Hype-Produkte, Kollabs und Outerwear – was chinesische Konsument:innen wollen
Chinesische Konsument:innen sind seit der Pandemie dauerhaft mit einer instabilen Wirtschaft und immer neuen Herausforderungen konfrontiert. Das spiegelt sich auch in ihrem Einkaufsverhalten.
Obwohl Unsicherheiten wie der Handelsstreit mit den USA und die Immobilienkrise die Verbraucher:innen zusätzlich belasten und die Konsumstimmung dämpfen, scheinen sich die privaten Haushalte zunehmend mit der neuen Realität zu arrangieren. Das zeigt sich auch in der wirtschaftlichen Entwicklung der Volksrepublik, die in der ersten Jahreshälfte ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,3 Prozent verzeichnete.
Doch was bedeutet das angepasste Einkaufsverhalten für Chinas Modemarkt? Insider:innen geben einen Einblick.
Konsument:innen passen sich an
Laura Darmon, Chefeinkäuferin des angesagten chinesischen Luxusmodehändlers Eng, beobachtet Veränderungen im Konsumverhalten sowohl im mittleren Preissegment als auch im Luxusmarkt: „Die Kundschaft ist zurückhaltender und neigt dazu, vor einem Kauf zweimal zu überlegen.”
Die Chines:innen bleiben hinsichtlich ihrer finanziellen Zukunftsaussichten vorsichtig, weil sie sich um ihre Arbeitsplätze und den Wertverlust ihrer Immobilien sorgen. Im Vergleich wächst das durchschnittliche Haushaltseinkommen auch langsamer – 1,4 Prozent in 2025 gegenüber 2,5 Prozent in 2024.
2025 wächst der Konsum voraussichtlich ähnlich verhalten wie im Vorjahr, wie aus einer Verbraucher:innen-Umfrage des Beratungsunternehmens McKinsey hervorgeht, die im Mai veröffentlicht wurde. Demnach soll in diesem Jahr eine Wachstumsrate von 2,3 Prozent erzielt werden – 2024 waren es 2,4 Prozent.
In dieser unbeständigen Gesamtsituation passen die Verbrauchenden ihr Ausgabeverhalten an, so die Studie. Kaufentscheidungen basieren demnach vermehrt auf Faktoren wie dem eigenen Vermögen statt der Zuversicht in die Zukunft. So sollen vor allem wohlhabende Stadtbewohner:innen trotz sinkender Erwartungen danach streben, eine höhere Lebensqualität und größere persönliche Erfüllung zu erreichen, auch wenn dies bedeutet, die eigenen Ersparnisse dafür zu nutzen.
Insgesamt würden Menschen, die in chinesischen Städten leben, zwar mehr Geld ausgeben, als Menschen in ländlichen Regionen, allerdings gäbe es auch auf dem Land einen Zuwachs der Ausgaben, sagte Chen Dapeng, Präsident der China International Fashion Fair (CHIC), bei einer Pressekonferenz Anfang des Monats während der Modemesse. Durch die steigenden Online-Einkäufe, die mittlerweile mehr als die Hälfte ausmachen, sei es mit den zur Verfügung stehenden Daten aber teilweise schwer einzuordnen, wo die Bestellungen herkommen.
Im ersten Halbjahr 2025 konnte der Modehandel einen geringen Zuwachs von 3,1 Prozent im Vorjahresvergleich verbuchen, wie aus von McKinsey ausgewerteten Daten des China Automotive Technology and Research Center hervorgeht, die das Beratungsunternehmen im als Teil einer Studie im August veröffentlichte. Der Onlinehandel erhielt derweil – in den Kategorien Haushaltsgeräte, Sport und Outdoor – einen Boost durch das 618 Shopping Festival – ein E-Commerce-Event, das um den 18. Juni stattfand und laut dem Marktforschungsunternehmen Syntun ein starkes Wachstum des Bruttowarenwerts (GMV) von 15,2 Prozent verzeichnete.
Was landet im Einkaufswagen?
Darmon, die neben ihrer Rolle als Einkäuferin auch das Beratungsunternehmen Envison gegründet hat, das Marken dabei hilft sich im chinesischen Markt zu positionieren, glaubt, dass „Hype-Produkte“ und Kollaborationen sich auch weiterhin gut verkaufen lassen, „obwohl sich die Verkäufe aufgrund des Wirtschaftsklimas und der Marktsättigung verlangsamt haben.“ Wichtig sei dabei, dass der Preis weiterhin zugänglich für die Konsument:innen bleibt. Insgesamt würden die Konsument:innen „stärker auf den Preis achten, seltener einkaufen und mit größerer Vorsicht an Einkäufe herangehen“.
