Fynch-Hatton-Chef Mathias Eckert: "Großes Wachstum ist auch nicht immer lustig"
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Bei Fynch-Hatton in Mönchengladbach gibt es Grund zu feiern, denn die 1998 von Roger Brandts gegründete Marke wird in diesem Jahr 25. Seit den Anfängen von Fynch-Hatton als lokaler Stricker hat sich einiges verändert, nicht zuletzt auch der Fokus der Marke, die ihr Produktportfolio in den vergangenen Jahren um Damenmode, Lizenzprodukte und ‘Home & Living’-Artikel erweitert hat. Getrieben wird die Veränderung von Mathias Eckert, der die operative Führung 2020 von Inhaber und Gründer Brandts übernommen hat.
Wie Fynch-Hatton das Jubiläumsjahr zelebriert, welche ehrgeizigen Ziele sich die Marke gesetzt hat und wieso Nachhaltigkeit trotz schwindender Nachfrage ganz oben auf der Agenda des Casualwear-Anbieters steht, erklärt der Geschäftsführer im Interview mit FashionUnited.
Fynch-Hatton feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Wie zelebrieren Sie diesen Meilenstein?
Eine Feier liegt schon hinter uns. Wir haben noch ein weiteres Highlight in der Tasche, nämlich ein kleines VIP-Event mit den großen Entscheider:innen der Branche, die wir zu einem schönen Abend inklusive Diskussionsrunde mit Dirk Steffens, dem ehemaligen Terra X Redakteur, zum Thema Nachhaltigkeit einladen. Das Thema rückt in unserer Branche aktuell in den Hintergrund, deshalb möchten wir die Diskussion erneut anstoßen.
Sie starten mit einem durchaus ambitionierten Umsatzziel in das nächste Kapitel von Fynch-Hatton – 100 Millionen Euro Umsatz bis 2025 –, und das in einer Zeit, in der viele Marken straucheln…
In der Tat machen die Marktbedingungen unser Ziel ambitionierter. Allerdings ist das Marktumfeld, in dem wir agieren – Upper Mainstream beziehungsweise knapp unter Premium – durchaus ein Bereich, der momentan stark berücksichtigt wird. Zum einen von den Konsument:innen, in unserem Fall Konsumet:innen von 45 Plus, für die die Energiekrise beispielsweise nicht ganz so belastend ist.
Zum anderen sind wir glücklicherweise aus den Hochjahren des Online-Shoppings raus und Kund:innen kaufen wieder stationär. Und interessanterweise scheint sich hier abzuzeichnen, dass der Markt tatsächlich größer wird. Trotz des brutalen Verdrängungsmarkts, in dem wir nach wie vor stecken, scheint der Kuchen an der Stelle etwas zu wachsen, sodass alle davon profitieren. Wie lange das anhält, wissen wir natürlich nicht.
Wachstum gab es auch im vergangenen Jahr, Sie konnten Ihren Jahresumsatz um 40 Prozent steigern…
Es ist nicht so, als wäre uns alles in Schoß gefallen. Ich mache das jetzt 30 Jahre und es gab immer taffe Zeiten, zum Beispiel die Finanzkrise. Man muss hart für Erfolg arbeiten, aber wir sind on Track. Großes Wachstum ist auch nicht immer lustig, das hat uns in der Organisation ordentlich gestresst. Keiner von uns hatte im letzten Geschäftsjahr 40 Prozent Plus geplant, sondern mit komfortablen 25 und weiteren 25 in diesem Jahr gerechnet. Wir sind froh, dass wir in der Zweijahres-Abfolge die Ziele für dieses Jahr beibehalten haben, da wir einfach einmal durchschnaufen müssen.
Sie sprechen von Durchschnaufen, gibt es Stellen, an denen Sie einige Prozesse aufgrund von steigender Nachfrage verändern und anpassen müssen?
Man wehrt sich nicht, wenn der Umsatz kommt. Es ist schön, dass das, was wir tun, vom Handel und besonders von den Endkund:innen so positiv reflektiert wird. Aber es war und ist auch anstrengend und es musste systemisch in den Prozessen nachjustiert werden. Aktuell arbeiten wir intensiv an verschiedenen Digitalthemen. Wir können mittlerweile unsere Supply Chain digital tracken. Letztes Jahr haben wir ein Dokumentenmanagementsystem für Rechnungseingänge eingeführt und ein Produktlebenszyklusmanagement-System, mit dem wir im Produkt deutlich digitaler unterwegs sind. Auch hier tun wir alles, um das Unternehmen noch fitter für die Zukunft zu machen.
