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Greenpeace-Studie zum Greenwashing: „Nachhaltigkeit ist zum Kommunikationsziel verkommen“

Von Simone Preuss

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Greenwashing. Illustration: Jackie Mallon

Kaum ein Begriff wurde in den letzten Jahren so begeistert angenommen wie der der Nachhaltigkeit - auf einmal ist alles „grün“, „nachhaltig“, „öko“ und „Bio“. Leider bleibt es aber häufig bei vielversprechenden Begriff, die in der Praxis wenig halten. „Bewusste“ Kollektionen stellen sich als minimal recycelt heraus und Rückgabeinitiativen von Bekleidung werden durch die Vergabe von Gutscheinen zur Ankurbelung des Verkaufs von Neuware genutzt.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hatte genug von den Versprechen und einer Fülle eigener Nachhaltigkeitslabels von Marken und Einzelhandelsunternehmen und hat sich diese für ihren Bericht „Greenwash Danger Zone“ genauer angeschaut. Das Ergebnis? Nachhaltigkeit verkauft sich gut und bleibt daher oft nur ein cleverer Marketingtrick. FashionUnited hat die wichtigen Punkte des Berichts zusammengefasst.

Verlangsamung vs. Zirkularität

Laut Greenpeace können Marken und Einzelhändler:innen Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte übernehmen, indem sie zum einen ihre Produktion verlangsamen und zum anderen durch zirkuläres Design, Rücknahme und Recycling den Kreislauf schließen.

„Die beiden Konzepte sind miteinander verknüpft, aber um das Problem zu lösen, hat die Verlangsamung des Produktflusses Vorrang vor der Schließung des Kreislaufs, da die Überproduktion eine Schließung des Kreislaufs unmöglich macht. Ein lineares Geschäftsmodell einfach in schuldfreiem Recycling-Grün zu färben, kann niemals nachhaltig sein“, erklärt Greenpeace.

Modewort Kreislaufwirtschaft

Genau wie „Nachhaltigkeit“ ist auch der Begriff „Kreislaufwirtschaft“ zum Modewort geworden. Greenpeace hat jedoch die Anstrengungen von Modeunternehmen auf drei nichtfunktionierende Elemente zusammengefasst: Rücknahmeprogramme, die den Textilmüll nur auf den Globalen Süden verteilen; die Verwendung von Plastikmüll anderer Industrien, die sich gut anhört, aber das Problem von Textil-zu-Textilrecycling nicht angeht; und sogenannte recycelte und wiederverwertbarer Mode, die aus Polyester besteht, das auf fossilen Brennstoffen basiert und nach wie vor die Hauptantriebskraft der Überproduktion ist.

„Trotz des Hypes der Modebranche ist es traurige Realität, dass die Kreislaufwirtschaft in der Modebranche praktisch nicht vorhanden ist: Während weniger als 1 Prozent von Kleidung zu neuer Kleidung recycelt wird, steigt das Produktionsvolumen von Kleidungsstücken jährlich um 2,7 Prozent,“ lautet Greenpeaces trauriges Fazit.

„Jede Sekunde wird eine Lkw-Ladung Kleidung verbrannt oder auf eine Mülldeponie gebracht. Mit Hilfe neuerer Onlinehändler wie Shein wird der zerstörerische Fast-Fashion-Trend eher beschleunigt als verlangsamt“, warnt die Umweltorganisation.

Mythos recycelter Polyester

Fast Fashion braucht Polyester und Polyester basiert auf PET-Kunststoff und damit den fossilen Brennstoffen der petrochemischen Industrie. Polyesterfasern sind nicht biologisch abbaubar; im Gegenteil: Mikroplastikfasern werden bei der Herstellung von Kleidungsstücken und beim Waschen durch Verbraucher:innen freigesetzt und gelangen so in Flüsse und Meere, wo es Jahrzehnte dauern kann, bis sie abgebaut sind.

