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Marktplatz, Cafés und WhatsApp: So will Wormland Kund:innen erreichen

Von Ole Spötter

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Business|Interview
Tim Kälberer Bild: Wormland

Wormland ist trotz einer herausfordernden gesamtwirtschaftlichen Situation optimistisch eingestellt. Der Hannoveraner Menswear-Händler lässt sich auch unter diesen Umständen nicht davon abhalten, weiter auf seinen innovativen Digitalisierungsansatz zu bauen, den das Unternehmen seit dem Management-Buy-out 2019 – durch die heutigen Geschäftsführer Tim Kälberer, Bernd Sölter und Peter Wolff – verfolgt.

Wie Wormland das Thema Digitalisierung auf die Fläche bringt, welche Rolle ein eigener Marktplatz und WhatsApp dabei spielen, und wie die Geschäfte gerade laufen, erklärt Kälberer.

Wie verlief die aktuelle Orderrunde für Sie?

Es ist eine sehr herausfordernde Orderrunde gewesen. Sehr prägend waren die Preislagen-Erhöhungen – mit Einkaufspreis-Erhöhungen, aber ohne Marginal-Erhöhungen. Gefühlt ist es so, dass unsere Kosten enorm steigen und der Kostenapparat immens geworden ist. Infizierungen, Personalkosten und Krankheitsquoten sind bei uns sehr präsent. Wir bräuchten auch mal eine Margensteigerung. Das nehmen wir derzeit noch nicht wahr. Wir nehmen erhöhte Einkaufspreis-Preislagen und dadurch erhöhte Verkaufspreis-Preislagen wahr, sodass man zumindest die Marge hält.

Gerade hat auch der Sommerschlussverkauf begonnen. Wann haben Sie mit dem Sale gestartet?

Wir sind vor acht Wochen und damit dieses Jahr deutlich früher und aggressiver in die Reduzierung gegangen. Das ist eigentlich kein gutes Signal und führt eher zu einem Umkehreffekt. Wir müssen uns auch wieder früh genug aus dieser Rabattspirale verabschieden. Dadurch, dass wir uns durch Eigenkapital finanzieren und keine Geldgeber:innen im Rücken haben, können und wollen wir diesen Preiskampf überhaupt nicht gewinnen. Wir stehen für Kuration von guter Mode. Der Preis spricht dann leider für sich selbst.

Wir können jetzt noch keinen extremen Trend wie Pre-Sale ableiten. Wir nehmen aber eine immer frühere Verlagerung von Reduzierungen über den gesamten Zeitraum wahr. Dabei geht es jetzt aber nicht von einer Reduzierung in die nächste und nächste, wo man nur noch zwischen Begrifflichkeiten unterscheidet.

Was führte dazu, dass Sie früher und aggressiver in die Reduzierung gegangen sind?

Es ist sehr abhängig vom Saisonverlauf, auf den man dann reagieren muss. Geht ein Monat schief, kannst du eigentlich auch deine Jahresplanung und den Start in die Sale-Phase über den Haufen werfen. Es ist sehr individuell.

Letztes Jahr hatten wir ein super Jahr und ein sehr glückliches Händchen. Dieses Jahr ist aufgrund der Rahmenbedingungen deutlich herausfordernder und das macht sich natürlich auch in einer Sale-Phase extrem bemerkbar. Wir haben weniger Glück mit den Wettersituationen. Im Vorjahr hatten wir einen schönen und angenehmen Wetterverlauf. Dieses Jahr geht es hoch runter, hoch runter. Wir haben extreme Hitzephasen, die dann auch unglücklicherweise noch auf Wochenend-Konstellationen fallen. Unbeständigkeit beim Wetter sorgt nie für eine konstante Konsumlaune. Und das merken wir.

Wie wirkt sich das auf Ihren Geschäftsverlauf aus?

Dieses Jahr ist extrem herausfordernd für uns. Die Rahmenbedingungen setzen uns unter Druck. Aber nichtsdestotrotz versuchen wir das sehr sportlich zu nehmen und uns nicht in der Abwärtsspirale reindrücken zu lassen. Wir versuchen sehr konsequent, uns nicht wieder in ein Innovationsdefizit rein zu bewegen. Teilweise haben wir einen sehr positiven Trend in den Monaten gehabt. Es gab aber auch schon einen Abwärtstrend. Was wir gemerkt haben, war der krasse Drop im Online-Bereich. Im Vorjahr gab es teilweise noch Beschränkungen, aber auf Jahresbasis haben wir ein Wachstum gegenüber dem Vorjahr.

