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Keine Mindestbestellungen, volle Flexibilität: So will You Too den Handel knacken

Die Modebranche befindet sich derzeit in einem tiefgreifenden Wandel. Klassische Handels- und Vertriebsmodelle geraten unter Druck, viele etablierte Konzepte straucheln, während Konsument:innen steigende Ansprüche an Preis, Qualität und Nachhaltigkeit stellen. Vor diesem Hintergrund gründete Kerstin Bernecker das Label You Too.

Als alleinige Geschäftsführerin der neu gegründeten Club of Quality GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main lancierte Bernecker Ende letzten Jahres ihr neues Projekt, das auf Erfahrung ebenso wie auf Rückschlägen aufbaut. Ihre vorherige Marke Funky Staff stellte im November 2023 den Betrieb ein, nachdem die Funky_Care GmbH Insolvenz anmeldete. Schon damals setzte die Designerin ergänzend zum Fashion-Programm auf eine Basic-Linie mit kurzen Lieferzeiten. Mit You Too geht Bernecker nun jedoch noch einen Schritt weiter.

Keine klassischen Handelsvertreter:innen, keine Mindestbestellungen und flexible ‘Short Term’-Zyklen – könnte genau dieses Konzept die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen der Branche sein? Uwe Bernecker, freier Consultant für You Too, begleitet die Marke strategisch und überwacht die Produktion in Portugal.

FashionUnited sprach mit ihm über die Gründung, das Geschäfts- und Liefermodellmodell sowie die Chancen in einem turbulenten Markt.

Herr Bernecker, was hat nach der Insolvenz von Funky Staff zur Gründung von You Too geführt?

You Too ist aus zwei Herzen entstanden – und daraus wurde dann auch das Herz im Logo. Die beiden Designerinnen, Kerstin und Sabine, arbeiten seit 1993 zusammen. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Herz und eine Seele, verstehen und ergänzen sich perfekt. Nach der Insolvenz von Funky Staff standen sie vor der Frage: „Wie geht es weiter?“ Sie spürten beide noch viel Energie und Tatendrang, also nahmen sie sich ein paar Wochen Zeit und entschieden schließlich, weiterzumachen.

Was hat Frau Bernecker aus der Insolvenz mitgenommen?

Kerstin wollte das neue Projekt in Portugal realisieren. Sie wollte die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Themen wie Unzuverlässigkeit, schwankende Qualität, fehlende Transparenz und Nachhaltigkeit spielten dabei eine zentrale Rolle. Natürlich weiß sie aus Erfahrung, dass bei vielen Konsument:innen das Thema Nachhaltigkeit an der Kasse endet. Aber wenn man schon eine neue Marke gründet, dann sollte sie von Anfang an auf diese Werte achten.

Warum fiel die Entscheidung auf Portugal als Produktionsstandort?

Kerstin hat in ihrer Karriere in vielen Ländern produzieren lassen – von Fernost über Polen, Tschechien, Litauen und Italien bis hin zu 15 Jahren in Prato und Neapel. Gerade mit Funky Staff war das ein ständiges Auf und Ab – kurzfristige Produktionsrhythmen, große Verkaufserfolge, aber ebenso große Qualitätsprobleme. Oft hat sie die Lieferungen gar nicht mehr sehen wollen, weil die Angst vor mangelhafter Ware so groß war.

Welche Ziele verfolgen Sie aktuell mit You Too?

Aus den Erfahrungen der Vergangenheit habe ich gelernt. Früher habe ich mich oft völlig verausgabt, heute gehe ich mit mehr Gelassenheit an neue Projekte heran. Ich werde nie still sitzen – ich bin ein Macher – aber ich achte mehr darauf, das Leben zu genießen und mich nicht zu überlasten. Ich bin zudem nur noch als Consultant tätig. Auch Kerstin und Sabine wollen You Too defensiv und überschaubar führen.

