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Insolvenzen & Schließungen in der ersten Jahreshälfte 2023

Von Simone Preuss

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Business
Bild: Tim Mossholder / Unsplash

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland ist seit August 2022 kontinuierlich gestiegen und legte im Februar im Vergleich zum Januar um 20,3 Prozent zu wie das Statistische Bundesamt im Mai mitteilte. Das lässt auch die Textil- und Schuhbranche im deutschsprachigen Raum nicht unbeteiligt - hier mussten einige Unternehmen von A wie Ahlers bis Z wie Zapata im ersten Halbjahr 2023 Insolvenz anmelden. FashionUnited hat zusammengefasst, welche Betriebe derzeit betroffen sind.

Insolvenzen

Ahlers

Der Herforder Bekleidungskonzern Ahlers AG stellte im April einen Antrag auf Insolvenz beim zuständigen Amtsgericht Bielefeld. Außerdem wurden auch Anträge für die sieben Tochtergesellschaften Ahlers P.C.GmbH, Ahlers Retail GmbH, Ahlers Zentralverwaltung GmbH, Ahlers Vertrieb GmbH, Pionier Berufskleidung GmbH, Pionier Jeans-Bekleidung GmbH sowie der Baldessarini GmbH gestellt. Als Grund nannte der Bekleidungsanbieter die “unter den Planungen liegende Geschäftsentwicklung”, die durch die “extrem widrigen Marktbedingungen” und Auswirkungen auf die Unternehmensliquidität beeinflusst wurde.

Gerry Weber

Gerry Weber Unternehmenszentrale in Halle, Westfalen. Bild: Gerry Weber

Auch die Gerry Weber International AG muss sich (wieder) sanieren und das deutsche Einzelhandelsgeschäft restrukturieren - erst vor drei Jahren beendete der Bekleidungsanbieter aus Halle in Westfalen sein letztes Insolvenzverfahren. Grund sind die Corona-bedingten Schließungen der Geschäfte in Deutschland und das veränderte Verhalten der Kund:innen, das unter anderem durch den Ukraine-Krieg und die hohe Inflation ausgelöst wurde.

„Mit der Initiierung eines präventiven StaRUG-Verfahrens wollen wir eine Neuordnung unserer Passivseite vornehmen. Parallel dazu werden wir unser deutsches Retail-Geschäft im Rahmen eines Eigenverwaltungsverfahrens operativ restrukturieren und das Unternehmen damit zukunftsfähig und resilienter aufstellen. Das Wholesale-Geschäft, der E-Commerce und auch das Auslandsgeschäft sind von den Maßnahmen nicht betroffen”, erklärte CFO Florian Frank im April.

Hallhuber

Auch der Münchener Bekleidungsanbieter Hallhuber GmbH musste erneut Insolvenz anmelden - er hatte erst vor zwei Jahren sein letztes Insolvenzverfahren abgeschlossen. Das Amtsgericht München gab dem Antrag des Unternehmens auf Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung Ende März statt.

Die Entscheidung wurde „aufgrund marktbekannter multipler Krisen im Textileinzelhandel und den daraus folgenden massiven Umsatzeinbußen“ getroffen. Das Unternehmen will sich nun „über ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung neu ausrichten“ und such zudem nach einem neuen Finanzinvestor.

Klingel Gruppe

Klingel-Hauptsitz in Pforzheim. Bild: Klingel Gruppe

Die K – Mail Order GmbH & Co. KG, die Hauptgesellschaft der Klingel Gruppe, zu der Modemarken wie Klingel, Wenz, Mona und Babista gehören, will sich mit einem Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung neu aufstellen, ebenso die Tochter Impressionen Versand GmbH und die Schneider GmbH & Co. KG. Dies teilte das Unternehmen im Mai mit und nannte die allgemein schwierigen Marktbedingungen, die deutliche Konsumzurückhaltung seit Beginn des Ukraine-Kriegs, gestiegene Kosten und die hohe Inflation als Gründe.

