Kein Vorbild für alle: Trigema vererbt den Chefposten
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Mit Prahlerei kennt Wolfgang Grupp sich aus. Als Zehnjähriger hat er sie bei Mitschülern auf dem Jesuitenkolleg erlebt. Der eine gab an mit dem väterlichen Schloss, andere protzten mit dem väterlichen Diplomatenstatus, dem väterlichen Ferrari, der väterlichen Firma. Grupp sieht darin nichts Anrüchiges. Vielmehr betrachtet der Trigema-Inhaber das als Grundstein einer Unternehmensnachfolge ganz in seinem Sinn. "Normalerweise sind Kinder stolz auf ihr Elternhaus. Wenn sie das, was der Vater macht, nicht machen wollen, war die Vorbildfunktion fatal."
Darum muss sich Wolfgang Grupp nicht sorgen. 1969 übernahm er die Geschäftsführung des Sport- und Freizeitbekleidungsherstellers Trigema von seinem Vater. Seitdem hat er mit Parolen wie "100% Made in Germany" das Mittelstandsunternehmen als Sinnbild für schwäbische Solidität zementiert. Grupp belieferte in den vergangenen Jahrzehnten einstige Kauf- und Versandhausgrößen wie Karstadt und Quelle, SB-Warenhäuser und Discountmärkte. Heute vertreibt er Radtrikots und Jogginghosen auch in 45 eigenen Geschäften und online, der Umsatz ist zuletzt leicht auf 101,6 Millionen Euro gestiegen.
Eine Alternativlaufbahn stand für ihn nicht zur Debatte. Schon als kleiner Junge saß er Näherinnen auf dem Schoß. Sein Großvater hatte das Unternehmen 1919 im schwäbischen Burladingen gegründet. Grupp lässt keinen Zweifel daran, dass es auch über das 100. Jahr des Bestehens hinaus in Familienhand bleibt: "Ich werde nie einen Manager einstellen."
Danach sieht es auch nicht aus: Tochter Bonita, 29, leitet bei Trigema die Bereiche E-Commerce und Personal. Sohn Wolfgang junior, 28, verantwortet Verkauf und IT. Einer von beiden wird einmal Chef des 1200-Mitarbeiter-Unternehmens. Doppelspitze? Ausgeschlossen. "Das Modell steht fest. Es kann nur ein Kind die Firma kriegen", sagt Grupp senior, 77. Welches, das werde wohl seine Frau Elisabeth entscheiden müssen, die 24 Jahre jünger ist als er.
"Es gibt nicht mehr den Kronprinzen, der von Anfang an gesetzt ist"
Auch Berthold Leibinger entschied sich 2005 gegen ein Führungsduo und übergab die Leitung des Ditzinger Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf an Tochter Nicola Leibinger-Kammüller, eine promovierte Philologin. Laut seiner Autobiografie glaubte er die Firmenkultur bei ihr am besten aufgehoben. Ihr Bruder, der Ingenieur, wurde stellvertretender Vorsitzender.
So klar wie bei Trigema und Trumpf ist das längst nicht. Nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) stehen jährlich rund 30 000 "gut laufende" Firmen zur Übergabe. Nicht immer stehen Kinder in den Startlöchern. Trigema-Chef Grupp glaubt: "Je elitärer Firmen werden, desto schwieriger die Übernahme, weil die Unternehmen zu groß, zu verzweigt und nicht mehr handhabbar geworden sind. Dann wollen die Kinder nicht."
Auch Thomas Hundt wollte nicht. Statt von Vater Dieter die Führung der Allgaier-Werke in Uhingen zu übernehmen, absolvierte er ein Architekturstudium. "Zu Hause sind Weltbilder zusammengebrochen", erinnert sich der Erstgeborene und favorisierte Nachfolger. Den Automobilzulieferer managen jetzt zwei externe Geschäftsführer. Thomas Hundt führt eine Gestaltungsagentur mit 87 Mitarbeitern. Die eigene Unternehmensgründung, sagt er, habe aus Sicht seines Vaters seine Berufsentscheidung legitimiert.
Einer Studie des Friedrichshafener Instituts für Familienunternehmen (FIF) zufolge ist Thomas Hundt in der Minderheit: 67 Prozent der befragten Unternehmerkinder halten eine Karriere als Geschäftsführer im Familienunternehmen für wahrscheinlich. Nach Angaben der Stiftung Familienunternehmen fällt ihnen diese jedoch seltener einfach so zu. "Es gibt nicht mehr den Kronprinzen, der von Anfang an gesetzt ist", sagt Geschäftsführer Stefan Heidbreder. Potenzielle Nachfolger müssten sich beweisen und so gut wie andere auf dem freien Markt sein. Viele Seniorchefs täten sich schwer mit einer Wachablösung, weil Herzblut in ihrem Lebenswerk stecke. "Ein verbindlicher Zeitplan hilft für eine gelingende Nachfolge."
In der Burladinger Trigema-Zentrale nimmt Wolfgang Grupp täglich Platz an seinem Schreibtisch im schmucklosen Großraumbüro. Die Anzugknöpfe glänzen, das Einstecktuch sitzt, Mitarbeiterinnen nennt er "Fräulein". Grupp zelebriert einen Firmenchef-Habitus alter Schule. Doch so eisern er auf eine familiäre Nachfolge pocht, so entschlossen spricht er davon, wirtschaftlichen Wandel selbst mitprägen zu wollen. Beispiel Digitalisierung. "Ich muss da als Erster dabei sein!", sagt er.
Mit seinen Kindern bespricht er morgens beim gemeinsamen Frühstück den anstehenden Arbeitstag. Vorschlagen dürften sie ihm alles, gerade im Bereich Digitalisierung, wo sie versierter seien als er. Allzu lange darüber diskutieren sollten sie nicht. "Mich nervt am meisten, wenn es nicht vorwärts geht. Bei mir muss immer sofort entschieden werden." Es klingt nicht danach, als wolle er in nächster Zeit auf das letzte Wort verzichten.(dpa)