Welche Trends sehen Sie gerade in der Menswear?

Wir nehmen einen Silhouetten-Wandel wahr, der noch keine kommerzielle Relevanz hat. Wir kennen ihn vom 'Boxy Fit'-Thema, wo es auch schon eine Umsatzrelevanz gab. Bisher noch nicht so stark war dieser Wandel im Hosen-Bereich. Da waren Slimfit und Skinny noch sehr lange präsent. Mittlerweile werden aber auch für die Konsumenten die Formen relaxter. Ich rede da noch nicht von diesem sehr weiten Bein, das ist noch nicht im Mainstream angekommen.

In der Sportswear ist es dann eine coole Bomberjacke mit einer etwas weiteren Hose und einem chunky Loafer. Die Silhouette hat sich eigentlich gedreht, sodass es oben etwas schmaler und unten extremer wird. Im vertikalen Genre haben wir das seit zwei Jahren schon sehr präsent. Aber es ist auch schön, dass es auch im Brand- und im Retail-Genre mittlerweile angekommen ist.

Welche anderen Stücke laufen bei Ihnen gerade gut?

Wir sind weiterhin sehr stark mit saisonalen Themen. Leinen ist ein absolutes Fokusthema und bleibt weiterhin ein Dauerbrenner in allen Belangen – von oben bis unten, beim Hemd bis zur Hose, mit einem etwas tieferen Schritt und Überlängen. Auch das Thema Konfektion ist weiterhin sehr präsent. Dabei darf etwas mit Farbe gespielt werden. Pastellige Töne werden gut angenommen. Aber auch der Erdton-Bereich ist weiterhin beliebt.

Neben Fremdmarken bietet Wormland auch seine eigenen Produkte an…

Wir machen etwa 20 Prozent unseres Umsatzes mit unserem Bereich Private Label. Der läuft derzeit unter den zwei Marken Wormland und Autark. Autark geht in den Sportswear-Bereich und fasst alles etwas rougher zusammen. Wormland ist angezogener. Zusammen bieten wir damit fast ein Vollsortiment an.

Was hat Ihnen gefehlt, dass Sie die Marken ins Spiel gebracht haben?

Es ging uns eigentlich immer darum, Produktlücken zu schließen, egal ob das im modischen oder preislichen Bereich ist. Private Label war für uns immer eine Anfangspreislage. Wir entwickeln uns aber auch und wenn Qualitäten stimmen, muss es nicht immer die Anfangspreislage sein. Es geht nicht darum, eine riesen Brand zu sein.

Mit Lifestyle-Produkten wie Raumdüften, Parfums oder Kaffeetassen geht die Produktpalette ihrer Private Labels über die Bekleidung hinaus.

Neben dem kommerziellen Erfolg, den wir mit dem Thema Private Label haben, der auch durch die Konfektion getrieben wird, versuchen wir mehr den Branding-Gedanken reinzunehmen. Zu unserer aktuellen Kampagne “Poolboy” gibt es auch eine Kollektion mit saisonalen Sachen – ein Set aus Ressorthemd und Shorts sowie T-Shirts, Hoodies, Badehosen und Socken.

Branding ist bei uns multisensorisch. Es gibt also auch ein passendes Parfum sowie einen Raumduft dazu. So versuchen wir, das in einer sinnvollen Art und Weise zu erweitern, ohne komplett abzudrehen.

'Poolboy'-Kampagne Bild: Wormland

Mit der aktuellen Kampagne waren Sie als Händler auch auf der Modemesse Premium vertreten. Wie kam es dazu?

Es ist schlimm, dass jeder auf Berlin rumreitet und man lieber nach Kopenhagen sowie Paris fährt und Berlin so über Bord wirft. Es gibt so viele Gründe, auf Berlin stolz zu sein und es ist so toll, dass wir sowas in Deutschland haben. Das muss gehegt und gepflegt werden und lebt davon, dass alle mitspielen.

Unter dieser Überschrift – “Alle müssen mitspielen” – habe ich mit meinem Team, Anita Tillmann [Anm. d. Red.: Gründerin der Premium] und Jörg Arntz [Anm. d. Red.: CEO der Premium Group] gesprochen. Wenn alle mitspielen, müssen auch wirklich alle mitspielen. Das bedeutet aber nicht nur, dass ich Brands in der Verantwortung sehe, sondern wir auch Teil dieser Sache werden und als Einzelhändler:innen Verantwortung übernehmen, statt nur als Einkäufer:innen über die Messe zu laufen.

Inwieweit haben Sie dann Verantwortung übernommen?

