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London Fashion Week SS26: Aufbruch in die nächste Ära britischer Mode

Die Ausgabe Frühjahr/Sommer 2026 der London Fashion Week ging diese Woche zu Ende und schloss damit nicht nur die Saison ab, sondern auch ein turbulentes Jahr der Neuerfindung des britischen Modekalenders. Unter der neuen Leitung von Laura Weir, Geschäftsführerin des British Fashion Council (BFC), versuchte die Veranstaltung, ihre Rolle sowohl als Plattform für junge Talente als auch als Stabilitätsfaktor für Traditionshäuser im schwierigen Luxusmarkt zu stärken. Mit einem erweiterten Terminplan, Jubiläumsfeiern und einem erneuerten Fokus auf Zugänglichkeit wurde diese Saison zu einem Testlauf dafür, ob London seine Rolle in der globalen Modewelt neu definieren kann.

Der Status der London Fashion Week war in den vergangenen Jahren immer wieder umstritten. Einst ein Zufluchtsort für Experimente und Anarchie in der Mode, hatte die britische Hauptstadt Schwierigkeiten, sich im Vergleich zu ihren globalen Pendants zu behaupten. Makroökonomische Herausforderungen – vom Brexit bis zur Pandemie – schwächten das Ökosystem zusätzlich und warfen Fragen nach der Relevanz von Londons Platz im Modekalender auf. Diese Saison jedoch markierte einen mutigen Neustart. Die LFW SS26, die am 18. September eröffnet wurde, versprach, die „nächste Ära der britischen Mode“ einzuläuten, befeuert von einem Anstieg der gelisteten Designer:innen um 18 Prozent.

Designer:innen-orientierter Ansatz mit 18 Prozent mehr Teilnehmer:innen

Unter ihrer Leitung versprach Weir einen frischen, „designer:innen-orientierten Ansatz“ und sprach damit ein langjähriges Dilemma der Stadt an. Während London häufig als Sprungbrett für internationale Namen diente, führte der Mangel an Infrastruktur oft dazu, dass Talente nach Paris oder Mailand abwanderten, sobald sie breite Anerkennung gefunden hatten.

In ihrer Eröffnungsrede zum Start der Fashion Week forderte Weir die Branche auf, Mode nicht nur als Geschäft zu betrachten, sondern sie gleichermaßen als kulturelle Kraft und wirtschaftlichen Motor zu begreifen. „Wir haben die Aufgabe, den Zweck des BFC wieder klar zu definieren, die Geschichte darüber zu erzählen, warum Mode wichtig ist, und deutlich zu machen, dass man mit dem Akt des Ankleidens buchstäblich Kultur formt“, sagte sie.

Simone Rocha SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Weirs erste Reformen zielen auf Zugänglichkeit und Unterstützung ab. Sie hat Teilnahmegebühren für Designer:innen abgeschafft, das Talentprogramm NewGen um weitere vier Jahre verlängert – nun mit Unterstützung für 17 Marken – und Stipendien- sowie Mentoring-Initiativen ausgebaut. Außerdem betonte sie, dass Mode eine gesamtstaatliche Aufgabe sei, nicht nur eine auf London beschränkte. Sie verwies auf den Beitrag der Branche von 68 Milliarden britische Pfund (etwa 77 Milliarden Euro) zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie auf die Millionen von Arbeitsplätzen, die in der gesamten Region daran geknüpft sind.

Die politische Bedeutung der LFW wurde schon vor Beginn der Schauen deutlich. Das Event wurde im britischen Parlament diskutiert, wo Abgeordnete wie Rosie Wrighting und Uma Kumaran die Chancen und Hindernisse der Branche hervorhoben. Wrighting argumentierte, dass Mode ein realisierbarer Karriereweg für junge Menschen bleiben müsse – insbesondere für solche aus Arbeiterfamilien – und forderte daher gerechtere Bezahlung, stärkere Bildungsangebote und bessere Möglichkeiten zum Unternehmenswachstum.

