München.

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