Nachhaltige Mode: Das sind die wichtigsten Eco-Siegel und was sie bedeuten
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Die Menge an Öko-Siegeln und Initiativen macht es nicht gerade leicht, den Überblick zu behalten um bewusstere Kaufentscheidungen zu treffen. Wir haben deshalb eine topaktuelle Liste mit den wichtigsten Eco-Siegeln und Zertifikaten zusammengestellt und wofür genau sie stehen.
In Zeiten des Überflusses mangelt es zunehmend an einfachen Wahrheiten. Nehmen wir die Fülle an Siegeln, Initiativen und Organisationen, die in den letzten Jahren im Bereich der Nachhaltigkeit neu entstanden sind. Es gibt Siegel für Produktsicherheit, für nachhaltige Produktion, für Tierwohl, für Recycling, für soziale Verantwortung und sogar Meta-Siegel, die verschiedene Siegel zusammenfassen. All das in jeweils unterschiedlichsten Abstufungen. Zudem verändern sich die Kriterienkataloge der Zertifikate und werden in regelmäßigen Abständen immer wieder angepasst an neueste Erkenntnisse.
Dabei gilt allgemein: Je strenger der Kriterienkatalog eines Siegels, desto besser. Richtig, oder etwa doch nicht? Kritiker halten dagegen, dass sich darauf nur wenige Unternehmen einlassen und fordern deshalb Richtlinien, die weniger streng, dafür aber mehrheitlich anschlussfähig sind. Das zeige in der Gesamtheit mehr Wirkung. Und wer gegen Kriterien verstößt, gehört sofort ausgeschlossen, auch das klingt erstmal richtig, oder etwa doch nicht? Auch hier gibt’s leider keine einfache Antwort: Macht es mehr Sinn, Fehlverhalten sofort auszuschließen oder soll man lieber gemeinsam an einer Verbesserung arbeiten? Hier ist eine Liste der sieben wichtigsten Eco-Siegel für die Mode mit ihren aktuellen Kriterienkatalogen:
1. GOTS: Siegel für biologisch erzeugte Naturfasern
Der Global Organic Textile Standard (GOTS) gehört zu den bekanntesten Textilstandards und gilt als weltweit führend für die Verarbeitung von Textilien aus biologisch erzeugten Naturfasern. Im Jahr 2020 stieg die Anzahl der GOTS-zertifizierten Einrichtungen weltweit um 34 Prozent auf einen neuen Höchststand von 10.388 gegenüber 2019.
Der GOTS ist auf alle Naturfasern anwendbar und nicht nur Baumwolle, auf die der Standard anfangs gerne reduziert wurde. Er deckt Herstellung, Konfektion, Verpackung, Kennzeichnung, Handel und Vertrieb aller Textilien ab, die aus mindestens 70 Prozent kontrolliert biologisch erzeugten Naturfasern bestehen.
Im März 2020 wurde der Kriterienkatalog des GOTS einer Revision unterzogen und die GOTS Version 6.0 veröffentlicht. Darin wurden die sozialen Anforderungen an die Produktionsbetriebe weiter verschärft. Auch hinsichtlich der erlaubten Fasermischungen haben sich neue Möglichkeiten ergeben. Inzwischen dürfen auch Regeneratfasern (synthetisch hergestellte Fasern aus regenerativen Rohstoffen, wie beispielsweise Holz) wie Lyocell oder recycelte synthetische Fasern wie recyceltes Polyester in definierten Mischverhältnissen im Material enthalten sein. Der Anteil beträgt maximal 10 Prozent bei Lyocell und 30 Prozent bei recyceltem Polyester.
Der GOTS ist in zwei Label-Stufen erhältlich: Grundsätzlich können nur Textilprodukte ein GOTS-Label erhalten, wenn sie aus mindestens 70 Prozent biologisch erzeugten Naturfasern bestehen. Das hierfür entwickelte GOTS Siegel trägt dann den Text: „Hergestellt aus x Prozent kbA/kbT Fasern“. Dabei steht kbA als Kürzel für kontrolliert biologischer Anbau, kbT für kontrolliert biologische Tierhaltung.
Sobald ein Produkt aus mindestens 95 Prozent zertifiziert biologisch erzeugten Naturfasern besteht, darf es das GOTS Label „kbA/kbT“ oder „Bio“ bzw. „organic“ tragen, ohne einen Prozentsatz angeben zu müssen.
