Logistik im Einzelhandel - wie man Retouren optimieren und Verpackungen grüner machen kann
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Ein Thementag des Mittelstand-Digital Zentrums Handel am 5. März 2025 gab Einzelhändler:innen und anderen Interessierten die Möglichkeit, das Thema Logistik von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Im Fokus standen Retouren und Verpackungen, aber auch der digitale Lieferschein und eine grünere Logistik.
Verpackungen aus Altplastik
Der Thementag startete mit der Vorstellung von Wildplastic, einem Unternehmen, das sich der Mission verschrieben hat, eine Welt ohne wilden Plastikmüll zu schaffen. „Wildes Plastik“ ist all jenes Plastik, das sich außerhalb des Recyclingkreislaufs auf illegalen Mülldeponien, in der Natur oder im Straßenbild befindet. Seit den 50er Jahren wurden weltweit 6,3 Milliarden Tonnen Plastikmüll produziert und jedes Jahr kommen 400 Millionen Tonnen Neuplastik hinzu, Tendenz steigend. Davon wurden laut Wildplastic bislang nur 9 Prozent recycelt; 12 Prozent wurden verbrannt und 79 Prozent liegen noch in der Umwelt, wo sie enorme Auswirkungen auf Mensch und Natur haben.
Zusammen mit Partner:innen sammelt das 2019 gegründete Unternehmen das „wilde“ Material und vertraut auf lokale Sammelorganisationen, um so die wichtige Expertise für die Gegebenheiten vor Ort zu nutzen und vorhandene Strukturen zu unterstützen - derzeit in Indien, Ghana, Nigeria, Thailand, Indonesien und Sierra Leone. Das wilde Plastik wird dann zu neuen Produkten verarbeitet - etwa zu Müllbeuteln, aber auch Versandtaschen, die der Onlinehandel nutzen kann.
„Dies ist eine echte Systeminnovation: Wir verbinden Kunststoffe mit Europa, wo der Bedarf ist“, erklärt Wildplastic-Mitbegründer Christian Sigmund. Und die Kund:innen verstehen, dass jedes Produkt etwas anders ist. „Es sind Taschen aus Altplastik, also ist es authentisch und nachvollziehbar, wenn die Produkte nicht perfekt aussehen“, so Sigmund.
Auf die Frage nach der Wirtschaftlichkeit, also ob man für die Nachhaltigkeit auch mehr bezahlt, antwortet der Innovator: „Pro Versandtasche sind es je nach Modell nur wenige Cents oder sogar nur ein Bruchteil eines Cents mehr. Dafür wird ein fairer Lohn gezahlt und wir retten ein Material, was sonst verloren wäre. Das ist etwas teurer, aber bei der einzelnen Unit kaum merkbar.“
Mehrwegverpackungen
Auch das Unternehmen von Rudi Siegle beschäftigt sich mit Verpackungen für den Einzelhandel - Mehrwegverpackungen genauer gesagt. Reuse.me ist seit etwa einem Jahr und nach sorgfältiger Recherche auf dem Markt, wie man Versandtaschen aus Recyclingmaterial bieten kann, die Teil eines geschlossenen Kreislaufes sind.
“Wir haben unser eigenes Kreislaufsystem aufgebaut“, erklärt Siegle. Über die Reuse.me App bekommen Kund:innen Pfand oder andere Anreize wie etwa Coupons, um die erhaltenen Verpackungen an sogenannten Drop-points zurückzugeben, damit sie wiederverwendet werden können. „Derzeit haben wir mehr als 700 Drop-points in Deutschland, hauptsächlich bei DHL und Hermes. Bis Ende des Jahres soll diese Zahl auf 2000 wachsen und wir wollen in den deutschsprachigen Raum expandieren“, verrät Siegle. Sollte ein Unternehmen die eigenen nachhaltigen Verpackungen beibehalten wollen, kann man diese auch über ID-Sticker kreislauffähig machen.
Sermin Reinold, Gründerin des Labels Dayê Rose für zeitlose und nachhaltige Still- und Umstandsmode, verwendet Reuse.me-Verpackungen und hat dafür gutes Feedback von ihren Kundinnnen bekommen. Sie lacht auf die Frage, ob diese eine Wahl zwischen Ein- und Mehrweg bekommen: „Nein, man muss das als Unternehmen einfach vorleben.“ Interessant ist auch, dass das Label ganz ohne Polybags auskommt, da die Ware bereits von der Produktionsstätte einzeln unverpackt verschickt und auch so gelagert wird. Wie funktioniert das? „Unsere Transportwege sind kurz. Wir haben dem herstellenden Betrieb gesagt, die Ware, einfach wie sie ist, in den Karton zu legen und das funktioniert gut. Wenn überhaupt kann mal ein bisschen Staub vom Karton auf einem schwarzen Pullover zu sehen sein, aber das ist alles”, berichtet Reinold.
