Luxusmarken locken chinesische Konsument:innen trotz Konjunkturflaute
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Bei einem Schluck Champagner und gebratenen Teigtaschen posierten die einflussreichen Persönlichkeiten Shanghais mit Louis Vuitton-Logos auf der Afterparty anlässlich einer Modenschau – eine opulente Veranstaltung, die dazu diente, Kunden in Chinas wichtigen Markt zu gewinnen.
Mit einem Anteil von rund der Hälfte an den weltweiten Umsatzerlösen ist China der weltweit größte Konsument in der Luxusbranche. Allerdings ist der Konsum in dem Land nach der Pandemie ins Stocken geraten, wodurch die Branche ins Wanken geraten ist.
Jahrelang waren wohlhabende chinesische Tourist:innen nach Europa gereist, um in den dortigen Boutiquen einzukaufen, doch als die Covid-19-Pandemie ausbrach, führte das Land drakonische Beschränkungen ein, die sie daran hinderten, das Land zu verlassen. Die Maßnahmen stürzten die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in eine Krise, von der sie sich nur schwer erholt, da das Vertrauen der Verbraucher:innen erschüttert ist und sich die Haltung gegenüber Luxusgütern gewandelt hat.
Fokus auf ‘Very Important Clients’
Die Aktien des Gucci-Eigentümers Kering stürzten im April ab, nachdem das Unternehmen unter Berufung auf die schwierigen Marktbedingungen in China einen Umsatzrückgang von elf Prozent im ersten Quartal gemeldet hatte.
„Gucci wird hier nicht allein sein, denn auch andere Marken spüren den Druck der chinesischen Inlandsausgaben“, sagte Flor Roberts, Leiterin des Bereichs Luxus bei Euromonitor International, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Marken wie Louis Vuitton, die in China stark vertreten sind, veranstalten spezielle Events und verteilen Vergünstigungen an 'VICs' – ein Akronym für 'Very Important Clients'. Louis Vuitton bezeichnete seine „Voyager“-Show in Shanghai im vergangenen Monat als das „nächste Kapitel in einer starken, langjährigen Beziehung“ mit China.
Die wichtigsten Stücke - farbenfrohe Kleider mit großen Cartoon-ähnlichen Tieren - waren eine Zusammenarbeit mit der zeitgenössischen chinesischen Künstlerin Sun Yitian, wobei die Marke „die enorme stilistische Vitalität“ der Jugend des Landes würdigte.
Die Hollywood-Größen Cate Blanchett und Jennifer Connelly schritten über den Laufsteg zu ihren Plätzen, bevor die Show begann, ebenso wie die chinesischen Megastars und Markenbotschafter:innen Liu Yifei und Jackson Wang. Auf der Afterparty mischten sich Influencer:innen und VICs, von denen viele von Kopf bis Fuß in Louis Vuitton gekleidet waren, unter blinkende Neon-Straßenschilder und probierten phantasievolles chinesisches Street Food von Ständen, die mit dem Logo der Marke geschmückt waren.
Konsument:innen werden vorsichtiger
Die Muttergesellschaft von Louis Vuitton, LVMH, gehört zu den Modehäusern, die sich angesichts des wirtschaftlichen Gegenwinds in China bisher als recht widerstandsfähig erwiesen haben.
Während die Ergebnisse des ersten Quartals die langsamste Wachstumsrate seit Jahren zeigten, sagte die Marke, dass die Verkäufe an chinesische Kund:innen im In- und Ausland um etwa zehn Prozent gestiegen sind. Die Ergebnisse des italienischen Modekonzerns Prada und der französischen Luxusmarke Hermès für das erste Quartal übertrafen die Erwartungen der Analyst:innen. Die Umsätze stiegen um 18 beziehungsweise 17 Prozent.
Insgesamt hat sich der Markt jedoch verlangsamt. Das Beratungsunternehmen Bain & Company prognostiziert für den chinesischen Luxusmarkt ein einstelliges Wachstum für 2024, verglichen mit zwölf Prozent im vergangenen Jahr.
„Der wirtschaftliche Abschwung wirkt sich auf das Vertrauen der chinesischen Luxuskonsument:innen aus“, sagt Lisa Nan, Korrespondentin des Branchenmagazins Jing Daily, die über den chinesischen Luxussektor berichtet. „Wir haben es mit sehr viel vorsichtigeren und wertorientierten Verbraucher:innen zu tun, die vor dem Kauf auch den Marktwert der Handtasche aus zweiter Hand prüfen.“
Reisen statt Handtaschen
Nach der Pandemie haben sich auch die Vorlieben und Prioritäten der Konsument:innen verschoben. In der Nähe von Shanghais Wukang-Villa, einem Wahrzeichen, das regelmäßig von Influencer:innen umschwärmt wird, sagte eine Frau mit dem Nachnamen Liu, dass sie zwar gelegentlich Designer:innenstücke kaufe, sich aber nie wegen einer Tasche in eine Warteschlange stellen würde. „Ich reise lieber ein bisschen mehr“, sagte sie. „Ich bin nicht so verrückt nach Markennamen.“
Das ist ein Trend, der in einem Bericht des Forschungsunternehmens Hurun über die Vorlieben vermögender Privatpersonen deutlich wird. „Es gibt eine deutliche Verschiebung hin zu Erlebnisluxus und nicht zu Luxusgütern“, so Nan von Jing Daily. Ein Teil dieser Ausgaben wurde nach China verlagert, da sich die globalen Marken auf die Organisation von Veranstaltungen und die Herstellung von Waren konzentrierten, die stärker auf ihren größten Markt zugeschnitten sind. Roberts von Euromonitor International sagte, dass die Aussichten für den Luxusmarkt weiterhin „herausfordernd“ seien und dass Marken „auf der Seite der Vorsicht agieren“ sollten.
An einem sonnigen Tag im Zentrum Shanghais umklammerten Passant:innen jedoch ihre Designer-Handtaschen, während sie einkaufen gingen. „Manche Leute sagen, dass klassische Modelle an Wert gewinnen und eine Investition sein können“, sagte eine 28-jährige Medienangestellte namens Winnie, die eine Tasche von Dior trug. „Aber für mich ist es keine Investition. Solange es mir gefällt, ist es in Ordnung“.
Jennifer Sheng, eine Frau um die 60, erklärte dazu gegenüber AFP: „Ich glaube, China befindet sich immer noch in einer Phase, in der (europäische) Marken wichtig sind." In ihren Augen ist die Verlockung, Designer:innenstücke zu besitzen, nach wie vor groß. „Vor zwanzig, dreißig Jahren hatten wir noch gar nichts“, sagte Sheng. „Wir wollen diese Dinge haben.“ (AFP)