Könnte Ägypten bis 2035 zum nächsten Hub der Bekleidungsproduktion werden?
In den ersten vier Monaten des Jahres 2025 erreichten Ägyptens Exporte von Konfektionskleidung (Ready-Made Garments, RMG) einen Meilenstein und überschritten die Marke von einer Milliarde US-Dollar (rund 860 Millionen Euro). Nach der Lebensmittel- und Getränkeindustrie ist die Textil- und Bekleidungsindustrie heute der zweitgrößte Industriesektor Ägyptens. Im Jahr 2024 stiegen die Textilexporte des Landes um fast ein Fünftel (18 Prozent) auf 2,84 Milliarden US-Dollar (wovon 800 Millionen durch Denim-Exporte generiert wurden), angetrieben durch die Nachfrage in Märkten wie Europa, den USA und Afrika. Gemäß den Modernisierungsplänen der ägyptischen Regierung soll diese Zahl bis 2031 ehrgeizige 12 Milliarden US-Dollar (10,29 Milliarden Euro) erreichen.
Doch ist diese Zahl wirklich ehrgeizig, oder befindet sich die ägyptische Textil- und Bekleidungsindustrie schlichtweg auf einem Wachstumskurs, der von vielen vorteilhaften Faktoren begünstigt wird? Branchenexpert:innen zufolge könnte das Land zwischen 2035 und 2045 zum nächsten großen Sourcing-Hub avancieren.
„Die Nachfrage wächst definitiv viel schneller als das Angebot. Für mich macht das Ägypten optimistisch gesehen innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre zu einem zentralen Produktionsstandort“, sagte Taha Sharabati, Direktor für Weberei und Denim-Färberei bei Sharabati Denim, im November beim ersten „Inside Denim — Raw Talk“-Webinar.
Laut Magdy Tolba, dem Vorsitzenden von T&C Garments Egypt, einem 2010 gegründeten Joint Venture zwischen der ägyptischen Tolba Group und der türkischen Taypa Group, gibt es keinen Grund, warum Ägypten in Zukunft nicht 40 Milliarden US-Dollar (rund 34 Milliarden Euro) an Bekleidungsexporten erreichen und mit bekleidungsproduzierenden Ländern wie Bangladesch gleichziehen sollte.
„Ägypten hat tatsächlich das größte Potenzial“, sagte er auf der Messe Denims and Jeans im Februar 2025 in Kairo. „Wir befinden uns in der Mitte der Welt; die Logistik ist optimal, wir liegen genau zwischen Fernost, woher die meisten Rohstoffe kommen, und den Hauptmärkten, nämlich Europa und den USA“, fügte er hinzu.
FashionUnited hat die strategischen Vorteile des Landes genauer unter die Lupe genommen.
Ägyptens strategische Vorteile
Ein großer Vorteil ist der Standort. Durch die Lage direkt am Mittelmeer befindet sich Ägypten in einer günstigen Position für den europäischen Markt. Zudem erleichtert die Nähe zum Suezkanal und zum Roten Meer den weltweiten Versand von Produkten. Routen in die USA dauern beispielsweise 12 Tage, verglichen mit über einem Monat von asiatischen Häfen aus.
Ebenfalls überzeugend ist die junge und wachsende Arbeiter:innenschaft. Fast drei Fünftel (58 Prozent) der rund 118 Millionen Einwohner:innen Ägyptens sind derzeit unter 30 Jahre alt. Rund 1,5 Millionen von ihnen, davon 50 Prozent Frauen, sind in den mehr als 2.500 Bekleidungsfabriken beschäftigt.
Ein dritter Vorteil sind die qualifizierten Arbeitskräfte. Mit Wurzeln, die bis etwa 5000 v. Chr. zurückreichen, blickt der Textilsektor des Landes auf eine lange Geschichte zurück. Neben Spinnerei und Weberei bis hin zur Konfektionierung stellt die Regierung sicher, dass Berufsbildungsprogramme die Fähigkeiten innerhalb der Branche kontinuierlich verbessern.
