Gerry Weber: Über 100 Filialen vor dem Aus
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Die Führungsetage des Modekonzerns Gerry Weber ist unzufrieden mit der Geschäftsentwicklung der letzten Monate. Die Rahmenbedingungen sind für Modeindustrie derzeit nicht gerade die besten, vor allem wenn es um eher stationär ausgerichtete Konzepte geht. Zwar konnte Gerry Weber im vergangenen Jahr seinen Konzernumsatz auf knapp 921 Millionen Euro steigern, fuhr aber nur einen vergleichsweise mageren Operativen Gewinn (EBIT) von rund 79 Millionen Euro ein.
Die Gründe für die Misere hat das Unternehmen in seiner Personalstruktur, seinem dichten Filialnetz und in der Grundausrichtung seiner Marken ausgemacht und kündigt nun an, die gesamte Konzernstruktur auf den Kopf zu stellen. Das Programm zur Neuausrichtung mit dem Namen „FIT4GROWTH“ umfasst vier zentrale Maßnahmen. Der Bereich soll Retail optimiert, Strukturen & Prozesse angepasst und das Segment Wholesale gestärkt werden. Zudem stehe eine Modernisierung der Marken bevor, heißt es. Dabei sollen die Maßnahmen vor allem an den Hebeln Umsatz, Effizienz und Kosten sowie Rohertrag ansetzen. Hauptziel sei es, in den nächsten 18 bis 24 Monaten die Voraussetzungen für langfristig profitables Wachstum zu schaffen, so das Unternehmen.
Optimierungsmaßnahmen bedeuten jedoch auch immer gravierende Einschnitte in die Personalstruktur. So sollen in den nächsten zwei Jahren insgesamt 103 Filialen geschlossen und jeder zehnte Mitarbeiter entlassen werden. Zusätzlich stehen noch einmal fünf Prozent der Stores auf dem Prüfstand, so dass es möglicherweise zu weiteren Standortschließungen kommen wird. „Vor dem Hintergrund der anhaltend schwierigen Marktbedingungen und des sich nachhaltig verändernden Einkaufs- und Kundenverhaltens hat sich die starke Ausweitung der eigenen Verkaufsflächen als zu ambitioniert erwiesen und belastet sowohl unsere Profitabilität als auch unsere Flexibilität“, so Norbert Steinke, Chief Retail Officer bei der Gerry Weber AG. Dem müsse man jetzt entgegensteuern. Retail bleibe jedoch auch in Zukunft ein wichtiges Standbein uns wichtiges Aushängeschild nach außen.
710 Stellen werden gestrichen
Optimieren will das Management auch die internen Prozesse in der Firmenzentrale und so ab dem Geschäftsjahr 2017/18 Sach- und Personalkosten in Höhe von 20 bis 25 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Um diese Kostensenkung zu realisieren, sollen allein am Hauptsitz in Halle/Westfalen rund 200 Stellen wegfallen, weitere 50 in den Auslandsgesellschaften. Von der Konsolidierung des Filialnetzes werden laut Finanzchef David Frink 460 Mitarbeiter im In- und Ausland betroffen sein. Man bemühe sich gemeinsam mit dem Betriebsrat um eine faire und sozialverträgliche Lösung für die insgesamt 710 betroffenen Beschäftigten.
Ein weiteres Ziel der Konzernführung ist es, das Wholesale-Geschäft innerhalb der nächsten 18 Monate wieder zu einem Wachstumsmotor des Unternehmens zu machen. Dazu wurden eine Reihe von Maßnahmen entwickelt und teilweise bereits auf den Weg gebracht. Diese zielen darauf ab, die Wholesale-Kunden besser zu betreuen, die Marke am Point of Sale zeitgemäßer zu präsentieren und neue Wholesale-Kunden zu gewinnen. Erreichen will man dies unter anderem durch die Einführung von Partnerschaftsprogrammen zur Optimierung der Warensteuerung und durch die Verbesserung der Servicequalität.
Sollten die Maßnahmen greifen und auch die angestrebten Neupositionierungen der Hausmarken greifen, erwartet der Vorstand ab dem dritten Jahr eine „Phase nachhaltig profitablen Wachstums“. Für das laufende Geschäftsjahr sind jedoch erst einmal „deutliche Einschnitte auf der Umsatz- und Ertragsseite“ zu erwarten.
Foto: Gerry Weber AG