2. Der Grüne Knopf: ein staatliches Meta-Siegel für Textilien
2019 führte die deutsche Bundesregierung mit dem Grünen Knopf das weltweit erste staatliche Nachhaltigkeits-Label für die Textilherstellung ein. Das Siegel versteht sich als „Metasiegel“, das auf bereits vorhandenen Siegeln aufbaut. Wer den Knopf haben will, muss also zuvor eines oder mehrere der elf vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) anerkannten Referenzsiegel erhalten haben. Zu den bisher zugelassenen Siegeln gehören: Blauer Engel, Fairtrade, Fair Wear Foundation (FWF), Oeko-Tex Made in Green, Bluesign, Cradle-to-Cradle Silver, Global Organic Textile Standard (GOTS), Global Recycled Standard (GRS), Naturtextil IVN zertifiziert BEST, SA 8000 und seit Februar 2021 auch das Siegel Worldwide Responsible Accredited Production (WRAP). Deckt ein Siegel nur soziale Standards ab, wie beispielsweise die Fair Wear Foundation, müssen weitere ökologische Siegel hinzukommen und umgekehrt.
Die Idee hinter dem Gründen Knopf: Mit der Vergabe nur eines Siegels soll eine bessere Übersichtlichkeit für den Verbraucher erreicht werden. Aktuell nutzen laut Website 64 Unternehmen das Siegel (Stand April 2021), darunter beispielsweise Hess Natur, Vaude und Jack Wolfskin.
Wichtig ist: Der Grüne Knopf kann nur vergeben werden, wenn Unternehmen und Produkt einen umfangreichen Kriterienkatalog erfüllen. Beim Unternehmen werden 20 Kriterien überprüft, das Produkt muss 26 Kriterien erfüllen. In der Einführungsphase, die noch bis Mitte 2021 andauern soll, umfasst der Grüne Knopf noch nicht die gesamte Lieferkette, sondern nur die Produktionsstufen „Zuschneiden und Nähen“ sowie „Bleichen und Färben“. In den kommenden Jahren soll der Grüne Knopf auf weitere Arbeitsschritte der textilen Kette ausgeweitet werden.
3. Bluesign Product: Fokus auf die Textilchemie
Die Bluesign Technologies AG wurde 2000 in der Schweiz gegründet und hat ihre Wurzeln in der Textilchemie. Das Unternehmen entwickelte das ganzheitliche „Bluesign System“ basierend auf dem Prinzip des Input Stream Managements. Das heißt, es schließt umweltbelastende Substanzen von Anfang an aus dem Fertigungsprozess aus und kann so eine nachhaltige Produktion sicherstellen. Auf diese Weise hält auch das fertige Produkt strengsten Verbraucherschutzanforderungen weltweit stand. Bluesign betrachtet alle Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Ressourcenverbrauch. Ziel ist die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Die Firmen werden strengen Assessments unterzogen um die produzierten chemischen Produkte, textilen Komponenten und Zubehör zu zertifizieren. Wird ein Produkt aus „Bluesign Approved“ (also von Bluesign zertifizierten) Komponenten hergestellt, darf es mit dem Label „Bluesign Product“ ausgezeichnet werden. Das Bluesign System beschränkt sich weder auf bestimmte Rohstoff- und Fasertypen noch auf einzelne Produktionsschritte oder bestimmte textile Produkte. Mindestens 90 Prozent eines textilen Produkts muss Bluesign-zertifiziert sein, um das Label Bluesign Product tragen zu dürfen. Dazu gehören insbesondere die Innen- und Außenschichten eines Kleidungsstücks einschließlich aller Drucke. Darüber hinaus müssen mindestens 30 Prozent aller Zutaten wie Reißverschlüsse, Knöpfe und Stickereien Bluesign-zertifiziert sein. Die restlichen maximal zehn Prozent der Textilien und 70 Prozent der Zutaten, die nicht Bluesign-zertifiziert sind, müssen die strengen Grenzwerte der Bluesign-Kriterien für Verbraucherschutz erfüllen.
4. Fair Wear Foundation: Lerninitiative für bessere Arbeitsbedingungen
Die Fair Wear Foundation wurde 1999 als eine sogenannte Multi Stakeholder Organisation in Amsterdam gegründet und ist eine gemeinnützige Organisation, die von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Gewerkschaften und Unternehmensverbänden gesteuert wird. Ihr Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der globalen Bekleidungsindustrie. Der Fokus liegt auf der besonders arbeitsintensiven Produktionsstufe der Konfektion, wo die Stoffe zu fertigen Textil-Produkten zusammengenäht werden. Herzstück der Fair Wear ist ein Kodex für Arbeitspraktiken und Arbeitnehmerrechte, der „Code of Labour Practices“, der auf internationalen Standards beruht.
Für die Fair Wear gilt: Dauerhafte Veränderung erfolgt nicht über Nacht. Und „100% faire“ Kleidung bleibt ein Ziel, das sich kaum verwirklichen lässt. Daher konzentriert sich der prozessorientierte Ansatz der Fair Wear auf die praktischen Schritte, die Marken unternehmen können, um Problemen in Fabriken vorzubeugen. Die Organisation vergibt deshalb auch keine Zertifikate, man kann nur Mitglied werden und hat dann die Möglichkeit, mit dem Fair Wear Logo zu werben. Mitglied werden kann jede Marke, die sich den Grundsätzen anschließt und an deren Umsetzung arbeitet. Insofern versteht sich die Fair Wear als Lerninitiative.
