Hiltl-CEO Gerhard Kränzle: ‘Obacht geben’, nicht unmodern zu wirken
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Hiltl ist wieder voll auf Kurs. Nachdem der Hosenhersteller 2020 sich nach einer Insolvenz neu aufstellte und im vergangenen Jahr wieder die Produktion an seinem Heimatstandort Sulzbach-Rosenberg ankurbelt hat, blickt Gerhard Kränzle positiv in die Zukunft.
Im Interview erzählt der Hiltl-CEO, wie die “Made in Germany”-Hosen angenommen werden, warum das einzige internationale Outlet kürzlich schließen musste und wie die Marke versucht, sich mit Tiktok einer jüngeren Zielgruppe zu nähern.
Welchen Ansatz verfolgt Hiltl seit der Neuausrichtung?
Wir wollen die Marke emotionalisieren und richten gerade das Spezialistentum nahe am Trend und Handwerk aus. Mit der Europa-Produktion und DNA, die wir haben, passen wir in den Zeitgeist. Ohne Nachhaltigkeit ‘so grob’ zu spielen, haben wir eine natürliche Nachhaltigkeit. Wir haben Hiltl das gegeben, was es benötigt hat. Wir haben nicht das Rad neu erfunden, aber wir spielen die Hiltl-DNA einfach gut.
Ein wichtiger Teil Ihrer DNA ist auch die Hosenproduktion “Made in Germany”. Wie wurde diese bisher angenommen?
Wir sind überrascht, welche Resonanz das bisher findet, waren aber auch überrascht, welche Preislagen wir bei den Partner:innen, die das jetzt zum Herbst/Winter hatten, generieren konnten. Sie waren extremst zufrieden.
Wir haben Preisgrenzen zwischen 300 und 400 Euro geknackt, was bei den Partner:innen die besten Preislagen waren. ’Die Führenden’, die das übernommen und fortgeführt haben, haben in diesen Preislagen Abverkaufsquoten, die zwischen 85 und 95 Prozent liegen.
Wurden die Stücke auch in dieser Saison gut geschrieben?
Viele schreiben weiterhin ‘Made in Germany’, weil wir dort mit einer guten Klassik aber auch mit einer guten Modernität kommen. Dabei gibt es dann sehr authentische Artikel wie die 'Japanese Workwear’ und den Zimmermannscord mit 800 Gramm, der auch von vielen Heritage-Läden geschrieben wird.
Auf was setzen Sie noch in dieser Saison HW23?
Wir bauen auf Wolle – eine moderne Wolloptik, die so interpretiert ist, dass sie der Business-Mann tragen kann, ich sie aber auch zum Sneaker oder mit einer Weste tragen kann. Also eher entspannt, vielleicht auch etwas zeitlos, zielgruppenlos organisiert – über den Wert zu kommen ist für uns ein wichtiges Stilmittel.
Außerdem ist auch die Cord-Thematik für uns wichtig. Auch wenn wir wissen, dass der Cord insgesamt nicht ganz so gut performt hat, haben wir ihn extrem gut verkauft und verkaufen ihn auch jetzt in der Order gut.
Welche Farben prägen für Sie die Saison?
Off-White war überall gut. Blau war immer mit dabei. Je nach Spezialitäten war Bordeaux noch gut. Außerdem sind die Beigetöne und Olivgrün wichtig. Mineralgrün funktioniert dagegen leider nicht so gut.
Wir haben eine gute Farbpalette mit drin, weil wir auch nicht nur über die Passform wachsen wollen. Viele klassischere Kund:innen sagen, dass sie etwas Neues brauchen. Wir haben Qualitäten, bei denen wir zwölf Farben spielen. Das gibt dann natürlich schon Kraft, wenn man für einen Artikel so eine Farbpalette hat.
Mit der ‘Microfactory’ sind sie auch innerhalb von Sulzbach-Rosenberg umgezogen. Was ist aus dem Outlet geworden?
Wir sind umgezogen und haben das Outlet, das wir vorher in der Asamstraße hatten, mit in die Dieselstraße genommen. Wir sind sehr zufrieden in der Region, weil dort viele Leute leben, Nürnberg 60 Kilometer und Regenburg 70 Kilometer entfernt ist.
Gibt es auch Outlets an anderen Orten?
