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Mode und Nachhaltigkeit im Jahr 2023

Von Simone Preuss

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Business

Maßgeschneidertes Kleid aus Vintage-Material des britischen Slow-Fashion-Labels Couture To Your Door. Bild: Couture To Your Door

Bereits seit fünf Jahren stellt FashionUnited Monat für Monat die Bemühungen der Modebranche um mehr Nachhaltigkeit zusammen. Anlass genug, den Blick auch durch die Jahre schweifen zu lassen, bevor das Fazit für 2023 gezogen wird.

Während 2019 ganz von individuellen Anstrengungen gezeichnet war und etwa recycelbare und umweltfreundlichere Produkte im Sport- und Denimbereich hervorbrachte, ging es 2020 zunächst dank der Corona-Pandemie eher um das nackte Überleben als um Nachhaltigkeit. Dies änderte sich aber bereits in der zweiten Jahreshälfte, als Nachhaltigkeit als ein Weg aus der Krise gesehen wurde und Marken, Einzelhändler:innen und anderen Branchenakteur:innen ihre Bemühungen verstärkten. Die allgemeine Verlangsamung der Branche, die gefordert wurde, war leider kurzlebig.

2021 war noch stark von der Pandemie gezeichnet, die Branche merkte jedoch, dass Einzelkämpfer:innen nicht weit kommen - der Ruf nach Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit wurde lauter. Die Mitgliedschaft in brancheninternen und branchenübergreifenden Bündnissen sollte jedoch kein Ersatz für Bemühungen auf individueller Ebene sein; ebenso haben halbherzige Initiativen oder nur vermeintlich nachhaltige kaum noch Bestand - „Greenwashing” etablierte sich als Begriff und „Greenwasher” wurden geoutet.

Diese Tendenz setzte sich auch im Jahr 2022 fort. Die Beschönigung von Aktionen, Projekten oder Initiativen als „grün“, wenn sie es gar nicht sind, wurde nicht mehr akzeptiert, auch wenn sie aus Unwissenheit geschahen. Forderungen nach rechtlichen Schritten gegen Greenwashing wurden stärker. Zudem setzt die Branche angesichts wachsender Kleider- und Textilberge stärker auf Textil- zu-Textil-Recycling beziehungsweise in Technologien, die das Thema mechanisch und chemisch angehen können.

Jahresrückblick Nachhaltigkeit 2023

Handarbeit im Rahmen der Ausstellung „Continue This Thread“. Bild: Francoise Bolechowski / Amsterdam Museum

Dies bringt uns ins Jahr 2023, das von Extremen geprägt war - statt einer allgemeinen Verlangsamung der Branche hat sich diese weiter aufgespalten mit Ultra-Fast-Fashion auf der einen Seite, die die Produktion noch beschleunigt, und Ultra-Slow-Fashion auf der anderen Seite, die nicht nur weniger produziert, sondern auch zum Nicht-Konsum und Initiativen wie Reparatur, Tausch und Wiederverkauf aufruft - der Green Friday ist hier ein Trend.

Gemeinsame Initiativen stehen weiterhin hoch im Kurs, da die Branche erkannt hat, dass sie zusammen stärker ist und mehr bewegen kann, dazu gehört auch eine größere Transparenz. Am 1. Januar 2023 trat in Deutschland auch des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft, das garantieren soll, dass Unternehmen nicht etwa von Kinder- und Zwangsarbeit und anderen Missständen bei ihren Zulieferbetrieben profitieren. Die europäische Regelung steht mit dem bevorstehenden EU-Lieferkettengesetz kurz vor der Vollendung. Allgemein wird der Ruf nach mehr gesetzlicher Regelung im Punkto Nachhaltigkeit laut. Wie es dazu kam? Verfolgen Sie die Entwicklungen im Jahresrückblick 2023.

Dezember

Der Dezember wurde unter anderem durch die Klimakonferenz COP28 dominiert, auf der mehr Nachhaltigkeit und Innovationen in der Modebranche diskutiert wurden. Verschiedene Studien nahmen vermeintlich nachhaltige Initiativen wie Biomasse und Textilsammlungen zu Recyclingzwecken unter die Lupe. Auf Gesetzesebene sollte die Branche Umweltklagen und künftige Gesetzesvorschläge zu Umweltansprüchen ernst nehmen und es wurde eine Einigung zum Vernichtungsverbot unverkaufter Kleidung in der EU erzielt.

November

Im November fielen Anstrengungen der Branche auf, transparenter zu werden - etwa durch bestimmte Standards, aber auch durch klarere Kommunikation auf Markenseite, was zum Beispiel die wahren Kosten eines Kleidungsstücks angeht. Verbrauchende hingegen scheinen immer weniger auf den Aspekt Nachhaltigkeit beim Einkauf zu achten.