Bekleidung und Sportswear gehören laut der McKinsey-Umfrage nicht zu den Top-Prioritäten – wie Bildung, Gesundheit oder Reisen – fallen aber auch nicht unter die Risikokategorien, bei denen ein Rückgang der Ausgaben prognostiziert wird.
In der Kategorie Bekleidung – ohne Sportswear – gaben 41 Prozent der Befragten an, dass sich ihre Ausgaben und ihr Kaufverhalten nicht verändern werden. Fast ein Viertel plant mehr auszugeben, während 16 Prozent angaben, dass ihre Ausgaben gleich bleiben, sich ihr Verhalten aber verändern wird. Dem gegenüber stehen 18 Prozent, die ihre Ausgaben in dem Bereich verringern wollen. Durchschnittlich macht damit dieser Bereich nur sechs Prozent der Nettoausgaben aus. Für 2025 wird ein Ausgabenwachstum von 0,9 Prozent erwartet, 2024 waren es noch 2,1 Prozent.
Im Bereich der Sportbekleidung ergibt sich eine ähnliche Verteilung. Allerdings macht der Bereich acht Prozent der Nettoausgaben aus und während das prognostizierte Ausgabenwachstum 2024 prozentual mit Bekleidung auf einer Höhe gelegen hat, sind die Erwartungen für 2025 mit 1,1 Prozent etwas höher als in der anderen Kategorie.
Dass Kategorien wie Sportswear und Outdoor besser performen als andere Segmente, sieht auch Chen, der ebenfalls Präsident des chinesischen Bekleidungsverbands China National Garment Association ist. Obwohl die Nachfrage auf dem Markt insgesamt eher gering ist, bleibe das Volumen relativ konstant.
Aktivsein ist der neue Luxus
Der chinesische Luxusmarkt bekam aufgrund der wirtschaftlichen Unsicherheiten eine zurückhaltende Konsumstimmung zu spüren. Der Umsatz ging 2024 schätzungsweise um 18 bis 20 Prozent zurück, wie aus der „2024 China Luxury Goods Market“-Studie der Unternehmensberatung Bain & Company hervorgeht. Die Konsument:innen würden sich rationaler in Bezug auf Luxusausgaben verhalten und sich wegen der häufigen Preiserhöhungen bei begrenzter Produktinnovation zurückhaltend beim Kauf zeigen. Stattdessen geben sie ihr Geld mehr für Reisen und Outdoor-Aktivitäten aus.
„Der Outdoor-Trend ‘Gorpcore’ erfreue sich derzeit großer Beliebtheit, wobei Sport im Mittelpunkt steht“, fasst Darmon zusammen. „Kletter-, Rad- und Tennisbekleidung verzeichnen eine steigende Nachfrage.“
Auch der Erfolg des Schweizer Sportartiklers On auf dem chinesischen Markt – die Erlöse im asiatisch-pazifischen Raum wurden im zweiten Quartal mehr als verdoppelt – und der „fast immer volle“ Flagship-Store der Outwear-Marke Arc’teryx verdeutlichen laut der Buyerin die starke Nachfrage. Neben sportlicher Bekleidung profitiert auch der Absatz von Produkten wie Sportgeräten und Accessoires davon.
Ein Grund dafür, dass der Gorpcore-Trend in China viel größer sei und noch länger anhält als in Europa, zeigte sich für Darmon nach den letzten Olympischen Spielen, als auch Luxusmarken ihre Produkte durch Kooperationen mit chinesischen Athlet:innen bewarben: „Nationalstolz, kombiniert mit Social-Media-Dynamiken, trägt dazu bei, dass dieser Trend in China viel länger anhält als in Europa.“
Diese Verbundenheit zu ihrer Heimat nimmt der CHIC-Chef Dapeng auch im Stil der jüngeren Chines:innen war. Diese würden mehr und mehr von traditionellen Gewändern inspirierte Mode tragen und sie „mit Selbstbewusstsein“ präsentieren. Eine Tendenz, die mit den globalen Entwicklungen zu einer konservativ-geprägten Gesellschaft einhergeht.
Während Outdoor und die eigenen Wurzeln chinesische Konsument:innen zum Konsum anregen, müssen luxuriöse Mode und Lifestyle-Produkte derweil Rückgänge zwischen 15 und 20 Prozent auf dem chinesischen Festland verbuchen.
Das Segment verzeichnete aber wegen seiner Saisonalität nicht so starke Rückgänge wie die Produktgruppen Schmuck (-25 bis -30 Prozent) und Uhren (-28 bis -33 Prozent). Lederwaren lagen mit einem Rückgang von 20 bis 25 Prozent dazwischen.
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