Die vertikale Integration der Landes bietet einen weiteren Vorteil. Ebenfalls aus der langen Textil- und Bekleidungstradition resultierend, ist die gesamte Wertschöpfungskette in Ägypten vorhanden: vom Anbau der Rohstoffe (hauptsächlich Baumwolle) über die Herstellung von Garnen, Stoffen, Filamentgarnen und Fasern bis hin zur Produktion von Konfektionskleidung und Heimtextilien. Aufgrund ihrer Langstapelfasern ist ägyptische Baumwolle für ihre Haltbarkeit und ihre Weichheit bekannt, was sie zu einem beliebten Exportgut macht.
Niedrige Löhne sind für viele Investor:innen ein weiterer Anreiz. Trotz der vorteilhaften Lage nah an Europa weist Ägypten nicht die hohen Löhne auf, die man in Europa findet. Tatsächlich hat Ägypten mit Monatslöhnen zwischen 140 und 240 US-Dollar (zwischen 120 und 205 Euro) einen Vorteil gegenüber näher gelegenen Beschaffungszielen wie der Türkei und Osteuropa sowie weiter entfernten wie Bangladesch, Pakistan, Indien und Vietnam.
Ein sechster Vorteil ist der günstige Strom. Die Stromkosten in Ägypten liegen bei etwa 7 Cent pro Kilowattstunde, verglichen mit dem Drei- bis Vierfachen dieses Betrags in anderen Sourcing-Destinationen, wie zum Beispiel China. Während ein Großteil (88 Prozent) des erzeugten Stroms von fossilen Brennstoffen abhängt, bleiben Ägyptens Pro-Kopf-CO2-Emissionen unter dem globalen Durchschnitt. Zudem hat sich das Land verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energiequellen von derzeit rund 7 Prozent (hauptsächlich aus Wasserkraft) bis 2035 auf 42 Prozent zu erhöhen.
Inländische Investitionen tragen ebenfalls zu Ägyptens Anreizen bei. Das Land tätigt derzeit große Investitionen in fortschrittliche Technologien (wie digitale Textildruckmaschinen), Systeme und nachhaltige Produktionsmethoden, um sein Engagement für die Anpassung an globale Standards zu zeigen, insbesondere an die EU-Gesetzgebung, da die EU das wichtigste Exportziel des Landes für Textilien ist (35 Prozent), gefolgt von der Türkei (30 Prozent), dem Nahen Osten und Nordafrika (MENA; 23 Prozent) und Afrika (10 Prozent).
Ein nicht zu verachtender Vorteil ist die Infrastruktur. Zu den genannten Investitionen gehören nämlich auch solche in die Infrastruktur des Landes, um internationale Investitionen anzuziehen und Ägypten als Beschaffungsstandort zu etablieren. So fördert das Land Sonderwirtschaftszonen wie die Suez Canal Economic Zone (SCEZ). Sie wurde 2015 gegründet, umfasst über 461 Quadratkilometer und liegt strategisch günstig an der Kreuzung wichtiger internationaler Schifffahrtsrouten entlang des östlichen und westlichen Ufers des Suezkanals.
Sie umfasst eine neue große Schnellstraße, die Ost-Port Said mit dem regionalen Netz verbindet, sechs neue Straßen- und Eisenbahntunnel, sieben Unterwassertunnel unter dem Suezkanal zur Verbindung der Sinai-Halbinsel mit dem ägyptischen Festland sowie Strom-, Wasser- und Telekommunikationsnetze. Neun geplante Fabriken und zwei Servicezentren wurden im März dieses Jahres inmitten früherer Textilcluster angekündigt.
Internationale Investitionen erweisen sich im In- und Ausland als Vorteil und Anziehungspunkt. Veranlasst durch zusätzliche US-Zölle auf China und steigende Löhne sucht China schon seit einiger Zeit nach alternativen Beschaffungsstandorten in Bangladesch, Vietnam und Myanmar. Mit seinen vielen Vorteilen passt auch Ägypten ins Bild und sicherte sich allein im Juni 2025 rund 70 Millionen US-Dollar (rund 60 Millionen Euro) von chinesischen Textilunternehmen, darunter Zhejiang Holding und Jiangsu Haite Fashion Company. Jiangsu Guotai unterzeichnete im März 2025 eine Vereinbarung über eine 10 Millionen US-Dollar (rund 8,6 Millionen Euro) teure Bekleidungsfabrik in der Suez Canal Economic Zone.