Verschiedene Branchenveranstaltungen widmeten sich der Nachhaltigkeit beziehungsweise der Kreislaufwirtschaft und der Black Friday wird immer mehr zum Green Friday - mehr und mehr Marken nehmen Teil. Zudem besuchte FashionUnited auch eine Textilrecyclinganlage im niederländischen Wormerveer.

Oktober

Im Oktober gab es einige interessante Denkanstösse, die die Branche zum Pausieren einluden. So schlugen etwa Verhaltenswissenschaftler:innen der Universität von Amsterdam und der Hochschule von Amsterdam der niederländischen Regierung vor, Werbung für Fast Fashion zu verbieten.

In Kalifornien verpflichtet ein neues Gesetz Großunternehmen, ihre Treibhausgasemissionen offenzulegen - allerdings erst ab 2026. In einem Hintergrundartikel wurde dargelegt, was die Modeindustrie mit der Verschmutzung durch Mikroplastik zu tun hat und was man über die EU-Initiativen zur Bekämpfung von Mikroplastik wissen sollte.

September

Im September stachen neben Messen wie dem Fashion Transparency Summit, Preisen wie dem Sustainable Fashion Award, Marken-Initiativen und Partnerschaften zum Thema Nachhaltigkeit zwei individuelle Anstrengungen hervor: Alex Dabagh, Gründer des New Yorker Taschenlabels Anybag, will durch die Wiederverwendung von Einwegplastik die Textilherstellung revolutionieren, und Unternehmer Thomas Hebenstreit will mit seinem Hemdenlabel The Shirt Dandy mit europäischem Know-how und indischer Schneiderei den Hemdenmarkt in Indien umkrempeln.Verbraucher:innen in der EU sollen zudem künftig besser erkennen können, ob ein Produkt nachhaltig ist und wie leicht es sich reparieren lässt.

August

Der August war von individuelle Anstrengungen und Innovationen im Rahmen der Green Product Awards geprägt sowie von Partnerschaften — etwa zwischen Under Armour und Hemp Black beziehungsweise Soex und Circular Republic. Die Umweltbewusstseinsstudie 2022 fand heraus, dass die Mehrheit der Deutschen sich des Klimawandels bewusst ist und die Bekämpfung von Plastikmüll für eine zentrale Aufgabe hält. Immer mehr Unternehmen sagen zudem ‘nein’ zu Känguruleder - etwa Nike, Adidas und bald auch Puma.

Auch der Trend Minimalismus/ Genügsamkeit bewgte die Gemüter, der derzeit zum Ausmisten anregt, besonders was die Garderobe angeht. Expert:innen raten jedoch, dass Minimalismus vom Privatvergnügen zum Phänomen werden sollte, so dass sich auch im Großen etwas ändert.

Juli

Während der Juli mit warmen Sommerwetter lockte, enthüllte er im Bereich Nachhaltigkeit einige unangenehme Wahrheiten: So stellte der Europäischen Rechnungshof fest, dass der Übergang zur Kreislaufwirtschaft trotz der zehn Milliarden Euro, die den EU-Mitgliedstaaten zur Förderung der Kreislaufwirtschaft zur Verfügung gestellt wurden, praktisch zum Stillstand gekommen sei.

Die Europäische Kommission veröffentlichte eine aktualisierte Abfallrahmenrichtlinie (Waste Framework Directive, WFR) mit Schwerpunkt auf Textilabfällen. Diese soll die getrennte Sammlung von Textilabfällen unterstützen, die in der EU ab 2025 obligatorisch sein wird, und fördert Kreislauf-Textiltechnologien wie das Faser-zu-Faser-Recycling. Sie ist jedoch nicht weitreichend genug und setzt keine spezifischen Ziele für die Wiederverwendung und das Recycling, was die Changing Markets Foundation eine „verpasste Chance“ nennt.

Auch die Lederdiskussion flammte im Juli wieder auf: Während die Desserto-Erfinder Adrián López Velarde und Marte Cázarez Duarte ihre Lederalternative aus Kakteen (Nopal) weiterentwickelten und das erste vegane ‘Leder’ auf Agavenbasis vorstellten, führte FashionUnited eine Diskussion mit einem Experten zum Thema Leder und Nachhaltigkeit. Im Interview mit PETA stellte sich heraus, dass beim Gebrauch von Tierprodukten Tierquälerei schon vorprogrammiert ist.

