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Mut zur eigenen Produktion: Warum Maloja auf europäische Fertigung setzt

Die meisten Fashion- und Sportmarken vergeben die Produktion ihrer Kollektionen an externe Betriebe – vor allem nach Asien. Auch bei der Sport- und Lifestyle Marke Maloja aus Rimsting in Bayern war das lange so. Bis das Unternehmen 2014 in den Aufbau einer eigenen Fertigung in Bulgarien investiert hat. 2024 ist noch die Fenix Outdoor International Gruppe eingestiegen, zu der beispielsweise Marken wir Fjällräven, Hanwag und Globetrotter gehören.

Was nach einem Schritt zurück klingt, ist in Wahrheit eine strategische Investition in Zukunftsfähigkeit, Flexibilität und Know-how. Denn während viele Unternehmen in den letzten Jahren unter gestörten Lieferketten, langen Transportwegen und Abhängigkeiten von asiatischen Produktionsstandorten litten, profitiert Maloja von der Nähe zur eigenen Produktionsstätte. Als Produzent verfügt es zudem über ein tiefes Verständnis für Herstellungsprozesse und für technische Innovationen, die im Sportbereich von so großer Bedeutung sind.

Im Interview mit FashionUnited sprechen Klaus Haas, Mit-Gründer und Co-CEO von Maloja, und Sven Köhler, CEO der Produktionsstätte Viomoda in Bulgarien, über den Mut zur Eigenproduktion, über die Chancen europäischer Fertigung und darüber, warum gerade Sportbekleidungsunternehmen von einer stärkeren Verzahnung von Produktentwicklung und Produktion profitieren – und warum Maloja überzeugt ist, dass nachhaltiger Erfolg nicht nur vom Design, sondern auch vom Verständnis der eigenen Produktion abhängt.

Klaus Haas, einer der Gründer und Co-CEO von Maloja. Credits: Maloja

Herr Haas, Sie haben vor einigen Jahren einen Teil der Produktion selbst in Hand genommen. Warum und wie kam es dazu?

Haas: Wir sind 2014 in Bulgarien mit der eigenen Produktion gestartet, gemeinsam mit einem Partner, der schon lange in diesem Business war und mit dem wir bereits seit Jahren zusammengearbeitet haben. Nachdem dieser Partner 2018 verstorben ist, haben wir uns entschlossen, die Produktion vollständig zu übernehmen. Im letzten Jahr, also 2024, ist dann die Fenix Gruppe mit 49 Prozent eingestiegen.

Wie kam es zu der Kooperation mit Fenix? Was waren Ihre Gründe dafür?

Köhler: Wir brauchen eine bestimmte Betriebsgröße, um eine Produktion wirtschaftlich betreiben zu können. Der Standort in Bulgarien ist nur für uns alleine zu groß. Daher ist es sehr hilfreich, einen festen Partner wie Fenix zu haben, mit dem man sich gemeinsam weiterentwickeln kann. Wir arbeiten sehr vertrauensvoll miteinander und haben keine Berührungsängste, weil wir uns womöglich als Wettbewerb sehen. Das ist gar nicht der Fall.

Wie viele Menschen arbeiten dort und für wen produzieren Sie dort?

Haas: In unserem Werk in Bulgarien sind derzeit etwa 280 Mitarbeitende beschäftigt. Wir produzieren dort vor allem für Maloja und die Fenix Gruppe sowie für zwei weitere kleinere Marken, mit denen wir schon lange zusammenarbeiten und mit denen wir uns verbunden fühlen. Darüber hinaus gibt es Sonderaufträge, beispielsweise für Unternehmensbekleidung oder öffentliche Aufträge, bei denen europäische Produktion gefordert ist.

Zu wie viel Prozent lasten Sie das Werk nur mit Maloja aus?

Haas: Das schwankt immer ein bisschen, aber ich denke es liegt zwischen 25 und 30 Prozent.

Bikekollektion FW2025 von Maloja. Credits: Maloja

Was produzieren Sie dort? Gibt es eine Spezialisierung?

Köhler: Wir haben eine sehr große Flexibilität hinsichtlich des Know-hows und des Maschinenparks und können von der Funktionsunterwäsche über Radbekleidung bis hin zur komplett getapten Dreilagenjacke alles produzieren. Das ist Fluch und Segen zugleich: Einerseits ist es ein Segen, weil man sehr flexibel unterschiedlichste Produkte herstellen kann. Gleichzeitig ist ein geringer Grad an Spezialisierung auch ein kostentechnischer Nachteil, da die Produktivität geringer ist.