Auch für die Türkei ist Ägypten ein strategisches Ziel direkt auf der anderen Seite des Mittelmeers, und viele türkische Bekleidungsunternehmen haben bereits Investitionen in Ägypten getätigt. Die Verlagerung von Maschinen nach Ägypten zur Erweiterung ihrer aktuellen Produktionskapazitäten ist bereits im Gange, und laut Sharabati könnten diese innerhalb der nächsten sechs Monate bis zu einem Jahr betriebsbereit sein. Bei Textilfabriken schätzt er den Zeitraum auf zwei bis drei Jahre, da es sich um eine größere Investition handelt, die nicht so einfach einzurichten ist.
Der zehnte und sicher nicht letzte Vorteil sind strategische Handelsabkommen. Abkommen wie die ägyptische Qualified Industrial Zone (QIZ) und der zollfreie Marktzugang zur EU wirken sich zu Ägyptens Gunsten aus. Zudem wurde Ägypten, zusammen mit der Türkei, Marokko und anderen, von jeglichen außergewöhnlichen US-Zöllen befreit, wodurch diese auf dem Minimum plus zehn Prozent gehalten werden.
Fazit
Angesichts mehrerer bestehender Textilcluster in der Nähe von Großstädten wie Kairo, Alexandria und Port Said sowie geplanter Cluster und Industriezonen im Hinblick auf eine wachsende Nachfrage nach in Ägypten hergestellter Kleidung – sowohl im Inland als auch international – entwickelt sich Ägypten zu einem attraktiven Beschaffungsstandort. Darüber hinaus machen ein großer Pool an qualifizierten Arbeitskräften und der einfache Zugang zu Rohstoffen es Unternehmen leicht, hier eine Basis zu errichten – zum Beispiel dem globalen Design- und Fertigungsunternehmen Delta Galil Industries.
„Dass viele Fabriken nach Ägypten ziehen, ist nur positiv für Sharabati und für jede Marke, die in Ägypten arbeiten möchte. Wenn mehr Unternehmen in Ägypten ansässig sind, wird dies zur Verbesserung der Infrastruktur beitragen und einen zentraleren Standort für Bekleidung schaffen. Man kann alle Zutaten, Accessoires und Knöpfe an den Produktionsstandorten in Ägypten beziehen, was ein vollständiges Ökosystem rund um die Bekleidungsproduktion in Ägypten schafft“, fasst Sharabati zusammen.
„Wir sind ehrlich gesagt sehr froh, dass viele Leute nach Ägypten kommen, denn das wird Ägypten zu einem sichereren Standort für viele der Marken machen, die in Ägypten produzieren wollen und mehrere verschiedene Lieferbetriebe haben möchten“, fügte er hinzu.
Während abzuwarten bleibt, ob sich Ägypten innerhalb der nächsten zehn Jahre als einer der wichtigsten Sourcing-Hubs etablieren wird, scheint das Land auf einem guten Weg dahin zu sein.
- Ägyptens Exporte von Konfektionskleidung überschritten 2025 die Milliardengrenze, mit ehrgeizigen Zielen für die Zukunft und Prognosen, das Land zum nächsten großen Sourcing-Hub zu machen.
- Dieses Wachstum wird durch strategische Vorteile wie die zentrale geografische Lage, junge und qualifizierte Arbeitskräfte, vertikale Integration, niedrige Lohn- und Stromkosten sowie inländische und internationale Investitionen begünstigt.
- Umfassende Infrastrukturprojekte, technologische Modernisierung und vorteilhafte Handelsabkommen etablieren Ägypten als attraktives und vollständiges Ökosystem für die Bekleidungsproduktion.
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