Juni

Der Juni stand ganz im Zeichen des Informationsaustausches - über neue Materialien, die EU-Gesetzgebung und Vorreiter:innen wie Allbirds, Freitag und Arda Biomaterials, die das Thema Nachhaltigkeit in der Textil- und Bekleidungsbranche vorantreiben. Auch auf dem Global Fashion Summit kam Nachhaltigkeit nicht zu kurz. FashionUnited stellte die Gesetzesinitiativen des Europäischen Parlaments zusammen, die gegen die negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Branche vorgehen sollen.

Mai

Der Mai war von Recycling- und Upcycling-Initiativen der Marken Nat-2, Aku und DBL Böge und Textilinnovation von TomTex und UPM Biochemicals sowie einem neuen Standard der Textile Exchange geprägt. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace veröffentlichte zudem eine Greenwashing-Studie, um zu überprüfen, wie nachhaltig die Branche samt ihren Marken und Einzelhandelsunternehmen wirklich ist. Verschieden europäische Städte unterzeichneten am Ende des Monats eine Erklärung gegen Fast Fashion.

April

Der April stellte sich als einer der aktivsten und vielversprechendsten Monate des Jahres heraus. Er stand ganz im Zeichen des Tages der Erde am 20. April, der Fashion Revolution Week, die an den zehnten Jahrestag des Einsturzes des Rana Plaza-Gebäudes in Bangladesch am 24. April 2013 erinnerte, und dem World Retail Congress vom 25. bis 27. April in Barcelona, bei dem es unter anderem um Nachhaltigkeit, Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Verantwortung ging.

Die wohl beste Nachricht kam jedoch von den Abgeordneten des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments: Sie arbeiteten verschärfte Vorschriften aus und fordern das Ende von Fast Fashion, die die übermäßige Produktion und den übermäßigen Verbrauch fördert. Stattdessen wollen die Abgeordneten die Länder der Europäischen Union dazu ermutigen, kreislauffähige, nachhaltige und sozial verantwortliche Textilien herzustellen, die langlebiger, leichter wiederverwendbar, reparierbar und recycelbar sind.

März

Auch im März gab es einige Höhepunkte: Eine Studie zeigte, dass die sozialen Medien eine der einflussreichsten Quellen für Nachhaltigkeitsinformationen für Verbraucher:innen sind, und das Amsterdamer Lingerie-Label Love Stories und die niederländische Designerin Tess van Zalinge stellten vor, wie man upcycelte Hochzeitskleider und Vintage-Schleier in Unterwäsche verwandeln kann.

Den innovativsten Ansatz bot im März die niederländischen Bekleidungsmarke New Optimist, die Pfand auf ihre Kleidung einführte. Mitte des Monats eröffnete Tomo in der Westfield Mall in den Niederlanden, was soweit nichts Ungewöhnliches ist. Es versteht sich jedoch als “Kaufhaus mit einer Mission”, das Verbraucher:innen zur Teilnahme an der Kreislaufwirtschaft motivieren will. In diesem Monat leistete auch FashionUnited einen Beitrag mit einer neuen Rubrik für nachhaltige Mode, die den Wissensaustausch in der Branche fördern will.

Februar

Der Februar war durchwachsen und vielleicht etwas frustrierend: Während auf der einen Seite Initiativen beigetreten und Anstrengungen unternommen wurden, kreislauffähiger zu werden, hat die Branche auf der anderen Seite mit ihren Altlasten zu kämpfen: riesigen Textilbergen in Ghana etwa oder Konsument:innen, die eher auf den Preis als auf nachhaltige Produkte achten.

Zudem sorgt die Verdreifachung (!) der Altkleider-Exporte aus der EU für Probleme in Afrika und Asien. Ein plastikfressendes Enzym könnte jedoch Kleidungsabfälle aus Polyester angehen und Plastik von indischen Müllsammler:innen wurde zu Millionen von Knöpfen verarbeitet.

Januar

Vorreiter:innen der Branche blickten im Januar auf einige Jahre Erfahrung zurück und teilten diese, etwa die niederländische Marke Kuyichi, Asket und Lindex aus Schweden und die Modemarke ETP im Hinblick auf Innovationsprozesse. Mud Jeans und Kings of Indigo stellen vor, wie Denim-Recycling geht.

Auch im Bereich Resale, Kleidertausch und Secondhand gingen die Anstrengungen weiter. Die im letzten Jahr gegründete European Fashion Alliance, die den notwendigen Wandel der europäischen Modebranche vorantreiben will, stellte die Ergebnisse ihres ersten Gipfeltreffens vor.

Auch nachhaltige Messen wie Beyond Fashion Berlin und die Innatex verzeichneten gute Erfolge und Kollaborationen wie Fashion for Good treiben Innovationen voran. Während nachhaltige Influencer:innen es mit Fast Fashion aufnehmen, plante die EU-Kommission ein Gesetz gegen Greenwashing.

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