Haas: Als europäischer Produzent hat sich jedoch gezeigt, dass genau diese Strategie, diese große Flexibilität, in solchen Phasen, wie wir sie die letzten Jahre hatten, hilfreich ist. Europäische Produzenten, die nur auf eine Produktgruppe spezialisiert waren, haben entweder vieles richtig gemacht und sind trotzdem perfekt ausgelastet oder – und davon gibt es viele – sie haben massive Schwierigkeiten bekommen, weil sie ihre komplette Mannschaft, ihren kompletten Maschinenpark und ihre gesamte Organisation auf nur ein Produkt ausgerichtet haben. Wenn die Aufträge für diese eine Produktgruppe wegbrechen, kann man nicht schnell umsatteln. Diese Flexibilität war in den letzten Jahren unser großer Vorteil.

Sven Köhler, CEO von Viomoda in Bulgarien. Credits: Maloja

Sie sprechen von den gestörten Lieferketten in den letzten Jahren, richtig?

Köhler: Ja, und mit einer eigenen Produktion ist man flexibler. In Zeiten wie diesen, in denen es wenige Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Dinge künftig stabiler laufen, kann man schneller reagieren. Wenn die Produktion in Asien gerade nicht funktioniert, kann man sie im eigenen Betrieb durchführen, weil man über die entsprechende Kompetenz verfügt. Preislich erreicht man vielleicht nicht immer das gleiche Niveau, weil die Lohnkosten in Bulgarien höher sind, aber ich habe zumindest die Möglichkeit, diese Aufträge schnell von A nach B zu verschieben und verliere sie nicht komplett.

Haas: Wenn ich einen eigenen Einzelhandel habe – und auf Fenix trifft das ja zu –, ist das noch wichtiger. Und natürlich kann ich schnell auf die Marktnachfrage reagieren. Wir haben derzeit bis zu zehn Wochen Frachtzeit, wenn wir aus Fernost Ware nach Europa bringen müssen. Auch die Lead Times sind in Asien völlig anders als hier. Das sind echte Vorteile. Gleichzeitig ist auch klar, dass Situationen wie nach der Pandemie, als wir noch deutlich mehr für andere Marken produziert haben und die dann plötzlich weggefallen sind, auch herausfordernd sein können.

Gerade während der Pandemie wurde Nearshoring wieder mehr besprochen, um die Probleme in den globalen Lieferketten zu minimieren. Ist das Interesse an Nearshoring erloschen?

Haas: Grundsätzlich gibt es das Interesse nach wie vor. Die Schwierigkeit ist aber hauptsächlich die, dass viele Firmen ihre Supply Chain aufgrund von Margendruck speziell ab 2023 nahezu vollkommen nach Asien verlagert und heute keine Supply Chain mehr in Europa haben. Das heißt, sie bekommen diesen Wechsel zurück gar nicht mehr hin und kommen auch mit den Preisen hier nicht klar. Für Firmen, die sämtliche Materialien in Asien sourcen, ist es nahezu unmöglich, wieder zurückzukommen. Was allerdings wieder stärker nach Europa zurückkommt sind die Themen Corporate Fashion und öffentliche Ausschreibungen. Das wird für europäische Produzenten zunehmend interessant.

Was war für Maloja der Hauptgrund, dieses Risiko der eigenen Produktion einzugehen?

Haas: Uns interessierte die Flexibilität und die Qualität, die wir in der Form woanders nicht haben, und die gerade für sehr spezielle Produkte – wie etwa Bikeshorts oder Dreilagenjacken – sehr viel Sinn ergeben. Es gibt auch noch einen zweiten Punkt, den man nicht vernachlässigen darf, und der erst langfristig zum Tragen kommt: Das Verständnis für Produktion. Wenn wir in die Zukunft denken, dann sind wir fest davon überzeugt, dass wir die Produktentwicklung im eigenen Haus und die Produktion noch viel mehr verzahnen müssen, um effizienter zu werden. Und so etwas lässt sich natürlich innerhalb eigener Betriebe viel besser realisieren.

Maloja Streetwear Kollektion FW2025. Credits: Maloja

Was meinen Sie mit Verzahnung von Produktentwicklung und Produktion?