Auch im Lager kommt das Label ohne Polybags aus, da es sich um eine kleine, renovierte Fläche handelt. „Wir verwenden auch gute Unterlagen, so dass von unten nichts kommen kann“, verrät Reinold.
Retourenmanagement
Tobias Röding vom EHI Retail Institute stellte die neue Studie „Trendreport Handelslogistik 2025“ vor, und bezog sich besonders auf Ergebnisse zum Retourenmanagement beziehungsweise die Untersuchung „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2024“. Ein Thema, mit dem sich der Einzelhandel bereits seit Jahren intensiv beschäftigt. Gerade die Bereiche Mode und Accessoires sowie Sport und Freizeit haben in Deutschland mit hohen Retourenquoten zu kämpfen, mit Kosten zwischen 5 und 20 Euro pro Artikel. Dabei entfällt ein Großteil der Kosten auf die Prüfung und Sichtung von Artikeln, gefolgt von Transportkosten, Wertverlust (wenn ein Wiederverkauf nicht möglich ist), Aufbereitung und Reparatur sowie die Wiedereinlagerung.
Als Maßnahmen zur Retourenvermeidung wurde von den befragten 146 Unternehmen detaillierte Produktinformationen und aussagekräftige Fotos und Beschreibungen genannt, ebenso sichere Verpackungen, hohe Produktqualität, dem Nachgehen der Gründe für Reklamationen/Retouren und gerade bei Textilien dem Sammeln weiterer Gründe.
Was die Verpackungen angeht, so benutzt ein Großteil der Befragten (94 Prozent) Einwegverpackungen und nur ein Fünftel Mehrwegverpackungen. Als Hauptherausforderung beim Einsatz von Mehrweg-Versandverpackungen wurden an erster Stelle die Kosten genannt, das Nicht-Zurücksenden der Verpackungen, der Koordinierungsaufwand sowie beim Öffnen beschädigte Verpackungen.
Röding nannte in seinem Vortrag auch das präventive Retourenmanagement, etwa die Nennung von Umwelt-Kosten-Hinweisen, um Mehrfachauswahl-Bestellungen zu reduzieren (ein Artikel wird in verschiedenen Farben und Größen bestellt), sowie ein Hinweis auf diese vor dem Bezahlen. Ein Bonus-Malus-System funktioniert in Kombination, also die Belohnung für die Vermeidung von Retouren beziehungsweise ein Kostenfaktor für Retouren.
Retourenmanagement als Potenzial
Alena Schneck setzte in ihrem Vortrag beim ungenutzten Potential des Retourenmanagements an. Ihr 2023 gegründetes Start-up Toern hilft Unternehmen dabei, diese vom „Pain Point“ im Customer Journey zum Potenzial zu machen beziehungsweise unzufriedene Kund:innen zu Fans. Wie kann dies gelingen? Toern bietet eine Optimierung für Onlineshops an, die unkompliziert in typische Shop-Systeme eingefügt werden kann.
Auffällig ist in Deutschland das hohe Retourenvolumen, das mit Kosten und Emissionen verbunden ist. Zudem bemerkte Schneck, dass während große Shops ihren Retourenprozess selbst digitalisiert haben, kleine und mittelständische Unternehmen immer noch viele Papierformulare oder die DHL-Retourenanmeldung verwenden, der Prozess also noch sehr analog ist.
Um Retouren zu nutzen, ist es wichtig, von Kund:innen zusätzliches Feedback zu gewinnen, also etwa warum genau ein Artikel zurückgesendet wurde. Die Bereitschaft dazu wird von drei Gründen motiviert: Die Kund:innen wollen ihre Erfahrungen teilen, aus Verbundenheit zur Marke oder weil sie das Erlebnis nicht gut fanden.
Die so gewonnenen Erkenntnisse können wichtige Impulse liefern, etwa beim Designprozess der nächsten Kollektion, wenn etwa ein Artikel an bestimmten Stellen nicht passt (Schneck lieferte das Beispiel eines Badeanzugs, der im Brustbereich zu eng entwickelt wurde und deshalb Kundinnen mit größeren Oberweiten nicht passte). Aber auch bei der Erstellung von Produktbildern, die gerade Farben und Muster genau abbilden sollten.