„Es gibt kein System für das groß angelegte Recycling von gebrauchten Polyestergeweben zu neuen Textilien. Der Großteil des ‘recycelten’ Polyesters beruht auf der Beschaffung von PET-Plastikflaschen oder gesammeltem Meereskunststoff in offenen Kreisläufen. Dadurch wird jedoch lediglich die Umwandlung von festem Material in besser bioverfügbare Mikroplastikfasern beschleunigt, die beim Waschen der Kleidung in Flüsse und Meere gelangen“, fasst Greenpeace zusammen.

Mythos Biobaumwolle

Nach Polyester ist Baumwolle das meistbenutzte Material der Bekleidungsindustrie. Während der konventionelle Baumwollanbau mit verschiedenen ökologischen und sozialen Problemen verbunden ist, wie etwa dem Einsatz großer Mengen an Wasser, Pestiziden und Düngemitteln sowie mit der Verwendung von GVO-Saatgut, das 2019 fast 80 Prozent der gesamten angebauten Baumwolle ausmachte, ist auch sogenannte Biobaumwolle nicht ohne Probleme: Es kommt stark darauf an, welche Initiative sie anbaut und wo sie angebaut wird. Wird etwa GVO-Saatgut zugelassen und bekommen die Bäuer:innen auch mehr für ihre Biobaumwolle gezahlt?

„BCI-Baumwolle versorgt Modemarken mit Baumwolle, die nur geringfügig besser ist als die nicht nachhaltige herkömmliche Baumwolle, und zwar mit dem geringstmöglichen Aufwand für die Marken. Dies trägt zu einer anhaltenden Überproduktion und einem übermäßigen Verbrauch von Kleidung bei und behindert damit den dringend benötigten grundlegenden Wandel des derzeitigen Modesystems. Anstatt sich mit halben Sachen wie Better Cotton zufrieden zu geben, sollten mehr Marken, insbesondere globale Marken, die einen bedeutenden Marktanteil haben, bereit sein, Bio- und Fairtrade-Baumwolle zu beziehen und einen höheren Preis zu zahlen. Dies ist die einzige Möglichkeit, die Kosten für Umwelt und Menschen, die durch konventionelle Baumwolle entstehen, deutlich zu senken“, resümiert Greenpeace.

Mythos Zellulosefasern

Zellulosefasern sind eine relativ neue, aber wachsende Materialquelle der Modebranche. Sie werden aus natürlichen Materialien (in der Regel Holz oder anderen Zellulosequellen wie Baumwollabfällen) hergestellt, die in einem künstlichen Prozess zu Fasern verarbeitet werden. Die Herstellung von Tencel, EcoVero, Modal Black und Modal Colour etwa erfolgt in einem ‘geschlossenen Kreislauf’, um die Freisetzung von Chemikalien zu verhindern. EcoVero hat 50 Prozent weniger Emissionen und verbraucht 50 Prozent weniger Wasser als herkömmliche Viskose, und bei Modal Black und Modal Colour werden die Fasern während des Lösungsmittelprozesses direkt gefärbt, was zu einer Einsparung von 90 Prozent an Chemikalien und erheblichen Einsparungen an Wasser, Strom, Wärme und Abwasser führt.

Das chemische Recycling von Naturfasern ist auch mit einer Zelluloseauflösungstechnik möglich, die der Viskoseherstellung ähnelt, wie ein Projekt von VTT Research in Finnland gezeigt hat, bei dem Textilabfälle in neue Fasern umgewandelt werden. Ähnlich nutzt Lenzing das Tencel-Produktionsverfahren für die Wiederaufbereitung von Baumwollabfällen für seine Refibra Recycling-Zellulosefaser.

