Luxushändler Nugnes: Warum jetzt die Zeit für Mut und Wachstum ist
Das italienische Familienunternehmen Nugnes, dessen Wurzeln in der Schneiderei liegen und 1956 seine erste Herrenboutique eröffnet hat, wagt einen Schritt nach vorne. Der hybride Modehändler – mit einem Sortiment zwischen klassischen Luxusmarken und Streetwear-orientierten Kapseln – treibt mit der Übernahme vom traditionellen Luxushändler Mimma Ninni seine Expansion voran und erweitert das Filialnetz in der süditalienischen Region Apulien in einem Schlag von einem auf vier Stores.
Was Giuseppe Nugnes dazu ermutigt hat, welche Erwartungen seine Kundschaft an ihn hat und welche langfristigen Ziele er verfolgt, erzählt der Unternehmenschef im Interview.
Sie haben gerade den in Bari ansässigen Modehändler Mimma Ninni übernommen. Wie kam es dazu?
Es handelt sich um einen langen Prozess, der bereits vor über zwei Jahren begonnen hat. In einer Zeit, in der der Markt nach einer neuen Erklärung für das Platzen der Online-Luxusmode-Blase suchte, haben wir uns – auch dank eines visionären Managements und erfahrener Berater:innen – dazu entschieden, die Grundlagen unseres Retail-Handwerks zu stärken: ein durchdachtes, kluges Buying, ein konsequenter omnichannel- und kundenzentrierter Ansatz sowie die enge Verbindung zu unserer Heimat und unserer Marken-DNA.
Welches Ziel verfolgen Sie damit?
Der Schritt hat es uns ermöglicht, den Online-Kanal in den Dienst der DNA von Nugnes sowie der Bedürfnisse und Wünsche unserer Endkund:innen zu stellen – und nicht umgekehrt.
In diesem Sinne haben wir einen neuen strategischen Plan entwickelt, mit dem Ziel, Nugnes zu einer „Fabrik des Staunens“ zu machen – einen Ort, an dem das Wunder Apuliens und der mediterrane Lifestyle in jeder Begegnung mit den Kund:innen spürbar wird.
Vor diesem Hintergrund war Bari ein bewusster und gewollter nächster Schritt, den wir aktiv angestrebt haben – was schließlich zur Einigung mit Mimma Ninni geführt hat. Für uns ist das wirklich wie eine Staffelübergabe – im Sinne einer Retail-Philosophie, die wir nicht nur in Bari, sondern künftig auch in weiteren Orten des Mittelmeerraums etablieren möchten.
Haben Sie die Integration der Stores bereits abgeschlossen?
Wir haben die beiden Stores sowie den Concept Store bereits integriert, aber um unsere Vision vollständig umzusetzen, wird es sicherlich noch einige Monate dauern. Dabei geht es sowohl um das Buying als auch um die kreative Ausrichtung, die wir aktuell so schnell wie möglich harmonisieren – ohne dabei den Kund:innen in Bari Einschränkungen oder Einbußen zuzumuten.
Werden die Verkaufsflächen renoviert und an das Produktsortiment von Nugnes angepasst?
Ja, auf jeden Fall. Wir arbeiten bereits an der Planung eines umfassenden Restylings der verschiedenen Flächen, um auch in den Boutiquen in Bari den Geist und das Marken-DNA von Nugnes spürbar zu machen.
Sie haben diesen Schritt gewagt, während sich der italienische Modemarkt scheinbar langsam erholt…
Der Markt erholt sich allmählich – aber wir haben in den letzten Jahren bewusst gegen den Trend gehandelt, und das mit einem gewissen Stolz.
Wir haben nicht nur Bari übernommen, sondern gleichzeitig auch unsere gesamte technische Infrastruktur und den Omnichannel-Ansatz grundlegend erneuert: vom Wechsel des ERP-Systems über ein neues Product Information Management (PIM) bis hin zum Replatforming auf Shopify Plus. Demnächst folgen zusätzliche Maßnahmen im Bereich Customer Relationship Management und der Integration von KI-basierten Services.
Wie gelingt nun für die Modebranche der Schritt nach vorne?
Wir sind überzeugt, dass das Wachstum und die Erholung der Branche durch eine kluge und nachhaltige Rückkehr zu Investitionen möglich ist – insbesondere in Innovation, um das Einkaufsserlebnis noch intensiver, personalisierter und inspirierender zu gestalten. Mode ist – und muss zunehmend – ein Markt der Erlebnisse sein, nicht nur ein Markt für Produkte.
Wie nehmen Sie die Stimmung Ihrer Kund:innen wahr?
