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Preissetzung in der Mode: Wege aus der Zwickmühle

Die Mode- und Textilbranche steht unter Druck. Unsicherheit der Verbrauchenden, gestiegene Lohn- und Herstellkosten, Lieferengpässe und hoher Warenbestand erfordern veränderte Spielregeln in der Preisgestaltung. Während Marken und Handel in den vergangenen Jahren auf stabile Margen und planbare Absatzzyklen setzen konnten, ist heute mehr denn je strategisches Pricing gefragt. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über das Produktpricing in der Mode- und Textilbranche.

Wie Preise in der Modeindustrie entstehen und was sich verändert

Traditionell folgt die Zielpreisbildung in der Modebranche einem marken- und kalkulationsbasierten Ansatz: Ausgehend von den Produktionskosten wird ein Aufschlag kalkuliert, der Handelsspannen, Marketingkosten, geplante Rabatte sowie den gewünschten Ertrag der Herstellenden berücksichtigt. Die resultierenden Preisempfehlungen für die Endkundschaft orientieren sich an der Marktpositionierung (Premium, Mid-Market, Discount) und am Wettbewerbsumfeld. Die Aufschläge sind dabei relativ starr und werden in der Regel unregelmäßig anhand der realen Kosten oder Marktsituation angepasst.

Doch dieses Modell stößt zunehmend an Grenzen. Die Preislogik verschiebt sich von einer kosten- zu einer marktorientierten Perspektive: Konsument:innen vergleichen online, erwarten Transparenz und reagieren sensibler auf Preisänderungen. Gleichzeitig kämpfen Herstellende mit schwankenden Rohstoffpreisen (zum Beispiel für Baumwolle), Frachtkosten und veränderten Bestellvolumina. Preisentscheidungen müssen daher deutlich dynamischer, datenbasierter und stärker am realen Nachfrageverhalten ausgerichtet werden.

Die Autoren
Christoph Krauss ist Associate Partner bei Prof. Roll & Pastuchn mit Fokus auf den B2C-Bereich. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in Marketing und Vertrieb bei führenden Konsumgüterherstellern sowie in der Beratung in zu den Themen Vertrieb, Strategie und Pricing. Dr. Arne Heinrich ist Senior Project Manager bei Prof. Roll & Pastuch.

Steigende Kosten treffen auf Konsumzurückhaltung

Steigende Herstellkosten führen dazu, dass die Margen unter Druck geraten und Verkaufspreise angepasst werden müssen. Besonders im mittleren Preissegment ist der Spielraum für Preiserhöhungen gering. Zu stark reagieren Konsument:innen mit Kaufverzicht oder Wechsel zu günstigeren Marken. Zudem steht der Preiserhöhung häufig ein Überbestand an Ware entgegen mit der Folge, dass Preise nicht angepasst werden und schrumpfende Margen in Kauf genommen werden. Auch die Betriebskosten im Handel, also Miete, Löhne und Energie, sind gestiegen, so dass auch hier einerseits der Margendruck hoch ist, andererseits die Notwendigkeit nach aktivem und differenzierten Preismanagement gestiegen ist.

Und dann ist da die Kaufzurückhaltung: die Entwicklung der Nachfrage und vor allem der Zahlungsbereitschaft der Konsument:innen hält nicht mit den gestiegenen Kosten der Hersteller und Händler Schritt. Die Menschen kaufen selektiver, vergleichen intensiver und reagieren stark auf Rabatte.

Gestiegene Einstandskosten und geringe Nachfrage führen zu Druck auf die Marge von zwei Seiten. Das zwingt die Branche, Preisaktionen gezielter zu steuern und nicht reflexartig auf Lagerdruck mit Preisnachlässen zu reagieren.

Welche Ansätze jetzt erforderlich sind

Die Zwickmühle aus höheren Kosten und gleichzeitig erkaltetem Konsumklima erfordert neue Ansätze im Pricing.

Zuallererst sollte man das Produktpricing überdenken und sich vom kostenorientierten Cost-Plus Pricing der Branche verabschieden. Die Dynamik auf der Kostenseite hat nichts mit der Zahlungsbereitschaft der Kunden zu tun, wird aber in diesem Verfahren mittels der Aufschläge unmittelbar verknüpft. Zudem fehlt die Marktorientierung, da bei diesem Verfahren keine systematische Berücksichtigung des Wettbewerbers oder der Zahlungsbereitschaften der Konsument:innen stattfindet.

Sinnvoller ist es – gerade in Zeiten mit hoher Kostensensibilität auf der Seite der Kundschaft – marktorientierte Verfahren zur Preissetzung zu nutzen. Wettbewerbsorientiertes Pricing bezieht Wettbewerbspreise in die Preisfindung mit ein und orientiert sich somit deutlich am Markt. Herstellende richten ihr Pricing an dem der relevanten Wettbewerber aus, also etwa „X Prozent unter Wettbewerber A“. Differenzierte Regeln je Kategorie ermöglichen gute, marktorientierte Ergebnisse und orientieren sich ganz am Einkaufserlebnis der Konsumenten:innen. Dabei sollten jedoch Kontrollmechanismen berücksichtigt werden, um eine Übertragung von möglichen Preisfehlern eines Wettbewerbers in das eigene Pricing zu verhindern.