Eine dauerhafte Mitgliedschaft ist jedoch daran gekoppelt, wie erfolgreich ein Mitglied den Kodex umsetzt. Wer Grundvoraussetzungen nicht erfüllt oder Mängel innerhalb einer Frist nicht behebt, verliert die Mitgliedschaft. Gleichzeitig können besonders engagierte Mitglieder einen „Leader Status“ erreichen und damit werben. Alle Brands werden mit den Ergebnissen ihrer Audits auf der Website veröffentlicht.
5. Der Responsible Down Standard: Daunen und Tierwohl
Der Responsible Down Standard (RDS) wurde 2014 ins Leben gerufen und gehört heute zu den am meisten genutzten Daunen-Standards in der Bekleidungsindustrie. Ursprünglich von The North Face initiiert, ist heute die Non-Profit-Organisation Textile Exchange für die Vergabe und Weiterentwicklung verantwortlich. Das Siegel adressiert ausschließlich den Aspekt Tierwohl. Er soll sicherstellen, dass Enten und Gänse, von denen Daunen gewonnen werden, gemäß diverser Tierwohl-Kriterien gehalten werden.
So dürfen die Daunen ausschließlich aus Schlachtrupf gewonnen werden, stammen also nur von toten Tieren. Lebendrupf ist verboten. Die Tiere müssen unter tierleidfreien Umständen gehalten und dürfen nicht zwangsgefüttert werden, was vor allem ein Problem ist in Ländern, die Stopfmast erlauben. Seit der Revision 2019 müssen die Tiere vor der Schlachtung außerdem betäubt werden. Zudem sollen jetzt auch die Zuchtfarmen, in denen die Elterntiere gehalten werden, in die Kontrolle mitaufgenommen werden. Diese miteinzubeziehen macht Sinn, weil vor allem die Elterntiere aufgrund ihrer längeren Lebensdauer vom Lebendrupf bedroht sind. Nur Produkte, die zu 100 Prozent RDS Daunen beinhalten, dürfen das Siegel tragen.
Ein RDS-Zertifikat ist 14 Monate lang gültig und wird innerhalb dieser Zeit durch angekündigte und unangekündigte Kontrollen überprüft. Die Kriterien und Ansprüche des Standards sind detailliert online zugänglich. Weltweit wurden bereits über 900 große und kleine Farmen zertifiziert. Über 500 Millionen Tiere sind davon betroffen.
6. Der Responsible Wool Standard: Ein Tierwohl-Standard für die Schafzucht
Der Responsible Wool Standard (RWS) wurde 2016 von der gemeinnützigen Organisation Textile Exchange gelauncht und geht zurück auf eine Initiative von Textile Exchange und H&M. Das Zertifikat soll das Tierwohl der Wollschafe garantieren und sagt nichts über die Weiterverarbeitung der Wolle aus. Das Siegel deckt dabei verschiedene Bereiche ab, wobei sich die Schwerpunkte auf den Tierschutz, die nachhaltige Bewirtschaftung und den Schutz der Böden sowie die volle Transparenz in der Lieferkette mit einem integrierten System der Rückverfolgbarkeit beziehen. Im Bereich Tierschutz verbietet der Standard beispielsweise die besonders umstrittene Praxis des Mulesing.
Der Anwendungsbereich des RWS umfasst die gesamte Wertschöpfungskette: von den Farmen zu den Woll-Produzenten und Bekleidungsfabriken. Dabei geht es in erster Linie um die Rückverfolgbarkeit, nicht darum, wie die Wolle in der Wertschöpfungskette weiterverarbeitet wird.
7. Global Recycle Standard: Transparenz für recycelte Materialien
Der Global Recycle Standard (GRS) ist ein Produktstandard, der die Zusammensetzung von Produkten kontrolliert, die aus recycelten Materialien hergestellt wurden. Ziel ist es, höhere Prozentsätze des Recyclinganteils in den Produkten zu erreichen und die Zusammensetzung transparenter zu machen. Entstanden ist das Siegel 2008, seit 2011 ist die Non-Profit-Organisation Textile Exchange die neue Eigentümerin.
Der GRS stellt die Rückverfolgbarkeit der recycelten Materialien sicher und verifiziert ihre Zusammensetzung. Er stellt zudem Anforderungen an die Produktion, um schädliche Auswirkungen auf Mensch und Umwelt zu verringern. Jede Produktionsstufe muss zertifiziert werden, beginnend mit der Recyclingstufe und endend mit dem letzten Verkäufer in der letzten Business-to-Business-Transaktion.
Das Siegel des GRS darf bei Endprodukten wie Kleidungsstücken oder Heimtextilien verwendet werden, wenn diese zu mindestens 20 Prozent aus recycelten Materialien bestehen.