Geprägt von Extremen, angetrieben von globalem Einfluss: Damenmode auf dem französischen Markt
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Am Montag, dem 25. September, beginnt die Pariser Modewoche, das am meisten erwartete Ereignis der Damenmode, und bietet die Gelegenheit, die Entwicklung des Sektors zu bewerten.
In Frankreich ist die finanzielle Entwicklung in der Kategorie Damenbekleidung durch Extreme gekennzeichnet: Auf der einen Seite sind mehrere bekannte Damenmodemarken wie Naf Naf, Gap France, Kookaï, Pimkie und Jennyfer in Liquidation oder Konkurs gegangen. Selbst große Unternehmen wie Fast Retailing sind davon betroffen: Das Unternehmen prüft die Möglichkeit, etwa 40 Prozent seiner Princesse Tam Tam- und Comptoir des Cotonniers-Filialen zu schließen.
Die Akteur:innen des mittleren Preissegments sind von den Folgen eines außerordentlichen Anstiegs der Bekleidungs- und Textilpreise aufgrund der Inflation betroffen, die 2022 um sechs Prozent steigen wird, verglichen mit einem Anstieg von neun Prozent in den vorangegangenen 30 Jahren.
Folglich schränken die Französinnen ihre Ausgaben für diese Produkte noch stärker ein als die Männer, so das Wirtschaftsobservatorium des französischen Modeinstituts (IFM). Nach Ansicht von dessen Direktion liegt der Grund dafür in den Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen (etwa 15 Prozent), was erklärt, warum Verbraucherinnen bei den Preisunterschieden ihrer Kleidung vorsichtiger sind.
Die inflationsresistente Macht der französischen Luxus-Maisons
Auf der anderen Seite scheinen die französischen Luxuskonzerne dank ihres weltweiten Einflusses einen Aufschwung zu erleben. Der Markt für Luxusgüter wird in diesem Jahr voraussichtlich um fünf bis 12 Prozent wachsen und damit zwischen 386 und 408 Milliarden US-Dollar (zwischen 361 und 382 Milliarden Euro) erreichen, so die globale Beratungsfirma Bain & Company. Was den Gesamtwert der 50 größten französischen Marken anbelangt, so ist dieser laut dem Datenunternehmen Kantar in den letzten zwei Jahren um 30 Prozent auf über 424 Milliarden US-Dollar (397 Milliarden Euro) gestiegen, wobei Louis Vuitton der Spitzenreiter ist.
Französische Top-Marken verfügen über eine einzigartige und umfassende globale Reichweite, wobei ein erheblicher Teil ihres Wertes auf Geschäfte außerhalb ihres Heimatmarktes zurückzuführen ist. 2023 ergab ein Bericht von Kantar BrandZ, dass 85 Prozent des Wertes der 50 französischen Top-Marken auf Aktivitäten und Ansehen im Ausland zurückzuführen sind, im Vergleich zu 51 Prozent der deutschen Top-Marken, 41 Prozent japanischer und zehn Prozent chinesischer Top-Marken. Diese globale Perspektive hat sich in den letzten zwei Jahren als großer Vorteil erwiesen. Genauer gesagt, hat dieses globalisierte Fachwissen es französischen Marken ermöglicht, profitable Expansionsbereiche zu identifizieren, selbst in einer Weltwirtschaft, die von einer Reihe sich überschneidender Herausforderungen geprägt ist.
Markenwert und Markennähe beherrschen
Mit einem innovativen Wachstums- und Expansionsmodell hat sich Louis Vuitton eher als „Megahaus“ denn als Modelabel positioniert. In den letzten zehn Jahren hat das Unternehmen zusammen mit Chanel die 10-Milliarden-US-Dollar-Umsatzgrenze überschritten und ist von da an weiter gewachsen, so dass es in diesem Jahr die 20-Milliarden-US-Dollar-Schwelle erreicht hat. Dieser Triumph ist das Ergebnis einer ständigen Aufmerksamkeit für den Markenwert, der als ein Vermögenswert anerkannt wird, der ständiger Investitionen und Pflege bedarf. In der Praxis beinhaltet dieser Ansatz die Veranstaltung von Mode-Events, die Zusammenarbeit mit prominenten Botschafter:innen und kulturellen Ikonen (wie etwa Virgil Abloh, Deepika Padukone oder Ana de Armas) und die Hervorhebung von Vorzeigeprodukten. Eine Mischung aus Bemühungen, die die Nähe der Marke zu ihrer Kundschaft verstärkt.
Es ist diese Fähigkeit, enge Beziehungen zu ihren Kund:innen aufzubauen, die es diesen Marken erlaubt hat, erhebliche Preiserhöhungen zu rechtfertigen. Und letztere haben sich als erfolgreich erwiesen, da sie die Inflation und die steigenden Rohstoffkosten übertreffen konnten, was zu erheblichen Gewinnen führte. Während das mittlere Konfektionssegment unter Preiserhöhungen leidet, haben einige Marken im Luxussegment die Preise für ihre meistverkauften Artikel in nur fünf Jahren sogar mehr als verdoppelt, ohne dass dies negative Auswirkungen auf den Umsatz gehabt hätte.