„Diese Veränderungen werden unweigerlich Kreative aus der Arbeiterklasse in diesem Bereich unterstützen“, sagte Wrighting. „Aber sie werden auch eine Branche beeinflussen, die grundsätzlich besser dasteht, wenn Stimmen aus der Arbeiterklasse in ihr vertreten sind.“

Conner Ives SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Evolution innerhalb eines widerstandsfähigen Programms

Die Weiterentwicklung in diesem Jahr ist insbesondere auf Markenebene sichtbar. Patrick McDowell nutzte seinen Slot beispielsweise, um eine neu definierte Markenidentität zu präsentieren. Aufbauend auf der Einführung eines neuen, eleganten Logos markierte die Kollektion mit dem Titel „Lancashire Rose“ den ersten Schritt des Designers in den Bereich Ready-to-Wear. Sie spiegelte das wider, was als „bewusstes Wachstum, verwurzelt in nachhaltiger Innovation“ beschrieben wurde. Persönliche Bezüge zu McDowells Großmutter, deren Stimme während der gesamten Show zu hören war, wurden mit seinen Nachhaltigkeitswerten verwoben. Um diese Mission weiter voranzutreiben, ging McDowell eine Partnerschaft mit Certilogo ein, um jedes Kleidungsstück mit einem Digital Product Passport auszustatten – ein Schritt hin zu einer neuen Ebene der Interaktion zwischen Marke und Community.

Patrick Mcdowell SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Die Show fiel mit McDowells 30. Geburtstag zusammen – ein persönlicher Meilenstein für den Designer – und machte sein gleichnamiges Label zu einem von vielen, die während der LFW einen Wendepunkt feierten und damit die Widerstandsfähigkeit der Stadt unterstrichen. Zahlreiche Jubiläen wurden begangen, darunter Roksanda und Erdem, die beide ihr 20-jähriges Bestehen feierten, sowie Fashion East, ein Inkubator für junge Talente, der nun 25 Jahre alt wurde. Gleichzeitig brachten Newcomer wie Oscar Ouyang, Joshua Ewusie und Maximilian Raynor frische Perspektiven auf den Laufsteg und festigten Londons Rolle als Entdeckungsplattform. Diese Designer:innen reihten sich in eine wachsende Liste von Talenten ein, die durch NewGen gefördert wurden – von Simone Rocha bis Richard Quinn.

Diese Feier des Talents entfaltet sich jedoch vor dem Hintergrund einer nachlassenden Nachfrage nach Luxus. Burberry, Londons global bekanntester Player, befindet sich weiterhin im Wandel im Rahmen seiner „Burberry Forward“-Strategie und steckt somit noch in den frühen Phasen, die Begehrlichkeit der Marke neu aufzubauen. Dabei setzt sie auf „zeitlose britische Luxuswerte“ als Verkaufsargument.

Nachdem Burberry zuvor den LFW-Kalender verlassen hatte, betonte die Marke in den vergangenen Saisons bewusst ihre Rückkehr, um die Verbindung zu ihrer britischen Identität wiederzubeleben. Diese Bemühungen setzten sich auch in der SS26-Kollektion fort, für die Designer Daniel Lee neue Markenzeichen wie die Summerside- und Rayne-Trenchcoats einführte, während er zugleich Archivstücke wie die klassische Harrington-Jacke und das traditionelle House Check-Muster hervorhob.

Burberry SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Britische Identität erlebt Verjüngung durch jüngere Marken

Die starke Orientierung an einem angeborenen Sinn für „Britishness“ wirft die Frage auf, ob diese Identität für heutige globale Luxus-Konsument:innen noch relevant ist. Im Gegensatz zu anderen Traditionsmarken, die sich ebenfalls stark auf den nationalen Charakter stützen, gehen neuere Labels oft unbeschwerter an das Thema heran – manche machen sich sogar über die Vorstellung von Tradition lustig. Der Kontrast zwischen etablierten Marken, die auf Nostalgie setzen, und experimentellen Labels, die neu definieren, was „britisch“ bedeutet, war eine der auffälligsten Gegensätze der LFW – und fiel in eine Zeit, in der auch die britische Gesellschaft insgesamt ähnliche Diskussionen führt.