Wenn uns vor Ort jemand gefragt hat, was wir hier machen, sagten wir: Wir sind für die Drinks da. Letztlich ging es um die Gespräche. Inhaltlich haben wir natürlich unsere neue Kampagne und Digitalisierungsfortschritte gezeigt.

Wir hatten eine Vending-Maschine, bei der man sich mit WhatsApp registrieren konnte. So haben wir gezeigt, wie Automatisierung über WhatsApp stattfindet. Die Interessenten haben dabei einen Voucher per Wallet-Integration zugeschickt bekommen. Mit dem Wallet haben wir Geomarketing betrieben, sodass wenn die Person mit dem Wallet wieder an unserem Stand vorbeigelaufen ist, sie eine Notification bekommen hat, die sie zu einem weiteren Getränk eingeladen hat.

Wormland-Stand bei der Messe Premium Bild: Wormland

Den Kaffee, den wir ausgeschenkt haben, werden wir bald auch als eigene Röstung anbieten. Dafür kooperieren wir mit Black Day Light, einer Hamburger Rösterei, mit der wir eigene Cafés in Wormland-Stores eröffnen. Pilotiert wird das ganze in Hannover.

Und wie waren die Reaktionen?

Viele haben gedacht, dass Poolboy eine neue Marke ist und es kamen tatsächlich auch Einkäufer:innen vorbei, die gefragt haben, wo sie die Sachen kaufen können. Wir hatten viele Brands und Einzelhändler:innen, die vorbeigekommen sind und sich gewundert haben: ‘Was zur Hölle macht Ihr da?’ Wir haben die komplette Branche da gehabt. Genau den Effekt, den wir haben wollten.

Das Thema Digitalisierung spielt bei Wormland auch erste seit ihrem Eintritt in die Geschäftsführung eine Rolle…

2019 gab es bei Wormland nichts – keinen Onlineshop, kein CRM-System, keine digitalen Ambitionen. Dann sind wir gestartet, haben einen Onlineshop aufgebaut und versucht, einen Omnichannel-Ansatz zu integrieren. Haben dann Ship-from-Store-Logiken eingebaut, dass unsere Leute auf den Flächen die Ware versenden können. Eine Punktlandung – ein Jahr später stand Corona vor der Tür.

Dabei geht es für uns besonders um menschliche Interaktion – darum zu wissen, was Leute bei uns auf der Fläche suchen, was sie möchten und was sie in der Vergangenheit gemacht haben. Wir kommen also nicht um Customer Relationship Management (CRM) herum. So haben wir gemeinsam mit Salesforce ein CRM-System eingeführt, das den Mitarbeitenden, die auf der Fläche damit arbeiten müssen, zur Verfügung steht und nicht nur eine Marketing-Datenbank ist.

Wie nutzen die Mitarbeitenden das System auf der Fläche?

Wir haben eine App gebaut, mit der Mitarbeitende auf der Fläche Kund:innen aufrufen können. Wir haben 3,4 Millionen Datensätze, die wir da drin verarbeiten und für unsere Leute aufarbeiten. Dadurch können sie sehen, was die Kund:innen gekauft haben. Ihnen wird dabei ein virtueller Kleiderschrank angezeigt, der die gekauften Produkte verarbeitet – Tendenzen für Farben, Größen und Markenpräferenzen auf einen Blick. Zusätzlich werden auch Tickets eingefügt, die unter anderem vermerken, dass eine Lieferung bei der Person nicht angekommen ist oder irgendwas anderes nicht geklappt hat, damit die Mitarbeiter:innen im Kontakt mit den Kund:innen dem direkt entgegenwirken können.

So versuchen wir, Digitalisierung auf der Fläche zu nutzen, statt auf einmal eine Self-Checkout-Kasse in eine Ecke zu stellen. Es geht immer um menschliche Interaktion und das wird unser Alleinstellungsmerkmal bleiben.

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Geht diese Interaktion mit der Kundschaft auch über den Kontakt auf der Fläche hinaus?

Ja, es geht auch darum, Leute kontaktieren zu können, wenn sie nicht im Store sind. Natürlich gibt es sowas wie E-Mail-Marketing, was viele schon tot sagen, aber ein toller Kanal ist. Aber nichtsdestotrotz könnte es doch persönlicher sein. Und so haben wir mittlerweile WhatsApp mit der Firma Charles eingeführt, die WhatsApp mit Commerce verbunden hat. Aber nicht als klassischen Unternehmensaccount. Über ihre Software sind wir in der Lage, Produktempfehlungen über WhatsApp auszuspielen.