Wie man sich auf dem französischen Markt behaupten kann
Die Marken, denen es gelungen ist, als Anbieter von „gerechtfertigten Premium“-Preisen wahrgenommen zu werden und sich den französischen Kund:innen anzunähern, sind diejenigen, die die Notwendigkeit erkannt haben, sich über die Modebranche hinaus zu engagieren; diejenigen, die wissen, dass sie ihren Beitrag zur Gesellschaft unter Beweis stellen müssen. Wie die Studie von Kantar BrandZ France zeigt, ist die Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Umwelt, der Gesellschaft, seinen Mitarbeiter:innen und Lieferbetrieben heute dreimal so entscheidend für seinen Ruf wie noch vor zehn Jahren. Die größten französischen Marken haben sich diese Perspektive zu eigen gemacht und legen besonderen Wert auf eine „regenerative“ Wirtschaft.
Hermès, das wie Louis Vuitton bereits den Titel „Megamarke“ für sich beanspruchen kann, stellt nun Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt seiner Handwerkskunst. Im Jahr 2021 gründete das Unternehmen die École Hermès des Savoir-Faire, um eine neue Generation von Handwerker:innen in verschiedenen Regionen Frankreichs auszubilden. Darüber hinaus werden im Rahmen des Petit-H-Konzepts Objekte und Accessoires aus überschüssigen Materialien hergestellt, die in den zahlreichen Hermes-Ateliers gesammelt werden. Infolgedessen hat Hermes mit einem Markenwert von 57,5 Milliarden US-Dollar den zweiten Platz in der Rangliste von Kantar BrandZ erreicht und damit eine Steigerung von 48 Prozent seit 2021 erzielt. Damit übertrifft Hermès Chanel, dessen Markenwert um 30 Prozent gestiegen ist und nun 57,1 Milliarden US-Dollar erreicht. Kering hat auf seiner Website sogar die Rubrik „Nachhaltige Entwicklung“ eingerichtet. Zu den vielen Initiativen, die dort vorgestellt werden, gehört der „Fashion Our Future“-Podcast, in dem Prominente wie die Schauspielerin Kerry Washington, die aktivistische Designerin Aurora James und der Umweltaktivist Saad Amer erkunden, wie Mode und Umwelt in Einklang gebracht werden können. Auch wenn dies einigen wie eine Greenwashing-Initiative vorkommen mag, so hat sie doch das Potenzial, ein großes Publikum aufzuklären und schließlich Verbindungen zwischen Fachleuten und Entscheidungsträger:innen und Macher:innen herzustellen.
Französische Marken sind führend bei der Gestaltung der Zukunft der „Kreislaufwirtschaft“ der Mode, und dieser Sektor bietet vielversprechende Möglichkeiten. Der Markt für Luxusgüter aus zweiter Hand wurde von der Boston Consulting Group für das Jahr 2021 auf rund 35 Milliarden US-Dollar geschätzt, was einem Anstieg von 65 Prozent gegenüber 2017 entspricht. Laut Prognosen von Bain & Company könnte dieser Markt bis 2030 bis zu 20 Prozent des Umsatzes eines Luxusunternehmens generieren. Dieses Luxussegment hat das Potenzial, die wohlhabenden französischen Verbraucher:innen anzusprechen, die leichter Ressourcen für den Schutz des Planeten bereitstellen können. Um dieses Potenzial zu nutzen, haben französische Wiederverkaufsplattformen wie Vestiaire Collective und Reset bereits mit Marken wie Courrèges, Alaia und McQueen an innovativen Handelsmodellen für Luxusgüter zusammengearbeitet.
Wie sieht es mit „Made in France“ aus?
Die wenigen Haute-Couture-Marken, die an der Fashion Week teilnehmen, können stolz darauf sein, „made in France“ zu sein. Dies gilt jedoch nur für ihre Haute-Couture-Linie, die strengen Regeln folgen muss, einschließlich der Herstellung in ihren französischen Ateliers. Die Prêt-à-porter-Kollektionen hingegen unterliegen einem separaten Produktionsprozess, und die Suche nach den Lieferketten für Rohstoffe, Stoffe und Produktionsstätten kann eine Herausforderung darstellen. Das Label „Made in France“ birgt oft die Gefahr der Irreführung der Verbraucher:innen, da es auch auf Produkte angewandt werden kann, die nur ihre letzte Verarbeitungsstufe in Frankreich durchlaufen.
Man sollte jedoch festhalten, dass nur 16 Modehäuser das Haute-Couture-Label tragen (von denen nicht alle bei der Modewoche dabei sind): Adeline André, Alexandre Vauthier, Alexis Mabille, Bouchra Jarrar, Chanel, Christian Dior, Franck Sorbier, Giambattista Valli, Givenchy, Jean Paul Gaultier, Julien Fournié, Maison Margiela, Maurizio Galante, Rabih Kayrouz, Schiaparelli, Stéphane Rolland.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf FashionUnited.uk. Übersetzt und bearbeitet von Simone Preuss.