Die Ziele für dieses Jahr sind, das digitale Marketing professioneller zu gestalten und gezielt junge Talente einzubinden, die das Konzept verstehen und die Markenpräsentation verbessern können. Bildsprache und Inhalte sollen wertiger und produktgerecht aufbereitet werden, um Premium-Kund:innen besser anzusprechen und den Verkauf zu unterstützen. Gleichzeitig soll die bereits hochprofessionelle Logistik beibehalten werden, die schnelle Warenlieferungen ermöglicht und problemlos höhere Volumina bewältigen kann.

Was bedeutet das konkret für den Wachstum von You Too?

Für dieses Jahr strebt You Too einen siebenstelligen Umsatz an, realistisch rechnen kann man mit etwa 600.000 bis 700.000 Euro. Langfristig soll der Umsatz innerhalb der nächsten fünf Jahre deutlich steigen, ohne dass die familiäre Struktur des Unternehmens aufgegeben wird. Steigender Umsatz wird zudem intern durch vertriebsaffine Teammitglieder unterstützt, um das Wachstum nachhaltig zu sichern. Insgesamt liegt der Fokus auf einer Kombination aus professionellem Marketing, effizienter Logistik und kontrolliertem Wachstum.

Ein Kampagnenfoto von You Too Credits: You Too

Sie verzichten mit You Too auf eine klassische Vertriebsstruktur, warum?

Die Erfahrung mit Funky Staff hat gezeigt, dass nur wenige Handelsvertreter:innen ihre Aufgabe wirklich ernst nehmen. Viele denken zuerst an sich selbst und weniger an die Marke, die sie vertreten. Oft entstanden Konflikte mit Kund:innen genau durch diese missverständliche Vermittlung.

Ganz anders war es, als wir mit Sulu (Anm. d. Red. eine weitere Marke aus dem Portfolio von Uwe und Kerstin Bernecker) zehn Jahre lang eigene Showrooms betrieben – in Hamburg, Düsseldorf, München, Eschborn und Zürich. Dort hatten wir direkten Kund:innenkontakt, und es gab kaum Probleme. Reklamationen wurden unkompliziert gelöst, weil kein „Vertreter:innenfilter“ dazwischenstand.

Ein weiterer Vorteil ist auch, dass die Preise dadurch anders gestaltet werden können. Vertreter:innenprovisionen von 15 Prozent, Kosten für Musterkollektionen und Agenturen entfallen – das macht einen erheblichen Unterschied.

Wie groß ist der daraus resultierende Preisvorteil für Händler:innen im Vergleich zum klassischen Modell konkret?

Wenn man den gleichen Artikel mit gleichem Kalkulationsfaktor im Handel ansetzt, entsteht ein Preis von 119 Euro statt 159 Euro. Das sind 40 Euro Unterschied – ein enormer Vorteil. Gerade jetzt, wo Preissensibilität am Markt herrscht, die Inflation hoch ist und die Einkaufskosten steigen, macht das einen großen Unterschied.

Sie sprachen auch an, dass Musterkollektionen entfallen, wie kommt das?

Dass Musterkollektionen wegfallen, liegt an der Struktur. You Too produziert in ausgewählten Betrieben in Portugal. Ich lebe seit fast zwei Jahren in Porto und habe die Qualität jederzeit im Blick.

Für die Präsentation gibt es dennoch eine Kollektion, die fotografiert und mit der einzelne Kund:innen angefahren werden. Gerade bei Mode, die stark über Qualität und Schnitt verkauft wird, ist das Anfassen der Ware wichtig. Deshalb werden Interessent:innen persönlich besucht, die ernsthaftes Interesse haben.

Sie setzen nicht auf klassische Saisonzyklen, sondern auf eine eigene Taktung für Einkauf und Auslieferung. Wie funktioniert dieses System?

Das You Too-System ist darauf ausgelegt, dass Händler:innen viermal im Jahr ordern und dann flexibel ab Lager nachkaufen können. Neukund:innen starten meist sehr vorsichtig, mit kleinen Mengen. Sobald sie sehen, dass die Ware gut läuft, steigern sie das Budget deutlich. Manche verschieben ihr Verhältnis von 30 Prozent Order und 70 Prozent Lager hin zu 50 Prozent Order und 50 Prozent Lager. Wir empfehlen dennoch, maximal 70 bis 80 Prozent vorzubestellen und flexibel nachzuziehen.

