Legerer Stil eher gefragt - Coronavirus setzt Krawattenherstellern zu
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Ausgefallene Familienfeste und der Trend zu mehr Homeoffice in der Corona-Krise setzen Krawattenherstellern in Deutschland zu. Krawatten wurden zuletzt immer weniger verkauft, wie der BTE Handelsverband Textil mitteilte. Insgesamt habe der stationäre Mode-Fachhandel zwischen März und August 2020 rund fünf Milliarden Umsatz eingebüßt - das sei ein Drittel weniger.
"Das Geschäft mit Herrenmode ist noch schlechter gelaufen, so dass davon ausgegangen werden kann, dass es bei Krawatten einen Umsatzrückgang von mindestens 50 Prozent im stationären Handel gab. Das ist aber nur eine Schätzung", sagte BTE-Sprecher Axel Augustin der Deutschen Presse-Agentur. Da das Geschäft mit Krawatten nur einen "kleinen Markt" am gesamten Bekleidungshandel ausmacht, sind genaue Umsatzzahlen nicht bekannt. Der Gesamtumsatz mit Bekleidung lag in Deutschland zuletzt bei 60 Milliarden Euro ohne Schuhe.
Allerdings melden auch Krawattenhersteller selbst Umsatzverluste. Die ersten Monate der Krise seien "extrem problematisch" gewesen, da die Geschäfte in Deutschland und anderen europäischen Ländern schließen mussten, sagte die Geschäftsleiterin des Krefelder Traditionsunternehmens Ascot, Barbara Pauen. Der Online-Handel habe den Absatzverlust nicht ansatzweise auffangen können. Die Umsätze seien zuletzt um 50 bis 60 Prozent zurückgegangen.
"Wir sind aber noch gut aus der Zeit gekommen, da wir ab März angefangen haben, Masken herzustellen", sagt Pauen. Ascot ist nach eigenen Angaben der einzige deutsche Krawatten-Hersteller, der ausschließlich noch am Standort Deutschland produziert. Bis zu 40 Mitarbeiter stellen am Standort Krefeld Schleifen, Strickkrawatten und Schals her. Wie schnell die Krawatte den Weg aus der Krise findet, sei kaum abzusehen. Aufgrund von Rücklagen und sparsamen Wirtschaftens in vergangenen Generationen ist Pauen aber zuversichtlich, dass Ascot die Corona-Krise überstehen werde.
Dass immer weniger Krawatten getragen werden, ist laut Pauen bereits seit Jahren zu beobachten. "Dieser Trend hat sich in der Corona-Krise verschärft und läuft wie unter einem Brennglas ab." Die Anwesenheit im Homeoffice, mehr Telearbeit statt Konferenzen und die Absage großer Feste in der Krise wie Hochzeiten und Konfirmationen, zu denen man sich eher schick anzieht, werden als Gründe genannt.
Dazu kommt: "Bereits seit vielen Jahren sehen wir eine Entwicklung, die wir Casualisierung nennen", erklärt Marc Fritz vom Bekleidungshersteller Olymp Bezner in Bietigheim-Bissingen. Im Berufsleben werde zunehmend der korrekte Businessanzug gegen einen legeren Baumwollanzug oder die klassischen Halbschuhe gegen Sneaker eingetauscht. Auch auf die Krawatte werde nun eher verzichtet. "Dieses Accessoire hat mitunter noch etwas Biederes, Spießiges - das wollen viele ablegen", erklärt Fritz. Ohnehin gebe es nur noch wenige Bereiche, die noch als "Bastion der Krawatte" gezählt werden könnten - der Politikbetrieb etwa oder die TV-Nachrichtenmoderation.
Auch Olymp Bezner, die neben Krawatten auch Hemden und T-Shirts herstellen, bekommen daher die rückläufige Nachfrage zu spüren. Binnen der vergangenen zwölf Monaten gingen die Absatzzahlen bei Krawatten um mehr als 40 Prozent zurück. Auch der Umsatz sei zuletzt rückläufig gewesen, er mache aber auch nur einen kleinen Anteil des Geschäfts aus. Auch Firmensprecher Fritz nennt als Grund den Trend zu eher lockeren Outfits im Job und Alltag. "Die Corona-Krise hat diesen Trend noch einmal sehr beschleunigt. Das trifft uns natürlich als Hersteller und darauf müssen wir uns einstellen."
Olymp Bezner versuche durch neue Produkte dem Trend der Casualisierung nachzukommen. Statt auf der Krawatte liege der Fokus nun mehr auf anderen Accessoires wie etwa Einstecktüchern oder Hosenträgern. "Die können den Umsatzverlust mit Krawatten insgesamt aber nicht auffangen", erklärt Fritz. Statt Krawatten als Farbtupfern bekomme mittlerweile auch die Gestaltung von Hemden mehr Aufmerksamkeit. Beispielsweise wird mit farbigen Knöpfen, Krageninnenseiten oder Säumen gearbeitet. Außerdem setze man auf alternative Materialien wie beispielsweise Jersey. (dpa)
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