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PETA-Interview: „Tierquälerei ist vorprogrammiert“

Von Simone Preuss

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Business|Interview
Schafe. Bild: Sam Carter / Unsplash

Als Nike jüngst ankündigte, seine CSR-Politik geändert und sich dem Responsible Wool Standard (RWS) angeschlossen zu haben, griff FashionUnited die Nachricht unter der Schlagzeile „Nike entscheidet sich für schmerzfreie Wolle“ auf. Am nächsten Tag kontaktierte PETA (People for the Ethical Treatment of Animals) FashionUnited mit der Information, dass die Überschrift ungenau sei - sich dem RWS anzuschließen, der Mulesing, also das Abschneiden der Haut um den Steiß und Schwanz eines Schafes verbietet, macht den gesamten Vorgang noch nicht schmerzfrei – Schafe werden immer noch geschlagen, getreten, gestoßen und schließlich getötet.

Diese schockierende Tatsache veranlasste FashionUnited dazu, mehr darüber erfahren zu wollen, nicht nur in Bezug auf Wolle, sondern auch über Daunen, Mohair und andere Materialien tierischen Ursprungs. FashionUnited sprach mit Jacqueline Sadashige, Senior Corporate Responsibility Officer bei PETA, die Unternehmen dabei unterstützt, humanere und nachhaltigere Produkte und Richtlinien einzuführen.

Was genau umfasst Ihr Aufgabenbereich?

Ich arbeite für PETAs Team für Unternehmensverantwortung. Wir arbeiten eng mit Unternehmen zusammen und weisen sie auf grausame Praktiken in der Branche bei Materialien tierischen Ursprungs hin und ermutigen sie, sich in Richtung neuer und spannender veganer Materialien zu bewegen.

Jacqueline Sadashige, PETA. Bild: PETA

Verteidigen Unternehmen die Verwendung eines bestimmten Materials, das Tierquälerei beinhaltet?

Ja, Unternehmen sagen manchmal, dass sie nicht damit aufhören können, ein bestimmtes Material zu verwenden, weil die Verbraucher:innen es wollen. Aber die Frage ist: Warum wollen sie es? Sie wollen es, weil das Marketing so gut war, weil es vielleicht als „natürlich“ oder „luxuriös“ beworben wurde. Aber das ist es nicht. Nehmen wir zum Beispiel Wolle. Den Verbraucher:innen wird gesagt, dass sie natürlich und wunderbar sei, aber PETA hat mehr als 100 Wollbetriebe auf vier Kontinenten untersucht - darunter in Schottland und England - und in allen wurden Schafe geschlagen, getreten, gestoßen und schließlich getötet. Tierquälerei ist etwas, das in der Branche vorprogrammiert ist.

Und es gibt keine Ausnahme, kein Material tierischen Ursprungs, das „sicher“ ist, also ohne Tierquälerei gewonnen wird?

Nein. In dem Moment, in dem ein Tier zur Ware wird, gibt es Gewalt, gibt es Grausamkeit. Wir haben uns Tiere angesehen, die unter anderem in Peru, in der Mongolei und in Australien wegen ihres Fells gezüchtet werden, und wir haben festgestellt, dass die Tiere Gewalt und hohem Stress ausgesetzt sind. Alpakas zum Beispiel sind Beutetiere, und das Scheren erhöht ihren Stresspegel. Jedes Mal, wenn sie geschoren werden, geraten sie in einen „Fight or Flight“-Zustand.

Wie sieht es bei kleinen Betrieben aus, die ihre (wenigen) Tiere eher wie Familienmitglieder behandeln?

Leider sind sie oft schlimmer, und aufgrund der geringen Größe kann die tierärztliche Versorgung - wenn überhaupt - rudimentär sein. Außerdem können die Auswirkungen auf die Umwelt aufgrund der schlechten Abfallwirtschaftung noch schlimmer sein.

In den 90er Jahren habe ich in Australien das Scheren von Schafen als Touristenattraktion miterlebt. Damals fiel mir auf, wie wenig Zeit pro Tier aufgewendet wurde, wie grob sie behandelt wurden und dass die Tiere bluteten, weil die Scherapparate in ihr Fleisch eindrangen.

Ja, was Sie in den 90er Jahren gesehen haben, war das, was als für die Öffentlichkeit akzeptabel angesehen wurde. Seitdem sind die Dinge nicht besser geworden. Sicher, viele Unternehmen weigern sich jetzt, Mulesing-Wolle zu kaufen, was eine Verbesserung darstellt, aber insgesamt ist die Wollproduktion gestiegen und die Arbeiter:innen werden immer noch nach Volumen bezahlt, was eine schnelle, aggressive Schur begünstigt, die Schafe mit offenen, blutigen Wunden zurücklässt.

Kommen wir noch einmal darauf zurück, dass ein Material als „natürlich“ gilt, weil es von einem Tier stammt...

Das ist ein Gerücht. Sobald das Material bei den Verbraucher:innen ankommt, ist es alles andere als natürlich. Nehmen wir zum Beispiel Wolle - Wolle ist extrem fettig, so schützt sie das Tier bei jedem Wetter. Daher ist ein gründlicher Reinigungsprozess erforderlich, der Chemikalien und enorme Mengen an Wasser erfordert. Leder muss gegerbt werden, wofür in der Regel giftige Chemikalien erforderlich sind - jedes Material tierischen Ursprungs, das für den menschlichen Gebrauch aufbereitet wird, zersetzt sich nicht, wenn es auf eine Mülldeponie geworfen wird, und kann daher niemals als „natürlich“ bezeichnet werden. Während Wolle biologisch abbaubar ist, enthalten diese sogenannten natürlichen Materialien oft schädliche chemische Farbstoffe oder Veredelungen, die in die Umwelt freigesetzt werden können, wenn sich der Artikel zersetzt.

