Modehandel in der Krise - Immer mehr Fachhändler müssen aufgeben
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Online-Händler, Textil-Discounter und internationale Modeketten wirbeln die Strukturen im deutschen Modehandel durcheinander. Das bringt immer mehr traditionsreiche Modehäuser in Schwierigkeiten. Der jüngste Fall: Das mehr als 80 Jahre alte Nürnberger Familienunternehmen Wöhrl mit seinen 34 Modehäusern muss sich in ein Schutzschirmverfahren retten. Durch eine Sanierung in Eigenregie soll eine drohende Insolvenz verhindert werden.
Sinkende Umsätze und steigende Verluste drohen dem 1933 gegründeten Familienunternehmen die Luft zum Atmen zu nehmen. Doch Wöhrl ist mit solchen Problemen nicht allein. Der Deutschland-Chef des Kreditversicherers Euler Hermes, Ron van het Hof, warnte erst kürzlich, das Insolvenzrisiko sei zuletzt in der deutschen Textilbranche "besonders stark" gestiegen.
Es sind stürmische Zeiten für den deutschen Modehandel. Das Branchen-Fachblatt "Textilwirtschaft" fand in seiner jüngsten Ausgabe drastische Worte für die Stimmung unter den Händlern: "Der Markt brennt." Die Zahl der selbstständigen Textilhändler hat sich seit der Jahrtausendwende fast halbiert, schätzt der Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE) - von damals mehr als 35 000 auf aktuell rund 18 000 Unternehmen. Stattdessen boomen Online-Händler wie Zalando, internationale Ketten wie H&M und Textil-Discounter wie Primark oder KiK.
Im mittelständischen Modefachhandel sanken die Umsätze im ersten Halbjahr 2016 nach Angaben des Branchenverbandes BTE um durchschnittlich rund ein bis zwei Prozent. Und eine Trendwende ist eher nicht in Sicht. Denn immer mehr Verbraucher kaufen Hosen, Kleider und Mäntel im Internet.
Nach Angaben des E-Commerce-Verbandes bevh stiegen die Online-Umsätze mit Bekleidung im vergangenen Jahr um 18 Prozent auf über 10 Milliarden Euro. Davon profitieren reine Internethändler wie Amazon und Zalando, aber auch Unternehmen wie H&M oder Bonprix, die auf mehreren Kanälen verkaufen. Verlierer sind vor allem kleinere Händler, die sich kein attraktives Online-Standbein leisten können. Jeder Euro, der online ausgegeben werde, mache es für sie schwieriger, die Kosten für Mieten und Personal zu erwirtschaften, sagte die Handelsexpertin Kerstin Lehmann von OC&C Strategy Consultants.
Auch mit dem Tempo und den Preisen der straff durchorganisierten Ketten können viele etablierte Händler in den Fußgängerzonen nicht mithalten. "Wir tun uns schwer in den Großstädten, wo viel Konkurrenz ist", sagt auch der neue Wöhrl-Vorstandschef Andreas E. Mach.
Wir müssen intelligenter und modischer einkaufen
Für das Nürnberger Traditionshaus kommt noch ein weiteres Problem hinzu: "Unser Sortiment ist für den Internethandel nicht besonders attraktiv", sagt Mach. Es bestehe überwiegend aus deutschen Marken. "Das kann man überall kaufen. Dafür braucht es keinen Wöhrl-Onlineshop." Daher sei so ein Angebot auch weiterhin nicht geplant. Die Franken wollen stattdessen ihr Beratungsangebot verstärken - per Internet und Telefon. Auch das Sortiment müsse attraktiver werden, betont Mach: "Wir müssen intelligenter und modischer einkaufen." Kürzlich hatte sich das Unternehmen daher von seinem bisherigen Einkaufsvorstand getrennt.
Auch für den Enkel des Firmen-Gründers und bisherigen Vorstandschef Olivier Wöhrl wurde nun eine neue Aufgabe gefunden. Laut einem Bericht der "Textilwirtschaft" hatte es immer wieder Gerüchte um eine Quasi-Entmachtung von Olivier Wöhrl gegeben, sowie Kritik an den Führungsqualitäten des Maschinenbau-Ingenieurs. Nun soll er sich in einer neu geschaffenen Funktion im Vorstand um die "strategische Weiterentwicklung des Geschäftsmodells" kümmern. Zudem solle er als "Familienmitglied überwachen, dass es im Sinne der Familie weitergeht", sagte Mach.
Aufgrund des deutschen Insolvenzrechts könnte es jedoch sein, dass die Familie Wöhrl am Ende des Schutzschirmverfahrens beim Modeunternehmen außen vor ist. Das hänge jedoch stark von einem potenziellen neuen Investor und dessen Vorstellungen ab, heißt es.
Foto: WÖHRL