Dazu kamen “Liquiditätsbindung” im Warenlager durch Verzögerungen in den Lieferketten während der Corona-Pandemie sowie gestiegene Logistikpreise. Außerdem soll eine “notwendige Umstellung der IT-Systeme” den Geschäftsbetrieb erheblich beeinträchtigt haben. In den drei betroffenen Unternehmen arbeiten rund 1.800 Mitarbeitende; der Geschäftsbetrieb soll jedoch fortgeführt werden. Die weiteren Gesellschaften der Gruppe sind von den Verfahren und Maßnahmen nicht betroffen.

Weber + Weber

Die österreichische Menswear-Marke Weber+Weber eröffnete Anfang Mai beim zuständigen Handelsgericht Wien ein Konkursverfahren, da sie laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte. Das Verfahren geschah per Eigenantrag und eine Eigenverwaltung ist nicht vorgesehen. Zum Verwalter wurde der Rechtsanwalt Günther Hödl berufen. Die Slow-Fashion-Marke wurde 2015 von Christian und Manuel Weber gegründet und hat keine eigenen Geschäfte, ist jedoch bei mehr als 160 Fachhandelspartner:innen in Zentraleuropa erhältlich. Der Onlineshop ist weiterhin in Betrieb.

Mode Schödlbauer

Nachdem Geschäftsmann Peter Schödlbauer Anfang Februar beim Amtsgericht Regensburg Insolvenz anmeldete, mussten drei Monate später im Mai das Ladengeschäft Mode Schödlbauer im ostbayerischen Bad Kötzting und der zugehörige Onlineshop zum 30. April geschlossen werden.

Grund waren die geringen Umsätze des 89-Jahre-alten Traditionshauses und Onlineshops. Die Spezialisierung auf den Nischenbereich Hemden, der vor der Pandemie sehr gut funktionierte, wirkte sich während und nach der Pandemie nachteilig aus. Das zurückhaltende Kaufverhalten der Verbraucher:innen im stationären Einzelhandel, gerade in kleinen Städten wie Bad Kötzing, tat sein übrigens.

Der Onlineshop Hemden-Meister, der sich auf preisgünstige Männerhemden und Damenblusen in verschiedenen Passformen für Freizeit und Büro spezialisiert hat, wird laut dem Unternehmen „derzeit aufrechterhalten und in vollem Umfang fortgeführt“, könnte jedoch verkauft werden.

Schließungen

Galeria Karstadt Kaufhof

Galeria-Filiale an der Frankfurter Hauptwache. Bild: FashionUnited

Deutschlands letzter großer Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hatte Ende vergangenen Jahres erneut Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen und befindet sich derzeit in einem Sanierungsprozess nachdem das Insolvenzverfahren Ende Mai endete. Der jetzt rechtskräftig gewordene Sanierungsplan sieht die Schließung von rund einem Drittel der zuletzt noch 129 Filialen vor.

Keller Sports

Dem Münchener E-Commerce-Spezialisten Keller Sports steht eine Rückkehr bevor, nachdem er im März den Geschäftsbetrieb einstellen musste. Die Suche nach einem neuen Investor für das Unternehmen, das im vergangenen Herbst Insolvenz angemeldet hatte, war erfolglos geblieben. Vor wenigen Tagen gab der schwedische Handelskonzern WeSports Scandinavia AB jedoch bekannt, dass er die Markenrechte, die E-Commerce-Plattform und die Kund:innendaten von Keller Sports und Keller X erworben habe.

Peek & Cloppenburg

Der Düsseldorfer Modehändler Peek & Cloppenburg KG gab im Mai erstmals nach der Insolvenz bekannt, wie viele Arbeitsplätze abgebaut werden sollen. Inzwischen wurden 350 von 1500 Arbeitsplätzen in der Verwaltung “aufgesetzt und größtenteils bereits vollständig umgesetzt”, so das Unternehmen. Zum 1. Juni eröffnete auch das zuständige Amtsgericht in Düsseldorf das Eigenverwaltungsverfahren und damit werden ab Juni die Gehälter und Löhne der Mitarbeitenden wieder in voller Höhe bezahlt.

Primark

Der irische Textildiscounter Primark konnte seinen Umsatz in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 2022/23 wie erwartet kräftig steigern. Auch wenn sich in Deutschland die Nachfrage erholen konnte, plant das Unternehmen weitere Filialschließungen, wie der Mutterkonzern Associated British Foods Plc (ABF) Ende April mitteilte.