Bild: Wormland

Wir werden perspektivisch unseren Mitarbeitenden auf der Fläche die Chance geben, direkt Kontakt mit der Kundschaft aufzunehmen. Statt nur langweilige transaktionale Sachen wie eine Bon-Nummer zu schicken, setzten wir auf den Cross-Selling-Gedanken und inspirative Reaktionen, wie zusätzliche Empfehlungen zu den gekauften Stücken. Das Ganze kommt dann vom Profil der Verkäuferin oder des Verkäufers, der die Kundschaft vorher im Laden beraten hat. So entsteht auch eine Bindung zum Personal, das dafür sorgt, dass die Kund:innen zurückkommen.

Wie kommt es bei der Kundschaft an? Könnte eine WhatsApp-Nachricht nicht auch das Gegenteil verursachen?

Wir hatten dieses Bedenken, das es abschreckend wirkt, auch, haben aber eine Sache wahrgenommen. Immer wenn es einen Mehrwert schafft, ist es nicht abschreckend. Immer dann, wenn es random ist, ist es scheiße. Aber es war schon immer so. Da geht es nicht um Datenschutz, da geht es um jede andere Art der Kommunikation. Die Herausforderung wird eher sein, wie ich es personalisiert, persönlich und authentisch gestalte. Wenn die Digitalisierung hilft, diese drei Sachen zu erfüllen, dann ist Datenschutz keine Hürde.

Und auf der Seite der Mitarbeiter:innen?

Wir sind gerade im Rollout. Ich bin mir auch sicher, dass es ganz viele Mitarbeiter:innen geben wird, die sagen, dass das nichts für sie ist. Aber wenn ich die zwei, drei Richtigen im Store habe, die da Bock drauf haben, hast du das Rennen gewonnen. Wir versuchen es jetzt gerade schon in ein paar Pilotfilialen aus. Die Akzeptanz war teilweise extrem gut und teilweise nicht vorhanden.

Wie teilt sich die Arbeit dann zwischen Beratung auf der Fläche und WhatsApp auf?

Es soll überhaupt nicht davon leben, dass Leute im Backoffice sitzen, sondern davon, dass sie ihre Zeit optimal einsetzen. Wenn die Leute irgendwann mit dem iPad auf der Fläche stehen, um dann in der Leerzeit WhatsApp-Nachrichten zu schreiben, ist das besser, als wenn sie sich langweilen.

Push-Notifications, die Wormland an Kund:innen schickt Bild: Wormland

Sie haben auch Geomarketing als Teil Ihrer Digitalisierung erwähnt…

Geomarketing ist bei uns auch ein Thema, das aus dem ganzheitlichen CRM-Bereich kommt. Wir haben eine Identifikation an der Kasse, die aber nicht über eine physische Loyalty-Karte abgefragt wird, sondern über eine, die im digitalen Wallet hinterlegt ist. Dabei durfte aber nicht der Kassenablauf gestört werden und wir wollten auch nicht wie bei Rewe und Co. einfach nur so einen Payback-Banner aufbauen, damit die Leute dran denken. Deswegen haben wir uns gefragt, was wir mit Digitalisierung machen können, die praktisch, aber nicht irgendwie creepy ist.

In der Pilotfiliale in Hannover haben wir einen Beacon getestet, ein technisches Vehikel, das innerhalb eines gewissen Radiuses Nahfeldkommunikation – beispielsweise mit Wallets – betreiben kann. Das heißt, die Kund:innen stehen bei uns an der Kasse mit dem Handy und auf einmal bekommen sie eine Push-Notification, die sagt, dass sie beim Bezahlvorgang dran denken sollen, ihr Wallet vorzulegen. Wir haben auch versucht, das in die Schaufenster zu integrieren. Aber im Kassenbereich machen wir die besten Erfahrungen damit.

Soll das Flächennetz von Wormland erweitert werden?

Bei unseren Flächen gesunden wir uns gerade, was die Größe und Anzahl der Flächen angeht. Wir sind jetzt mittlerweile bei 12 Stores angekommen – Wormland und Theo [Anm. d. Red.: Retail-Konzept mit Denim-Fokus] kumuliert. Natürlich liebäugelt man mit dem ein oder anderen Standort wie in Düsseldorf, aber eben nur mit den passenden Rahmenbedingungen.

Bild: Wormland

Gibt es auch Pläne für Ihre digitale Plattform?