Was ist die Alternative?

Es sind viele weiche, vegane Materialien erhältlich.

Die teils einen schlechten Ruf haben, weil man ihnen Kunststoff hinzufügen muss, um sie haltbarer und dehnbarer zu machen.

Die Entwicklung dieser Alternativen schreitet rasant voran. Obwohl einige der frühen nicht-tierischen Materialien diese Probleme hatten, gibt es jetzt pflanzliche Polymere und auch Materialien, die zu 100 Prozent aus Pflanzen bestehen. Hanf, Baumwolle, Bambus und aus Zellstoff gewonnene Materialien zum Beispiel

Wie verlässlich sind dann die aktuellen Standards wie etwa der Responsible Wool Standard, der Responsible Down Standard oder der Responsible Mohair Standard?

Obwohl die Idee nicht schlecht ist, ist die Durchsetzung ein Problem, und die Auslegung kann unklar sein. Einige schmerzhafte Verfahren sind nach wie vor zulässig, zum Beispiel die Kastration und das Anschneiden der Ohren bei Schafen. Was die Verabreichung von Schmerzmitteln an die Tiere anbelangt, so lautet die Formulierung der Standards „wenn geeignete Schmerzmittel verfügbar sind“, was viel Spielraum für Interpretationen lässt.

Obwohl der Responsible Wool Standard die „Lebendausfuhr“ verbietet, wird diese Praxis immer noch angewandt. Das bedeutet, dass Tiere am Ende ihres „nützlichen“ Lebens auf Schiffe verladen und zur Schlachtung abtransportiert werden. Die Reise dauert oft Monate, und da die Tiere als bloße Handelsware betrachtet werden, erhalten sie weder ausreichend Nahrung noch Wasser, geschweige denn Medikamente. Diejenigen, die sterben, können einfach über Bord geworfen werden oder verrotten.

Bei den Audits kann ein ganzer landwirtschaftlicher Bereich zertifiziert werden, wobei zur Zertifizierung eine Stichprobe des zertifizierten Bereichs ausreicht. Bei der PETA-Asien-Untersuchung des Responsible Down Certified-Betriebs in Russland wurde den Ermittelnden gesagt, dass die Prüfer:innen das Gebiet kennen würden und sich daher nicht die Mühe machten, die Landwirt:innen zu fragen, wie die Gänse aufgezogen würden. Die Audits der einzelnen Betriebe werden in der Regel angekündigt, damit sich die Betriebe darauf vorbereiten können. Marken müssen ihre eigenen, unangekündigten Audits durchführen, wenn sie sehen wollen, was tatsächlich passiert.

Aber unterm Strich ist der Gewinn immer wichtiger, und die Zusicherungen der Lieferant:innen sind daher bedeutungslos. Die Branche verfügt über eine enorme Macht, und die Möglichkeiten, die Standards genau durchzusetzen, sind begrenzt.

Was kann man tun?

Marken, Einzelhändler:innen, Verbraucher:innen und Verbände müssen zusammenarbeiten. Gerade die Verbraucher:innen sind sich nicht bewusst, wie viel Macht sie haben. Sie können anfangen, in den Geschäften nach gewaltfreien Produkten zu fragen. Dr. Martens ist ein gutes Beispiel - die Gewinne der Marke stiegen sprunghaft an, als sie den ersten veganen Stiefel anbot (zusammen mit Marc Jacobs). Nike kennt die Reichweite veganer Produkte ebenfalls und arbeitete mit Billy Eilish - die vegan ist und PETA unterstützt – an verschiedenen Designs zusammen. Verbraucher:innen sind heutzutage gut informiert und wissen, wo sie die benötigten Informationen finden. Und sollten sie sich nicht sicher sind, gibt es auf unserer Website gewaltfreie Einkaufslisten, Informationen zu Untersuchungen und die PETA-Mall.

Wie sieht es mit dem beliebten Argument aus, dass die Produktkosten steigen würden?

Ja, das Argument hören wir; Unternehmen sagen: „Es würde mehr kosten, gewaltfrei zu produzieren, das müssten wir an die Verbraucher:innen weitergeben“. Aber Studien haben gezeigt, dass sie mehr für Produkte zahlen würden, die mit ihren Werten übereinstimmen.

Und nicht zuletzt: Unterstützt oder finanziert PETA aktiv alternative Materialien?

Man darf nicht vergessen, dass PETA in erster Linie eine Tierschutzorganisation ist. Letzten Endes wissen Unternehmen, welche Materialien sie brauchen; wir sind da keine Expert:innen. Wir werden sie jedoch über alternative Materialien informieren, zum Beispiel gibt es eine Daunenalternative aus Wildblumen. Unternehmen müssen einen Vorsprung haben, was diese Möglichkeiten angeht. Unser Hauptziel ist es, Tiere aus der Lieferkette herauszuhalten. Aber wir vergeben auch Designpreise und Preise für mitfühlende Unternehmen, und es gibt die mit einer Million US-Dollar dotierte Vegan Wool Challenge

Jacqueline Sadashige
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