Grund ist die zu niedrige Flächenproduktivität aufgrund der Größe einiger Standorte und der zu großen Nähe von Filialen zueinander. Geschäfte in Deutschland sollen also entweder verkleinert oder geschlossen werden. Während Primark bereits seine Läden in Weiterstadt und Berlin-Steglitz aufgegeben hatte, verkündete das Unternehmen das Aus für die Filialen in Gelsenkirchen, Frankfurt-Nordwestzentrum, Kaiserslautern und Krefeld.

Schneiders

Der Salzburger Bekleidungsanbieter Schneiders musste schließen, nachdem Anfang Mai ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Als Grund für die Insolvenz nannte das Unternehmen die Corona-bedingten Umsatzrückgänge sowie die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die gesamtwirtschaftliche Situation. Dazu kam ein “plötzlicher, flächendeckender Totalausfall" der Produktionsstandorte in der Ukraine.

Durch die fehlende Liquidität ist die Produktion der Waren und damit die Fortführung des Unternehmens nicht möglich. Von der Schließung sind das Stammhaus sowie drei weitere Filialen in Salzburg und ein Laden in Wien betroffen. Dazu kommen von Tochtergesellschaften betriebene Filialen in Bernau am Chiemsee sowie ein Showroom in New York. Schneiders beschäftigte rund 104 Mitarbeitende.

Tchibo

Der Hamburger Handelskonzern und Kaffeeröster Tchibo gab heute bekannt, dass er bis Ende des Jahres etwa 300 Stellen streichen wolle. Dies betreffe auch die Verwaltung in Hamburg. „Nach einem deutlichen Personalaufwuchs während der Pandemie werden wir damit die Strukturen wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurückführen“, nannte ein Sprecher als Grund. Dies soll durch das Streichen unbesetzter Stellen, das Auslaufen von Zeitverträgen und Fluktuation erreicht werden. Betriebsbedingte Kündigungen schließt das Unternehmen nicht aus, das Beschäftigte bereits im April informierte.

Hier drückt der Schuh - Insolvenzen in der Schuhbranche

Wie auch die Textil- und Bekleidungsbranche hat die Schuhbranche mit den Folgen der Pandemie und Auswirkungen des Ukraine-Krieges zu kämpfen. Wenn selbst Branchenriesen wie Görtz und Reno Schwierigkeiten haben, ist es auch für kleinere Schuhunternehmen nicht leicht.

So meldeten im ersten Halbjahr 2023 einige von ihnen Insolvenz an wie etwa der Osnabrücker Schuhgroßhändler J.H. Pölking GmbH & Co. KG (März), der Freiburger Schuhhersteller und -händler EOD (Ende März), Osnabrücker Wholesale-Schuhhändler und Logistik-Dienstleister HR Group (April), der als Dienstleister in den Bereichen IT und Logistik für Reno von dessen direkt Insolvenz betroffen ist.

Reno, Zapata & Co.

Bild: Reno

Die Schweizer Reno Schuh AG meldete Anfang Mai Insolvenz an, nachdem für den deutschen Schuhhändler Reno Schuhcentrum GmbH im März beziehungsweise die österreichische Tochter Mitte April ein Verfahren eröffnet wurde. Probleme mit fehlender Ware, das gesunkene Kaufverhalten, steigende Energiekosten und Inflation wurden als Gründe genannt. Die Suche nach neuen Investor:innen blieb bislang erfolglos und wie es mit Personal und Standorten weitergehen soll, ist derzeit nicht bekannt.

Der österreichische Schuhanbieter Chaaya Shoes GmbH eröffnete Anfang Mai beim zuständigen Landesgericht Wels ein Konkursverfahren. Als Gründe wurden “Verluste von Margen und Rücknahmen aufgrund der fehlerhaften Produktion in der Türkei” sowie die Folgen der Corona-bedingten Schließungen genannt. Einen eigenen Onlineshop oder Stores betreibt Chaaya nicht.

Davor hatte bereits das Berliner Unternehmen Shoepassion GmbH Anfang März einen Insolvenzantrag gestellt beziehungsweise der oberbayerische Schuhanbieter Schuh-Oase GmbH & Co. KG bereits im Januar, das Schuhhaus Klauser GmbH & Co. KG und die Salamander Deutschland GmbH & Co. KG Ende Februar, die beide zur Ara AG gehören und in Wuppertal ansässig sind. Etwa 950 Vollzeitmitarbeitende sowie 93 Filialen sind betroffen.