Auf die Frage, ob dies bedeute, dass man alle Retourengründe manuell durchlesen müsse, konnte Schneck beruhigend sagen: „Wir automatisieren alles, was man automatisieren kann.“
Der digitale Lieferschein
Ein weiterer Bereich der Logistik, der (noch) papierlastig ist, ist der Lieferschein - allein der Lebensmitteleinzelhandel nutzt 20 Millionen analoge Lieferscheine pro Jahr. Hier stellte Aljoscha Rix von der GS1 Germany GmbH den digitalen Lieferschein vor, der seit dem 2. November 2022 live ist und den in Deutschland bereits 137 Unternehmen nutzen, darunter DHL, DM, Lidl und Rewe.
Er funktioniert, ohne dass Fahrer:innen eine App herunterladen müssen, was angesichts von Sprachbarrieren und unterschiedlichen Digitalisierungsaffinitäten ein Vorteil ist. Sie brauchen lediglich ein Smartphone, mit dem sie am Abholort und am Zielort den Lieferschein scannen. Dieser ist dann über ein elektronisches Wallet auf ihrem Handy verfügbar - wo sie ihn zum Beispiel bei einer Polizeikontrolle vorzeigen können.
Der digitale Lieferschein wird von den Industriepartner:innen in der Cloud abgelegt; Warenausgangsmitarbeitende und Fahrer:innen quittieren digital, zum Beispiel auf einem Tablet. Den Link zum Dokument in der Cloud erhalten letztere über einen QR-Code, den sie vor Fahrtantritt mit ihrem Smartphone scannen. Beim Einzelhandelsunternehmen angekommen, wird der QR-Code dann vom Smartphone gescannt. Damit haben die Mitarbeitenden im Wareneingang Zugang zum Link in der Cloud. Eventuelle Mengen- oder Qualitätsabweichungen können ebenfalls digital festgehalten werden. Der quittierte Lieferschein ist nun digital für alle Mitglieder der Lieferkette verfügbar.
Grüne Logistik im Einzelhandel
Abschließend beschäftigte sich Sarah Großkopf vom Mittelstand-Digital Zentrum Handel mit der Frage, wie man die Ressourcen in der Handelslogistik besser und ökologischer nutzen kann und identifizierte drei Ansatzpunkte für grüne Logistik im Einzelhandel: den Gütertransport, den Onlineversand und Verpackungen.
Gütertransport
Beim Güterverkehr schlagen besonders lange Lieferketten und lange Transportstrecken zu Buche, aber auch die Vielzahl an Lieferungen per Luftfracht (man denke an D2C-Anbieter wie Temu, Shein und Co.). Hier könnte eine Kombination aus Schiene für größere Strecken und Straße für Zielorte außerhalb des Schienennetzes greifen. Auch ein kontinuierliches Bestandsmanagement, die Konsolidierung von Bestellungen, Belohnungssysteme für Fahrten mit geringeren Emissionen und eine computergestützte Routenoptimierung wären neben dem lokalen Sourcing und kürzeren Lieferwegen Ansatzpunkte.
Onlinehandel
Im Onlinehandel fördern kostenlose und bequeme Retouroptionen ein erhöhtes Bestellverhalten. Ein hohes Transportaufkommen verstärkt die Emissionen und Versandverpackungen tragen zum Abfall aufkommen und zum Ressourcenverbrauch bei. Hier könnten klimafreundliche Versandoptionen angeboten werden, ebenso Kompensationsmöglichkeiten und der Einsatz von E-Mobilität und Fahrradkurieren auf der letzten Meile.
Auch die Kommunikation mit der Kundschaft ist wichtig: so sollten etwa verschiedene Zustellmethoden und ihre Umweltauswirkungen dargestellt werden, ebenso ein Hinweis auf Mehrfachbestellungen des gleichen Artikels in verschiedenen Größen und Farben und kostenpflichtige Retouren. Die Lieferung könnte kostenlos sein, wenn sie an eine zentrale Sammelstelle oder Filiale geht.
Versand
Beim Versand wurden umweltfreundlichere Alternativen wie etwa die Mailing Bags von Wildplastic und die Mehrwegversandtaschen und -tüten von Reuse.me bereits diskutiert. Weitere Anbieter wie Boomerang, die Post und plastikfreie Versandtaschen von Otto sind ebenfalls im Gebrauch.
Ein weiterer Bereich, der die Emissionen im stationären Einzelhandel senken würde, ist die Umstellung der Kund:innen vom eigenen PKW auf öffentliche Verkehrsmittel, da die Anfahrt zum Geschäft 30 Prozent der verbrauchten CO2-Emissionen ausmacht. Fahrradparkplätze könnten die Nutzung dieses Verkehrsmittels erleichtern.