Ich habe vor zweieinhalb Jahren einen schönen Rohdiamanten übernommen. Roger Brandts hatte bereits sehr viel, sehr, sehr gut aufgestellt. Auch personell, mit einem Team von tollen Menschen, die mit viel, viel Leidenschaft arbeiten, und das wir mit fast 30 Leute verstärkt haben.
Wie verläuft die aktuelle Orderphase?
Die Order ist noch in vollem Gange. Die Gespräche mit unseren Kund:innen haben eine Bandbreite von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt. Aber in Summe sind wir im Plan. Das macht uns sehr, sehr optimistisch. Auch in Bezug auf Nachbestellungen sind wir gut unterwegs. Hier ist der Anteil von knapp über zehn Prozent auf deutlich über 20 angestiegen. Dadurch konnten wir auch die Performance pro Quadratmeter bei unseren Händler:innen steigern. Das sind unsere Triggerpunkte, dass die Flächen produktiver werden, wir dadurch mehr Quadratmeter bekommen, mit mehr Quadratmetern mehr Sichtbarkeit und mit mehr Sichtbarkeit mehr Relevanz.
Sie sind nicht nur in Deutschland, sondern auch darüber hinaus aktiv. Wie verteilt sich der Umsatzanteil?
Wir sind auf 55 Märkten aktiv, auch außerhalb von Deutschland mit 53 Prozent Umsatzanteil. Das ist spannend, weil diese Marke im ersten Ansatz gar nicht so international wahrgenommen wird. Im Umkehrschluss könnte man sagen, wir waren in Deutschland zu schwach, was ich bedingt unterschreibe. Wir können in Deutschland noch deutlich an Relevanz gewinnen, trotzdem macht es auch irre viel Spaß zu sehen, dass unser Produkt eben in der Welt so positiv wahrgenommen wird.
Gibt es einen Markt, der für Sie besonders heraussticht?
Belgien ist quasi unser zweiter Heimatmarkt. Wir haben einen riesigen Umsatzanteil von deutlich über zehn Prozent. In meiner Erfahrung mit dem belgischen Markt ist dieser Umsatzanteil für die Herrenmode mehr als außergewöhnlich.
Seit kurzem haben Sie den Vertrieb für Deutschland und Österreich übernommen, wie kam es zu dieser Entscheidung?
Deutschland war schon vor meiner Zeit im Gespräch. Die Entscheidung fiel dann mit der Hinzunahme der Damenmode [Anm. d. Red.: 2020 wurde eine Damenmode-Linie lanciert]. Umgekehrt wäre die Konsequenz gewesen, separate Agenturen zu suchen. Der Schritt hat sich mehr als gerechnet, in Deutschland konnten wir den Umsatz in den Gebieten mehr als verdoppeln. Die nächste Option ist Österreich, wo wir der Damenmode ein Riesenpotenzial zusprechen und zum 1. April den Vertrieb übernommen haben.
Fynch-Hatton war jahrelang nur als Herrenlabel bekannt, wie kommt die Damenmode an und was konnten Sie bislang beobachten?
Man darf nicht vergessen, dass eine Vielzahl der Herrenprodukte von Frauen gekauft wurde, schon in der Vergangenheit, das heißt, sie kennen die Qualitäten. Der Unterschied ist, dass wir im Herrenbereich tolle Einzelprodukte in einer breiten Farbauswahl spielen, wie zum Beispiel das Polo oder Leinenhemd. Das funktioniert in der DOB nicht, denn bei den Damen wird die Luft nach sechs Farben dünn.
Die Welt von Fynch-Hatton wurde nicht nur um Damenmode, sondern auch um Home and Living sowie Lizenzprodukte erweitert...
Wir müssen unterscheiden; Home and Living machen wir selbst, und dann gibt es die Lizenzen. Tatsächlich hat die Marke auf diese Lizenzpartner:innen reflektiert, und die auf uns zugekommen sind. Erst gestern hatte ich wieder die Anfrage von möglichen Lizenzpartner:innen, der sich Fynch-Hatton durchaus in seiner Kategorie vorstellen kann. Mehr kann ich noch nicht mehr sagen, doch es ist spannend, dass die Partner:innen auf uns zukommen.
Wie kam es überhaupt zu der Entscheidung für diese neuen Produktkategorien?
Lizenzen sowie Home and Living waren von Anfang ein Thema, da die Fläche aufgewertet wird, und das nicht unbedingt direkt neben unseren Textilprodukten, sondern tatsächlich an anderen Stellen wie den Treppenaufgängen oder in Kassennähe. Es ist ein spannendes und lohnendes Zusatzgeschäft für den Handel, weil er den Konsument:innen nicht nur Kleidung, sondern ein Einkaufserlebnis bietet.