Der in Würzburg ansässige Bekleidungsanbieter Zapata GmbH & Co. KG eröffnete am 1. Januar ein Insolvenzverfahren, nachdem er bereits Ende Oktober 2022 einen Insolvenzantrag gestellt hatte. Der 1985 gegründete Einzelhändler betrieb Filialen in Passau, Augsburg, und Neu-Ulm sowie einen Outlet-Store in Würzburg, die inzwischen geschlossen wurden.

Görtz

Der Hamburger Flagshipstore von Görtz. Bild: Görtz

Trotz eines möglichen neuen Investors entspannte sich die Lage beim Hamburger Schuhhändler Görtz noch nicht - er begann bereits im letzten Jahr ein Schutzschirmverfahren. Jetzt sollen Mietverträge für 19 weitere Filialen gekündigt werden, insbesondere große und kostenintensive Standorte wie Köln, Frankfurter Zeil, Münster und Aachen. Die beiden Görtz-Flagships in Düsseldorf und Frankfurt am Main wurden bereits geschlossen, ebenso die Hälfte aller Filialen. Vor der Insolvenz betrieb Görtz 160 Filialen in Deutschland.

Der Schuhhändler möchte sich zu genaueren Zahlen und Umständen zu den Filialschließungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern, hieß es auf Anfrage von FashionUnited. Derzeit setze die Geschäftsführung allerdings alles daran, den Sanierungsweg von Görtz weiter erfolgreich zu beschreiten. Gemeinsam mit dem Investor werde an einer Lösung für den Erhalt und die Fortführung des Unternehmens gearbeitet.

Insolvenzen international

Scotch & Soda Filiale. Bild: Scotch & Soda

Auch in Großbritannien haben zwei Jahre finanzieller Stress und Unsicherheit nach der Pandemie dazu geführt, dass viele Unternehmen, darunter Einzelhandels- und Modefirmen, von Insolvenz bedroht sind. Viele Unternehmen haben Kredite aufgenommen, als ihre Betriebe während der Covid-19-Beschränkungen und Lockdowns schließen mussten, und haben nun Schwierigkeiten, ihre Schulden zurückzuzahlen.

Das italienische Modehaus Trussardi leitete im März eine Umstrukturierung ein und beantrage ein Schutzschirmverfahren. Das Verfahren ermöglicht eine Umstrukturierung zur Schuldentilgung, während das Unternehmen operativ tätig bleiben kann.

Die Zukunft der französischen Ladengeschäfte der Marke Scotch & Soda scheint gesichert. Mitte Mai verkündete der belgische Vertriebskonzern Groep Alain Broekaert (GAB) die vollständige Übernahme der Scotch & Soda Retail SAS. Scotch & Soda wurde von dem US-Unternehmen Bluestar Alliance gerettet, nachdem das niederländische Unternehmen Mitte März Insolvenz anmeldete. Viele der rund 800 Mitarbeitenden werden ihren Arbeitsplatz behalten können, es wird aber zu Entlassungen kommen.

Das US-amerikanische Einzelhandelsunternehmen Bed Bath & Beyond hat im April bei einem US-Konkursgericht einen freiwilligen Antrag auf Entlastung nach Chapter 11 gestellt, um sein Geschäft abzubauen. Seine 360 Bed Bath & Beyond-Filialen, 120 Buybuy Baby-Filialen und seine Websites werden jedoch weiterbetrieben.

Das New Yorker Make-up-Unternehmen Revlon erzielte im April mit einem US-Gericht eine Einigung, die es aus der Insolvenz herausführen soll. Das Unternehmen hatte ursprünglich am 15. Juni 2022 bei einem US-Konkursgericht Schutz nach Chapter 11 beantragt, um seine veraltete Kapitalstruktur strategisch zu reorganisieren und seine Aussichten langfristig zu verbessern. Dem neuen Plan zufolge wird Revlon nicht mehr an der Börse notiert, sondern ein privates Unternehmen sein.

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