Prototypes Series09 – ein Designkollektiv, das off-schedule präsentierte – nutzte seine erste Londoner Show, um indirekt die aktuelle Debatte über Einwanderung im Vereinigten Königreich aufzugreifen. Am deutlichsten zeigte sich dies in einem Kleid in Form einer Flagge mit der Aufschrift „Everyone’s Welcome“. Weitere Stücke – etwa Strumpfwaren inspiriert von Riot-Gear, eine Neuinterpretation des klassischen Hahnentrittmusters sowie modernisierte mittelalterliche Silhouetten – unterstrichen noch stärker das Spiel des Kollektivs mit kulturellen Archetypen, die mit Großbritannien verbunden sind, und warben für Zusammenhalt in einer Zeit großer Unsicherheit.

Die Marke gehört zu einer neuen Generation, die die Grundlagen dessen legt, was die London Fashion Week künftig sein könnte. Relativ junge Namen wie Chopeva Lowena und Conner Ives zählen inzwischen zu den festen Größen der Modewoche und ziehen Beobachter:innen mit klar erkennbaren Identitäten in ihren Bann. Noch neuere Gesichter wie Jawara Alleyne, Johanna Parv und Pauline Dujancourt bringen ebenfalls Bewegung hinein und fördern einen breiteren kreativen Wandel innerhalb der gesamten Fashion Week. Die Herausforderung besteht nun darin, diese aufstrebende Kraft nachhaltig zu sichern.

Chopova Lowena SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Fashion East als Beispiel für Londons doppelte Identität

Dieses Gleichgewicht zwischen Tradition und Experiment war am sichtbarsten bei der Jubiläumsshow zum 25. Geburtstag von Fashion East. Die Veranstaltung ging über eine reine Retrospektive hinaus – mit Ausstellung und Laufstegprogramm – und brachte Alumni des Inkubators, wie Simone Rocha und Mowalola, mit der neuesten Designer:innen-Generation zusammen.

Damit verkörperte sie Londons doppelte Identität und die Fähigkeit, Vermächtnis zu ehren und gleichzeitig eine neue Generation zu fördern. Die Präsentation veranschaulichte auch Weirs zentrale Botschaft: Mode ist nicht nur Geschäft, sondern ein Mittel, Kultur zu formen – und beides muss koexistieren, um die Zukunft der Fashion Week zu sichern.

Fashion East SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

Die Präsenz bedeutender, etablierter Namen war jedoch ebenfalls ein Vertrauensbeweis für London. Der schwedische Modegigant H&M kehrte mit einem glanzvollen Event in den offiziellen Kalender zurück und präsentierte das nächste Kapitel seiner laufenden Marken-Neuausrichtung. Das dänische Label Nanushka wiederum feierte sein Debüt auf dem Programm – als Teil einer umfassenderen Strategie, den britischen Markt direkter anzusprechen. Durch solche Namen zeigt die Stadt weiterhin, wie wichtig sie für die globale Branche bleibt. Zusammengefasst war die LFW SS26 weniger eine saisonale Präsentation, sondern vielmehr ein Pilotprojekt für die Zukunft der britischen Mode. Jubiläen von Marken wie Roksanda unterstrichen die Widerstandsfähigkeit, während das Auftreten neuer Stimmen auf eine Zukunft der kulturellen Kritik und Hybridisierung hindeutete. Zwischen Burberrys Bemühungen, britischen Luxus neu zu verankern, und der Identitäts-Neudefinition durch aufstrebende Marken offenbarte die Woche ein breites Spektrum dessen, was „britische Mode“ heute sein könnte. Mit Blick nach vorn könnte London unter Weirs Reformen seine Fragilität weiter in Stärke verwandeln – und möglicherweise die Regeln für die Zukunft der LFW neu schreiben.

Nanushka SS26. Credits: ©Launchmetrics/spotlight

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