Es herrscht leider immer noch zu viel Negativität gegenüber der Branche. Dennoch haben unsere Kund:innen weiterhin große Lust, Mode zu erleben und sich vom Schönen inspirieren zu lassen. Gleichzeitig fordern sie zunehmend von uns und den Marken Authentizität, Verbindlichkeit, ein echtes Erlebnis, Produkt- und Servicequalität sowie viel Fairplay.
Welche modische Ausrichtung gewinnt bei Ihrer Kundschaft an Bedeutung?
Wir erleben derzeit eine Wiederentdeckung einer neuen Form von Eleganz. Das Schlüsselwort für uns lautet zeitgenössische Harmonie. Die Lehre – und der Schock – des Streetwear-Trends sind nicht verschwunden, sondern werden zunehmend verarbeitet und führen in eine Richtung, die von Klarheit, Zurückhaltung und Raffinesse geprägt ist.
Heute zeigt sich eine wachsende Aufmerksamkeit bei der Gestaltung des eigenen Stils – nicht nur durch Schnitte und Passformen, sondern vor allem durch die Kombination verschiedener Materialien: eine Verbindung von innovativen Stoffen mit traditionellen Verarbeitungen.
Die Herrenmode-Saison SS26 ist gerade zu Ende gegangen. Wie lautet Ihr Fazit?
Vielleicht befinden wir uns nicht in der glänzendsten Phase aller Zeiten, doch es zeichnen sich wichtige Signale, neue Ideen und aufkommende Trends ab. Gerade in solchen Übergangsphasen können diejenigen, die mutig und mit Sinn für die Sache innovieren, die Grundlagen für eine positive Zukunft legen.
Viele Marken definieren derzeit ihre DNA neu und suchen nach einer authentischeren Interpretation der Gesellschaft. Wir sind überzeugt, dass dieser Prozess bald zur Entstehung eines neuen, gemeinsamen stilistischen Denkens und einer neuen Bildsprache führen wird.
Gab es Trends, die Sie besonders begeistert haben?
Ja, auf jeden Fall hat Jonathan Andersons Kollektion für Dior einen entscheidenden Moment markiert: Eine männliche Vision, die bereits verbreitete, aber noch nicht fest definierte Sensibilitäten erstmals klar zum Ausdruck bringt. Seine Arbeit hat verschiedene Spannungen der Saison aufgegriffen: die Rückkehr zu einer bewusst geformten, skulpturalen Körperlichkeit, eine neue Zurückhaltung mit klarem Volumen und neutralen Farbtönen sowie ein wachsendes Verlangen nach Introspektion.
Statt einen Trend aufzuzwingen, hat er verstreute Signale aufgenommen und zu einer reifen, gemeinsamen Sprache geformt – ein neues Kapitel in der Erzählung der zeitgenössischen Männlichkeit.
Haben Sie auch neue Marken entdeckt, die Sie in Ihr Portfolio aufnehmen werden?
Ja, es gibt und wird neue Zugänge sowohl in den Filialen in Bari und Trani als auch in der Online-Auswahl geben. Das ist vielleicht der spannendste Aspekt unserer Arbeit – gerade heute. Zurück zur Recherche zu gehen, ist essentiell – obwohl wir bei Nugnes nie damit aufgehört haben.
Heute orientiert sich die Suche – sowohl seitens der Einkäufer:innen als auch der Kundschaft – an einer Mischung von Werten: Man wählt nicht nur nach Kreativität und Kollektion aus, sondern auch nach dem, was dahinter steht, nach der Philosophie, die die Markenvision begleitet. Von der Markenphilosophie über das Preis-Leistungs-Verhältnis bis hin zur Einzigartigkeit des Produkts und dessen Nutzbarkeit sowie der Fähigkeit, mit unterschiedlichen Stilen zu kommunizieren – all das sind entscheidende Faktoren.
Was erwarten Sie von der Damenmode SS26 im September?
Die Erwartungen sind hoch. Viele Modehäuser durchlaufen tiefgreifende Transformationsphasen, und die Zeit ist reif, um Sprachen und Visionen neu zu definieren. Wir hoffen, dass die Mode weiterhin ihr gesamtes kulturelles und soziales Potenzial ausdrückt und wieder zu einem Raum für Erzählung, Reflexion und kollektive Vorstellungskraft wird – jenseits von reinem Produkt oder dem Konzept von Luxus. In diesem Sinne wird die Damenmode wahrscheinlich im Zentrum dieses Wandels stehen, denn die weibliche Figur ist seit jeher eine Hauptprotagonistin in der Entwicklung der Modesprache und Kreativität.
Dieses Interview wurde schriftlich geführt.
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