Wir eröffnen jetzt einen eigenen Marktplatz – wormland.de wird dazu. Unser Onlineshop ist ja sowas wie ein Marktplatz, nur mit dem Nachteil, die Ware kaufen zu müssen. Dabei wollen wir aber kein Marktplatz werden, der alles onboarded. Wir werden weiterhin gut kuratieren, aber trotzdem unsere Sortimentsbreite und -tiefe erweitern.

Aber auch mit einem Alleinstellungsmerkmal. Viele Brands, vor allem kleinere bis mittelgroße, haben noch gar nicht die Organisation, IT-seitig sinnvoll und groß aufgestellt zu sein. Der ganze IT-Bereich ist der Showstopper für die meisten. Also übernehmen wir, egal welche Stock-Snippets und Lagerbestandssysteme die Marken haben, die Datenverarbeitung und kümmern uns um die komplette IT-Anbindung. Zalando und viele Marktplätze geben die Schnittstelle und dann heißt es: friss oder stirb. Wir kümmern uns partnerschaftlich mit der Marke um diese Schnittstelle, so dass sie bei uns kuratiert verkaufen kann.

Versuchen Sie mit dem Marktplatz auch Erkenntnisse für den stationären Handel zu sammeln?

Wir haben derzeit digital circa einen Stammkund:innen-Anteil zwischen 40 und 45 Prozent – das ist unsere grüne Wiese und Marktforschung. Wie schön wäre es, wenn wir Marken erstmal digital eine Plattform bieten, sie auf unserem Marktplatz mega gut ankommen und wir dann die Brücke auf die Fläche in den stationären Handel schlagen könnten? Wir haben durch unsere Digitalisierung eben auch Business Intelligence Programme, die so etwas wie Umlagerungen machen können.

Ein Beispiel dafür wäre, dass sich eine Brand, die tolle weiße T-Shirts hat, auf dem Marktplatz gut verkauft und sie online besonders gut bei Kund:innen in München ankommt, wir dann merken, dass es am Standort München ein Sortimentsarmut für ein solches Produkt gibt. Dann haben wir die Daten und unser System kann dann Umlagerungsaufträge schreiben und einen optimalen, digitalen Order-Vorschlag bei der Brand platzieren und es wird in München eingeliefert.

Sehen Sie eine Einbindung des Metaverse in den stationären Handel?

Das ist für mich eine Frage, wie weit man in die Zukunft blickt. Ganz unmittelbar sehe ich das überhaupt nicht und sehe das auch immer nur von Unternehmen, die eine Größenordnung haben, die sich mit sowas auseinandersetzen dürfen. Der Mittelstand wird kurzfristig oder mittelfristig niemals sinnvolle Kontaktpunkte mit dem Metaverse haben. Das liegt aber auch daran, dass die Hausaufgaben noch überhaupt nicht in dem rudimentärsten Bereich von Digitalisierung gemacht worden sind. Metaverse und irgendwelche Fassaden zu animieren, bringt dir nichts. Du musst einen Mehrwert schaffen.

Wenn ich nur eine Fassade animiere und da läuft gelbe Farbe runter, dann ist es visuell ganz nett, aber das schafft keinen Mehrwert. Wenn ich sinnvolle Sortimente noch erweitere oder auf Basis von Kaufverhalten der Vergangenheit proaktive Recommendations auf der Fläche ausspiele, dann hat das die Basis, dass ich schon seit zehn Jahren gutes CRM mache. Die Basis ist meistens noch gar nicht gegeben. Deswegen ist Metaverse für den textilen Einzelhandel – Mittelstand – so weit weg.

Wie sieht der Modehandel der Zukunft für Sie aus?

Festhalten, der sieht genauso aus, wie er immer schon aussah. Mit mehr Herausforderungen, die von allen Seiten auf einen einprasseln und mit dem unbedingten Willen, Dinge zu verändern. Denn wenn sich nichts verändert, ändert sich nichts. Es wird mehr denn je um Identifikation mit dem Unternehmen gehen. Employer Branding muss gelebt werden. Die Zukunft des Einzelhandels lebt davon, dass man Mitarbeitende von sich überzeugt, von der Unternehmung und von der Vision. Und wenn das der Fall ist, dann werden diese Leute das Geschäftsmodell so prägen, dass es erfolgreich ist. Also steht der Mensch im Kern.

Das Thema Digitalisierung hilft irgendwann, aber übergeordnet lebt der Einzelhandel von Gesprächen, dass man Themen und eine Beziehung zu Menschen hat. Menschen haben immer Beziehungen zu Menschen und nicht zur Digitalisierung. So wird auch die Zukunft der Innenstädte geprägt vom Leben in der Stadt, dem Leben des Einzelhandels und der Innovation.

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