Haas: Dieser Aspekt ist wahrscheinlich mit das höchste Asset einer eigenen Produktion. Man versteht viel mehr von Produktion und kann dieses Wissen nutzen, um Produkte anders zu entwickeln, nämlich mehr produktionsbezogen. Man weiß schon, welche Komplexität man gut lösen kann und welche sehr umständlich ist. Allein das hilft uns Optimierungen vorzunehmen, die wir sonst nicht hätten. Das ist deshalb wichtig, weil in den letzten Jahren die Produktionskosten sehr viel teurer geworden sind, wir diese Preissteigerungen aber nicht auf die Produktpreise umlegen konnten. Seit der Pandemie sind die Personalkosten in Europa zwischen 30 und 40 Prozent gestiegen – gerade in Osteuropa. Durch die Optimierungen können wir unsere Marge halten, ohne dass die Qualität darunter leidet.

Ist diese stärkere Verzahnung mit der Produktion auch für technische Innovationen relevant, die im Sport ja wichtiger sind als in der Mode? Macht es für Sportmarken mehr Sinn, in eine eigene Produktion zu investieren?

Sven Köhler: Wenn man die letzten Jahre betrachtet, glaube ich, dass es in der Sportindustrie mehr Innovationen gab als in der Mode, auch wenn die natürlich auch komplex ist. Aber ich denke, wir verwenden mehr neue Materialien und Techniken. Und um diese neuen Technologien wie Laser, Ultraschall, Bonding und Taping richtig einzusetzen, ist viel Know-how erforderlich. Ich muss wissen, mit welchen Materialien diese Technologien funktionieren und wie das Produkt gestaltet sein muss. Wir haben ein Setup, wo wir unter Laborbedingungen verschiedene Dinge ausprobieren können, die uns dann helfen, Innovationen voranzutreiben. Mit externen Produzenten ist das viel schwieriger. Zumal diese innovativen Produkte meistens erstmal nicht die riesigen Stückzahlen bringen.

Ich glaube also, von der technischen Komplexität hat sich in den letzten Jahren im Sport mehr entwickelt als im durchschnittlichen Fashion-Bereich.

Viomoda in Bulgarien. Credits: Maloja

Wie viel Prozent Ihrer Kollektion produzieren Sie in Bulgarien?

Haas: Gemessen an der Stückzahl etwa 30 Prozent.

Hat sich die Strategie rückblickend bewährt, dass Sie selbst Produzent geworden sind?

Haas: Ja, wir sehen vor allem drei Vorteile: Für uns ergibt es Sinn für Produkte, die sehr viel Know-how und Technologie erforderlich machen. Und es ergibt Sinn bei Stoffen, die aus Europa kommen, insbesondere sehr hochwertige Stoffe aus Italien. Außerdem wäre es nicht sehr nachhaltig, diese Stoffe erst nach Asien zu schicken und die Produkte dann in Europa zu verkaufen. Drittens, wie eben erwähnt, können wir schneller auf Marktveränderungen reagieren, wobei wir das als Marke derzeit nicht nutzen, weil wir keine eigenen Geschäfte haben. Bei Fenix sieht das anders aus.

Wie teuer ist die Produktion in Bulgarien im Vergleich zu Asien?

Köhler: Die Nähminute ist in Osteuropa vielleicht dreimal so teuer wie in Vietnam und wahrscheinlich sieben bis achtmal so teuer wie in Bangladesch. Sehr lohnintensive Produkte werden daher größtenteils in Asien produziert. Aber wenn die Stoffe aus Europa kommen und sehr hochwertig sind und die Arbeitsleistung aufgrund des Produktes nicht sehr hoch ist, ist es betriebswirtschaftlich sehr sinnvoll, es hier zu produzieren.

Wenn die Löhne in den letzten Jahren so stark gestiegen sind, wie kompensieren Sie das? Mein Stichwort wäre beispielsweise Automation.

Haas: Im Moment sind wir noch sehr flexibel, aber wir merken, hier und da benötigen wir in Zukunft mehr Spezialisierung. Wir sind gerade dabei, das zu definieren.