„Abgesehen von der Notwendigkeit minimaler Auswirkungen bei der Verarbeitung sind Zellulosefasern auch auf Wälder angewiesen, bei denen es sich um alte und gefährdete Wälder handeln könnte. Die CanopyStyle-Initiative veröffentlicht eine Rangliste der Hersteller von Zellulosefasern, die ‘Marken, Einzelhändlern und MMCF-Herstellern einen Weg aufzeigt, wie sie zur Bewältigung der doppelten Krise des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt beitragen können, indem sie den Druck der Branche auf die Wälder verringern’, und die herstellenden Betriebe dazu ermutigt, stattdessen Materialien zu beschaffen, die andernfalls im Abfall landen und unsere Mülldeponien belasten würden. Zu den Kriterien der Forstpolitik gehören eine von unabhängigen Dritten überprüfte Prüfung und Rückverfolgbarkeit“, rät Greenpeace.

Mythos nachhaltige Labels von Marken

Greenpeace untersuchte die nachhaltigen Labels von den 29 Mitgliedern seiner Detox-Initiative (die sich dem Abbau gefährlicher Chemikalien in Textilien verschrieben hat), darunter etwa „Conscious“ von H&M, „Primark Cares“, „Join Life“ von Zara, „Ecodesign“ von Decathlon und „Wear the Change“ von C&A. Diese wurden auf eine Reihe von Kriterien untersucht, darunter die klare Bezeichnung, was genau zertifiziert wird, Rückverfolgbarkeit der Lieferkette, die Löhne, die Arbeiter:innen gezahlt werden, ob das Eigenlabel durch Dritte verifiziert wird und ob etwa auf PET-Plastik, BCI Cotton oder den Higg MSI-Index zurückgegriffen wird.

Die Gesamtwertung der einzelnen Marken und Labels findet sich detailliert im Greenpeace-Bericht; an dieser Stelle lässt sich zusammenfassen, dass nur zwei Marken eine gute Gesamtbewertung erhielten, nämlich Coops „Naturaline“ und Vaudes „Green Shape“ beziehungsweise Tchibos „Gut Gemacht“ eine zufriedenstellende; alle andere Programme hielten einer genaueren Untersuchung nicht stand.

„Es überrascht nicht, dass unsere Bewertung bestätigt, dass selbstbewertete Marketing-Labels von Marken als Greenwashing angefochten werden können, ein Trend, der sich in den letzten Jahren beschleunigt hat. Diese ‘Fake-Standards’ sorgen dafür, dass sich Fast-Fashion-Riesen nicht an die strengen Regeln unabhängiger Standards halten müssen, sondern die Regeln praktisch selbst schreiben können. Nachhaltigkeit ist zu einem Kommunikationsziel geworden, ohne dass wirklich glaubwürdige Maßnahmen ergriffen werden, um ihre linearen Geschäftsmodelle neu auszurichten“, ist das verheerende Fazit von Greenpeace.

Empfehlungen

Die Umweltorganisation empfiehlt deshalb, endlich das lineare Modell der Modebranche anzugehen, und zu akzeptieren, dass Fast Fashion niemals nachhaltig sein kann. Es gibt aber einiges, dass Unternehmen jetzt schon machen können; etwa weniger Kleidung zu produzieren, die länger hält und repariert und wiederverwertet werden kann.

Zudem sollten keine Textilien auf den Markt gebracht werden, die nicht in Textilrecyclingverfahren wieder recycelt werden können; Mischfasern bereiten hierbei immer noch Probleme. Allgemein sollte Kleidung auch zurückgenommen und Reparatur- und Tauschmodelle angeboten werden.

Als Faustregel empfiehlt Greenpeace, dass bis spätestens 2035 nur noch etwa 40 Prozent der Kleidung neu hergestellt werden und 60 Prozent aus alternativen Systemen wie Reparatur, Secondhand, Verleih und Tausch stammen sollte.

Auch sollte ein Modeunternehmen ausführliche Daten zu den verwendeten Materialien veröffentlichen und über alle Nachhaltigkeitsmaßnahmen den Dialog mit den Kund:innen suchen.

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