Außerdem gibt es keine Limits und keine Mindestmengen. Händler:innen können einfach einzelne Teile ab Lager bestellen, ausprobieren und Vertrauen aufbauen. Allein die Tatsache, dass You Too keine Mindestorder verlangt, zeigt, dass das Unternehmen von der sehr guten Qualität seiner Ware überzeugt ist. Viele Händler:innen steigen flexibel über den B2B-Shop ab Lager ein. So lässt sich am besten erste Erfahrungen im Umgang mit der Ware sammeln.

Ein weiterer Pluspunkt für You Too ist, dass Händler:innen sofort zahlen mit Skonto oder innerhalb von 30 Tagen. Bevor die nächste Lieferung kommt, ist die vorige bereits bezahlt. Das verbessert den Cashflow enorm, gerade für ein Start-up.

Es handelt sich dennoch nicht um ein klassisches Never-Out-of-Stock-Programm, richtig?

Nein, aber über ein Short-Term-System. Nehmen wir mal eine bestimmte Hose als Beispiel. Diese wurde in einer Saison gleich dreimal nachproduziert – von März bis Mai. Sobald die Nachfrage da war, hat You Too seine Kund:innen per Newsletter und WhatsApp informiert. Innerhalb kürzester Zeit gingen Bestellungen ein, die Produktion wurde angestoßen, und innerhalb weniger Wochen war die Ware wieder verfügbar.

Wie reagieren Händler:innen auf diese neue Taktung?

Die Modebranche gilt zwar als zukunftsorientiert, ist aber in Abläufen oft konservativ. Manche Händler:innen mussten sich erst an die andere Taktung gewöhnen. Besonders schwierig war zu Beginn die Altlast aus der Funky Staff-Insolvenz.

Eine Einkäuferin, die zehn Jahre Funky Staff gekauft hatte, kam zunächst sehr verärgert an den You Too Stand: „Ihr habt mich hängen lassen, nicht mal angerufen!“ Es brauchte ein Gespräch, um die Missverständnisse aufzuklären. Als sie die You Too-Kollektion gesehen hatte, war sie begeistert – bessere Qualität, lässigerer Stil, vertraute Handschrift. Am Ende schrieb sie noch auf der Messe einen Auftrag.

Was steckt hinter dem ‘Drop’-Konzept des Magic Tuesday?

Das Magic Tuesday-Konzept entstand aus der Notwendigkeit, auch ohne Vertrieb regelmäßigen Kontakt zu Händler:innen zu halten. Statt nur auf Showrooms zu setzen, bespielt You Too bewusst auch die Endkund:innen mit Content – wöchentlich oder zweiwöchentlich. Neue Teile werden vorgestellt, gleichzeitig für Business-to-Business und Business-to-Consumer. Es gibt nur ein Lager. Händler:innen und Endkund:innen haben Zugriff auf die gleiche Ware – ein absolutes K.-o.-Kriterium, wenn es anders wäre.

Wie gut laufen die Abverkäufe der Kollektion?

Nicht alle Händler:innen führen genaue Listen, aber die Tendenz ist eindeutig. Schnelle Nachbestellungen zeigen, dass die Ware läuft. Wenn nichts nachkommt, stimmt meist etwas nicht. Insgesamt hören wir sehr häufig: „Das hat sich super verkauft.“ Genau das ist der beste Beleg für den Erfolg des You Too Modells.

Wie wichtig ist es für Händler:innen, auch einen Teil ihres Budgets für neue, ungetestete Konzepte einzuplanen?

Mode lebt davon, dass man Mut hat und Neues wagt und Marken eine Chance gibt. Natürlich müssen Händler:innen auf bewährte Bestseller setzen – aber warum nicht 20 Prozent des Budgets als Spielgeld für neue Konzepte nutzen? Das wäre erfrischend, auch aus Sicht der Kund:innen. Denn die Mode war nie dafür gedacht, dass alle das Gleiche kaufen, machen und tragen.


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