Köhler: Wenn die Löhne steigen, gibt es verschiedene Hebel. Man kann in Automatisierung investieren, damit bestimmte Verarbeitungen nicht mehr abhängig von den Fähigkeiten der Mitarbeitenden sind, sondern die Maschine den Großteil übernimmt. Das funktioniert aber nur in bestimmten Bereichen, und es bedeutet auch, dass ich meine Produkte dahingehend entwickeln muss. Wir haben in Bulgarien beispielsweise in einen Reißverschlussautomaten investiert, mit dem wir Reißverschlusstaschen inklusive Taschenbeutel in einer Minute nähen können – was sonst vier bis fünf Minuten dauert. Das heißt, ich bin zwar viel schneller, aber ich habe auch eine gewisse Einschränkung, weil die Maschine nicht jede Art von Reißverschlusstasche machen kann. Also müssen wir das bei der Produktentwicklung berücksichtigen, damit wir tatsächlich eine höhere Produktivität und bessere Preise erreichen. Diese Verbindung zwischen Produktentwicklung und Produktion ist uns wichtig.

Wir sind auch dabei, in 3D zu entwickeln und automatische Schnittprogramme zu generieren, was Zeit einspart und wiederum bewirkt, dass Entwicklung und Produktion stärker zusammenrücken. In dieser Richtung wird sich in den nächsten Jahren noch einiges tun, und da ein besseres Verständnis zu haben, ist auf jeden Fall ein großer Vorteil.

Maloja Streetwear FW2025. Credits: Maloja

Wie weit ist die Automatisierung überhaupt in der Bekleidungsproduktion?

Köhler: Man muss das genau überlegen. Ein Denimhersteller kann die Produktion von Gürtelschlaufen oder Gesäßtaschen automatisieren, weil sich die nicht ändern. Im Sport haben wir aber kaum solche standardisierten Produkte, die sich über Jahre nicht verändern. Aber es gibt auch Automaten, die sich umrüsten lassen und daher etwas flexibler einsetzbar sind.

Haas: Das ist auf jeden Fall etwas, womit man sich beschäftigen muss, denn die ausgebildeten Näher:innen werden in Europa nicht mehr werden. Sie werden eher weniger. Gleichzeitig werden die Löhne weiter hochgehen. Also muss ich unabhängiger werden von den Fähigkeiten der Näher:innen. Es wird mittelfristig wahrscheinlich so sein, dass ich extrem gut ausgebildete Näher:innen habe, die über Fertigkeiten verfügen, die keine Maschine abbilden kann und die dann auch das entsprechende Gehalt bekommen. Gleichzeitig muss ich die einfachen Prozesse so standardisieren, dass sie auch von unausgebildeten Personen und/oder Maschinen ausgeführt werden können.

Köhler: Diese Entwicklung betrifft übrigens nicht nur Europa, sondern auch Länder, wie etwa China. Auch in China sind die Löhne sehr hoch und die Anzahl der verfügbaren Arbeitskräfte sinkt. Aber insgesamt bewegen wir uns bei der Automatisierung immer noch auf einem überschaubaren Level. Noch ist die Bekleidung im Wesentlichen Handarbeit.

Maloja produziert einen Teil der Kollektion im eigenen Werk in Bulgarien Credits: Maloja

Könnte man dann etwas ketzerisch sagen, dass die Bekleidung immer unkomplexer wird, weil es produktions- und kostentechnisch notwendig ist?

Köhler: Nein, das glaube ich nicht. Die Automatisierung, über die wir sprechen, beeinflusst das Erscheinungsbild des Produktes nur bedingt. Wir reden über Taschenlösungen, über Reißverschlussverarbeitungen, die das Produkt nicht weniger individuell oder weniger komplex machen. Das glaube ich nicht.

Wie ist aktuell die Situation mit Arbeitskräften in der Textilindustrie in Bulgarien? Ist es in Bulgarien schwierig, Arbeitskräfte zu finden?

Köhler: In den letzten Jahren war es schwierig, es gab nahezu keine Arbeitslosigkeit. Aber viele Betriebe haben zugemacht in der Pandemie oder aufgrund von deren Nachwirkungen. Deswegen sind heute wieder Näher:innen auf Jobsuche. Aber langfristig wird es schwieriger werden. Vor allem junge Leute zu gewinnen ist extrem schwer.

Wir hatten eine Kooperation mit einer Textilschule in Bulgarien, auch in der Hoffnung, darüber neue Fachkräfte zu finden. Aber letztlich ist das Projekt gescheitert. Von insgesamt 20 Schüler:innen sind drei zu uns gekommen, und die gehen jetzt auch wieder, weil sie andere Ziele haben. Dabei stehen die Chancen langfristig sehr gut im Textilbereich für junge Leute. In zehn bis 15 Jahren werden sie sich Jobs auf der ganzen Welt aussuchen können.

Maloja Streetwear FW2025. Credits: Maloja

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