Online-Expansion ins deutschsprachige Ausland: Das sind die Hürden
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Gleiche Sprache, ähnliche Kulturen – und doch ist die Expansion von deutschen Online-Shops nach Österreich und in die Schweiz problematischer als gedacht.
Für deutsche Online-Händler scheint der Schritt über die Grenze ins deutschsprachige Alpenland ziemlich einfach. Zwar gilt es, zumindest auf rechtlicher Seite, verschiedene Verbraucherschutzgesetze zu beachten, doch das lässt sich mit überschaubarem Aufwand lösen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Österreich und die Schweiz merklich weniger strenge gesetzliche Auflagen kennen als Deutschland. Doch der Teufel steckt bekanntlich im Detail.
Schweizer wollen keine deutschen Klone sein
„Die korrekte Kundenansprache ist das A und O im E-Commerce“, sagt Melisa Hadzic, Leiterin der Internet World Messe in München. Internationaler E-Commerce gehört zu den Schwerpunkten der kommenden Messeveranstaltung. Das heißt, der Schweizer Stolz lässt es z.B. kaum zu, dass er sich mit einem deutschen Klon abspeisen lässt. „Untersuchungen haben gezeigt, dass der Durchschnittsschweizer innerhalb weniger als zehn Sekunden einen Onlineshop negativ bewertet, wenn dieser eine rein deutsche Kopie ist“, so Hadzic weiter. Nur Währung, Mehrwertsteuer und Preis-Darstellung anzupassen, reicht also nicht. Kulturelle Eigenheiten, spezielle Sortiments- und Produktbezeichnungen müssen adaptiert sowie die Ansprache nicht nur im Wording sondern auch in der Tonalität angepasst werden. „Im DACH-Raum reden zwar alle Deutsch, doch in den einzelnen Ländern unterscheiden sich doch so manche Produktbezeichnungen“, erklärt die Expertin. Um den Schweizer Konsumenten also erreichen zu können, muss man seine Sprache sprechen. Und die ist in zwei Dritteln der Schweiz zwar Deutsch, doch es ist ein Deutsch mit Eigenheiten und französischem Einschlag. So ist der deutsche „Rock“ der Schweizer „Jupe“, das deutsche „Fahrrad“ das Schweizer „Velo“ oder das deutsche „Sakko“ der Schweizer „Veston“. Hadzic: „Genau diese Bezeichnungen findet man in gut helvetisierten Onlineshops wieder.“ Auch andere Details differieren: Werden in Österreich und Deutschland die Preise mit der Währung nach der Zahl ausgezeichnet, so gehört das „CHF“ in der Schweiz vor den Preis. Auch die Mehrwertsteuer wird bei den Eidgenossen generell mit „MwSt“ abgekürzt und nicht als Umsatzsteuer bezeichnet. Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen.
Fingerspitzengefühl bei den Zahlungsmitteln
Bei den Zahlungsmitteln gibt es weitere Eigenheiten, die man beachten muss. „In Deutschland sind das Lastschriftverfahren (LSV) oder die Bankeinzugsermächtigung nicht ungewöhnlich“, so Hadzic, „in der Schweiz kennt man beides aber nicht.“ Der Schweizer nutz LSV nicht für Einzeltransaktionen, sondern für wiederkehrende Zahlungen wie Strom, Telefon oder Versicherungen.
Und in keinem der drei DACH-Länder ist der Anteil am Rechnungskauf so hoch wie in der Schweiz. Nach den letzten Erhebungen des Verbandes der Schweizer Versandhändler (VSV) beträgt der Anteil an Rechnungen immer noch mehr als 80 Prozent. „Und jeder Onlineshop-Betreiber weiß, dass der Kauf gegen Rechnung einige Besonderheiten bereithält“, meint Hadzic.
Da ist z.B. die Bonitätsprüfung, die in der Regel von jedem seriösen Onlinehändler angewandt wird aber im Ausland schwerer durchzuführen ist. So sind Beispiele von deutschen Onlinehändlern bekannt, die bei Markteintritt in die Schweiz vielen Kunden trotz guter Bonität die Zahlung gegen Rechnung verweigerten, weil sie deren Bonität nicht validieren konnten. Dies hat wiederum unweigerlich zu Umsatzeinbußen geführt, da bei fehlender Rechnungsoption zahlreiche Kunden den Kauf abgebrochen haben. Und apropos Rechnung; diese wird in der Schweiz nach wie vor mit dem beliebten Einzahlungsschein gestellt und beglichen. Ein Formular, das man im deutsch-sprachigen Ausland weder kennt noch dort beheimatete Onlinehändler systemseitig generieren können.
Unterschiede gibt es auch bei den weiteren Zahlungsmitteln. Zwar sind die großen Kreditkarten ähnlich verbreitet in allen DACH-Ländern, doch bereits bei den Debit-Karten gibt es nennenswerte Unterschiede. Die Schweiz kennt die gelbe Postfinance Karte, welche stark verbreitet ist. In Österreich wiederum kennt man die lokale eps Online-Überweisung oder in Deutschland das Giropay.
Gewichtszoll verursacht Kopfzerbrechen
Aber auch der Versand der Ware stellt vor Allem in die Schweiz eine echte Hürde dar. Melisa Hadzic: „Die Schweiz ist weltweit noch die einzige Handelsnation, die den Gewichtszoll anwendet und beharrlich daran festhält.“
Konkret bedeutet das, dass die Ware nicht nach Wert sondern nach Gewicht verzollt wird. Oder anders gesagt: AboutYou, Outfittery, Zalando & Co müssen jede Jeans, jedes Paar Schuhe, jede Gürtelschnalle und jeden Pullover für die Schweizer Konsumenten wiegen, damit diese Artikel korrekt verzollt werden können. Und damit einher geht natürlich, dass deren Systeme entsprechend ausgerüstet und die Prozesse definiert sind. Die großen deutschen Fashion-Anbieter sind verantwortlich für die Verzollung, Mehrwertsteuer und Retouren-Prozess.
Ganz anders, wenn der Kauf bei einem Onlineshop im Ausland stattfindet, der die Verzollung nicht selbst vornimmt. Da wird der Schweizer Käufer zum Importeur und muss Zoll und Mehrwertsteuer dem Transportdienstleister entrichten. Meist verbunden mit einer Administrationsgebühr die schon mal 20 bis 30 Franken betragen kann. Das sind dann die unliebsamen Überraschungen beim vermeintlichen Schnäppchen-Einkauf. „Diese Hürden spielen eine wichtige Rolle bei der Expansion über die Grenzen hinweg“, sagt Melisa Hadzic. „Man sollte sie nicht unterschätzen, wenn man glaubt, dass man dort vermeintlich die gleiche Sprache spricht.“
Der Cross-Border-E-Commerce gehört deshalb zu den fokussierten Themen auf der kommenden Internet World Messe, die vom 7.bis 8. März 2017 auf dem Messegelände in München stattfinden wird.
Foto: Internet World Messe