Das Value Pricing richtet Produktpreise nach der Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen aus. Verfahren zur Ermittlung dieser Zahlungsbereitschaft, wie Befragungen der Kundschaft oder Preistests, sind jedoch aufwändig. Neben einer produktindividuellen Preisbestimmung eignet sich das Value Pricing daher insbesondere zur Unterstützung und Überprüfung eines wettbewerbsorientierten Pricing-Ansatzes. Auf diese Weise können die Erkenntnisse zu Werttreibern und Markenpräferenzen auf eine größere Anzahl Produkte angewendet werden.

So könnte im Fall oben die Regel „X Prozent unter Wettbewerber A“ angepasst werden zu „Y Prozent über Wettbewerber A“, wenn sich beispielsweise die Wertwahrnehmung der Konsument:innen zwischen den Marken verändert hat. Ein Nebeneffekt des Value Pricing ist, dass die Treiber für die Kaufentscheidung identifiziert werden können. Ist es die Marke, die Nachhaltigkeit, der Schnitt, das Material,…? So werden wichtige Insights für die Markenkommunikation ermittelt. Value Pricing setzt allerdings eine sehr konkrete Vorstellung der adressierten Zielgruppe voraus.

Die Zielgruppe bringt uns zu einem weiteren strategischen Hebel: eine klare, trennscharfe Segmentierung der Zielgruppe als Teil der Markenpositionierung ermöglicht eine genaue preisliche Ansprache und somit einen sauberen Rahmen für die Preislagen. Auch bei den Zielgruppen haben wir heute eine höhere Dynamik, die in der Form einfließen sollte, dass Segmentierung heute ein dauerhafter Prozess und keine einmalige Übung mehr ist.

Um auf die grundsätzlich gestiegene Marktdynamik zu reagieren, setzen immer mehr Modeherstellenden und -händler:innen auf Dynamic Pricing. Bei diesem Ansatz, der eine schnelle und optimale Steuerung des Geschäfts ermöglicht, werden Preise beispielsweise anhand von definierten Zielen und Regeln mittels aktueller Daten überprüft und bei Handlungsbedarf regelmäßig (automatisch) angepasst. Klassische Datenpunkte können Wettbewerbspreise, Warenbestände und Abverkäufe sein, die bei den alternativen Zielsetzungen „Marge optimieren“ oder „Bestände reduzieren“ zu unterschiedlichen Preisreaktionen führen.

Natürlich setzt dieses Verfahren die Preishoheit der Akteur:innen voraus, etwa als Händler:in oder im markeneigenen Store. Diese setzen Dynamic Pricing in erster Linie online ein, jedoch führt die zunehmende Verbreitung von elektronischen Preisschildern und verbesserter digitaler Infrastruktur zu einer zunehmenden Verbreitung auch im stationären Handel. Bei allen Preissetzungsverfahren ist die eigene Sortimentslogik zu berücksichtigen – so sollten Themen wie Line-Pricing (unterschiedliche Farben oder Größen) sowie eine „Good-Better-Best“ Logik (etwa Laufschuhe) nicht durch die Preissetzungsverfahren ausgehebelt werden. Zudem sind stets Mindestpreise zu berücksichtigen. Konsumpsychologie: Preise jenseits der Vernunft

Natürlich sind im Luxusmodebereich häufig Faktoren für die Kaufentscheidung verantwortlich, die sich dem Messbaren und manchmal Rationalen entziehen. Grundsätzlich gilt: Je höher die Preislagen sind, desto höher der emotionale Wertbeitrag durch die Marke oder die Designer:innen. Dies ist das Ergebnis konsequenter Marken- und Preispositionierung, die für Begehrlichkeit sorgen und jahrelange Disziplin seitens des Managements erfordern. Ob die hohen Preise gerechtfertigt sind oder nicht, kann allein das Zielsegment der Marke beantworten. Die Preise rechtfertigen den emotionalen Zusatznutzen aus Marke und den Designer:innen – auch hier kann Value Pricing helfen.

Ein weiterer Turbo der Begehrlichkeit ist die Art der Warenpräsentation beziehungsweise. der Go-to-Market-Ansatz: Die Zahlungsbereitschaft wird weiter angeheizt durch Verknappung sowie den resultierenden Fomo-Effekt (Fear of missing out), der durch limitierte Capsules und Collabs sowie entsprechend inszenierte Drops (inklusive Countdown und social -medienwirksamen Schlangestehen) befeuert wird.

Fazit: Handlungsspielraum schaffen und durch Pricing umsetzen

Herausforderungen aus dem Marktumfeld – hohe Kosten bei gleichzeitiger Kaufzurückhaltung – sollten durch den Preis begegnet werden. Voraussetzung ist ein unverzügliches, präzises und datengestütztes Verständnis des Marktgeschehens und ein aktives Preismanagement, das sich aus der Markenstrategie ableitet. Dabei sind marktorientierte Produktpreissetzungsverfahren zu empfehlen – die Zeiten für kostenfokussiertes Pricing sind in der Mode- und Textilbranche vorbei.


ODER ANMELDEN MIT
pricing
Roll & Pastuch