Nein, wir hatten auch ein Outlet in Prag versucht, das einfach nicht rentabel war. Das ist 200, 220 Kilometer von uns entfernt – direkt am Flughafen – eigentlich super, aber leider sind dort die Tourist:innen noch nicht so zurückgekehrt, wie wir uns das gewünscht haben. Deshalb haben wir es jetzt kürzlich geschlossen.
Sie wollen auch den E-Commerce mehr ausbauen. Wo liegt da der Fokus?
Wenn wir uns neu ausrichten, wenn wir Marketing-Material, Instagram und andere Social Media vorbereiten, muss es auch so sein, dass die Händler:innen es auch gut nutzen können. Wir haben einen eigenen Onlinestore und wollen dort auch wachsen. Wichtiger ist für uns, die Retail-Partner:innen in ein gutes Wachstum zu bringen.
Welchen Anteil macht der eigene E-Commerce aus?
Im eigenen E-Commerce haben wir einen Umsatzanteil von fünf bis sieben Prozent. Wir machen das sehr sorgsam, wobei wir da noch keine feste Absicht haben, dass wir sagen: Bis da und dahin muss es so sein. Als modern ausgerichtetes Unternehmen brauchen Sie den Online-Kanal einfach mit dazu. Wir haben da auch den Blick darauf und haben auch ein gutes Wachstum, aber es ist kein Hauptkanal.
Heute muss man ja auch schon ‘Obacht geben’, dass man nicht unmodern wirkt. Wir negieren online nicht, aber wir haben noch so viel Wachstumspotenzial mit unseren Partner:innen auf der Fläche.
Aber der Tiktok-Account ist noch nicht da, oder?
Da arbeiten wir dran. Wir haben tatsächlich schon ein paar Dinge geschaltet. Aber da müssen wir echt vorsichtig sein. Tiktok muss man nochmal anders als Instagram behandeln.
Wir haben ein paar Feldversuche gemacht und mit den Marketing-Studierenden der Uni Kufstein eine Zielgruppenanalyse für die Generation Z gemacht: Wie sprechen wir sie an? Ab welchem Moment sind wir für sie interessant und welche Preislagen bräuchten wir? Da war ich ganz überrascht, weil 58 Prozent der Käufe, die die ‘Gen Z’ macht, im Handel erledigt werden. Ich hätte mir den Online-Anteil viel, viel höher vorgestellt. Deshalb schauen wir da doch sehr genau drauf, weil wir die nachfolgenden Generationen für Hiltl transparent machen wollen.
Wie geht es weiter bei Hiltl?
Wir werden den Weg, den wir jetzt eingeschlagen haben, so weitergehen, die Kollektionen weiterentwickeln. Wir haben einen klaren Fokus auf unsere Trend-Zielgruppen, weil wir es nicht mehr über den Altersbezug sehen. Das wollen wir noch professionalisieren, weil wir dort noch ein großes Potential sehen.
Mit ‘Made in Germany’, dem Umzug ins neue Headquarter, unserer neuen Foto-Auffassung haben wir den Weg beschritten, der für Hiltl wichtig war. Wir müssen jetzt eher sehen, dass wir nicht überzeichnen. Wir leben nicht in einer wahnsinnigen Verjüngung, wir wollen in der Gegenwart landen und für unsere Zielgruppen adäquat und sichtbar sein. Wir werden die Social-Media-Präsenz erhöhen, weil man dort heute ein Gesicht haben muss. Insofern werden wir jetzt das, was wir vorangetrieben haben, weiterführen.
In welchen Märkten wollen Sie gerade wachsen?
Im Export haben wir noch ein paar wichtige Wachstumsmärkte vor uns. Dazu gehören ganz klar BeNeLux und die USA. In BeNeLux haben wir jetzt gerade eine Marktanalyse hinter uns. Von 65 potentiellen Neukund:innen hatten wir jetzt in der Orderphase 35 Termine.
Der gleiche Weg geht jetzt auch in die USA, weil dort das Produkt extrem gut ankommt und wir dort Handelspartner:innen hatten, die nicht mehr gekauft haben, weil wir nicht gut geliefert haben, und und und. Die kommen jetzt aber wieder und sind froh, dass wir den Weg so gehen, lieferfähig und zuverlässig sind und in den Markt kommen können. Die nächste wichtige Aufgabe ist es also, die Märkte, wo wir waren, neu zu bearbeiten.