Für den Bekleidungsfachhandel haben wir uns für eine Plug-and-Play-Lösung entschieden. Wir stellen den Händler:innen alles zur Verfügung, inklusive einem komplementären Sortiment, sodass sie gar nicht darüber nachdenken müssen, auf welchen Messen sie diese Einrichtung einkaufen. Das ist eine Riesenlösung für den Fachhandel, der sich bisher nur mit Textilien beschäftigt hat und gar nicht weiß, wer das wo einkaufen kann. Es ist immer spannend: Es kommt jemand, dem das Sortiment gefällt, und dann schauen alle in die Runde und fragen 'wer kauft das denn jetzt ein?' Irgendwie landet es dann bei Visual Merchandising, beim Marketing oder als Chefsache, je nachdem, wie groß das Einzelhandelsgeschäft ist.
Sie erwähnten vorhin ihre Zielgruppe und sprachen von 45 aufwärts. Gibt es Ambitionen, sich zu verjüngen?
Ich habe in meinen 30 Jahren schon viel erlebt. Die Zielgruppe zu verjüngen, ist eine riesige Herausforderung. An der Stelle stellt sich die Frage, wie man es schafft, seine DNA nicht zu verlieren. Es gibt wenige Beispiele, die es gut geschafft haben. Unser Ziel muss am Ende sein, in unserer Zielgruppe zu bleiben, nicht älter zu werden. Die Gefahr ist, mitzuwachsen. Das wird immer latent so sein. Das heißt, wenn sich dann mal jemand für die Marke begeistern konnte, dann wird er die Marke ja auch die nächsten zehn, hoffentlich 20 oder 30 Jahre tragen.
Da wir hauptsächlich im Wholesale unterwegs sind, hat das immer auch mit dem Vertriebskonzept zu tun. Die Filialist:innen sind sehr unterschiedlich, es kann also sein, dass einige Filialist:innen im Hohen Norden eine sieben Jahre ältere Zielgruppe haben, als beispielsweise ein moderner Filialist in Stuttgart. Diese Differenzen können wir nicht beeinflussen, hier sind die Vertriebskonzepte der einzelnen Händler:innen maßgeblich.
Kommen wir noch einmal zum Stichwort Nachhaltigkeit zurück. Sie hatten angestrebt, bis 2023 in allen Produkten “nachhaltig” zu sein. Haben Sie dieses Ziel erreicht?
Das haben wir tatsächlich nicht ganz geschafft. An einer Stelle ist es uns gut gelungen, in Bezug auf Arbeitsbedingungen und Sozialstandards sind wir extrem sauber. Die BCI [Anm. d. Red.: Better Cotton Initiative] ist uns leider auf die Füße gefallen, weil viele Händler:innen es nicht mehr als Zertifikat akzeptieren werden, beispielsweise Breuninger. Das tut uns natürlich ein bisschen weh. Aber wir arbeiten intensiv daran.
Wie bleiben Sie trotz Rückschlägen motiviert, die Nachhaltigkeit voranzutreiben?
Einerseits ja, da es eine Herzensangelegenheit ist und bleibt und zum anderen sind wir überzeugt, dass es Standard werden muss. Wir glauben nicht, dass Konsument:innen anfangen, auszusuchen. Und wir möchten die Konsument:innen nicht vor die Wahl stellen, sondern ihnen das sichere Gefühl geben, dass alles, was wir tun, nachhaltig ist. Das ist wesentlich einfacher und verständlicher als der Label-Dschungel, der am Point of Sale herrscht.
Was uns tatsächlich umtreibt, ist die extrem niedrige Nachfrage. Das Thema scheint bei den Konsument:innen momentan nicht wirklich relevant zu sein. Möglicherweise ist es tatsächlich eine Frage des Preises. Unsere Branche musste wahnsinnige Preiserhöhungen hinnehmen, nicht nur aufgrund von mehr Nachhaltigkeit, sondern vor allem wegen der Inflation. Niemand hat diesen Moment genutzt und gesagt: `ich erhöhe die unverbindliche Preisempfehlung um fünf oder zehn Euro und nehme das Thema Nachhaltigkeit mit‘, obwohl es eigentlich notwendig und richtig gewesen wäre. Wir haben unsere Preise nicht erhöht, unter anderem um uns Marktanteile zu sichern, und es hat sehr gut funktioniert.
Wie sieht es auf Händler:innenseite aus?
Unsere Händler:innen erkundigen sich nicht explizit nach nachhaltigen Produkten, das habe ich gerade erst wieder bei den Ordertagen in Düsseldorf erlebt.
Ich war ein wenig erschrocken über die Neonyt. Aktuell ist die Messe ein Satellit, wenn sie das Thema nicht viel sauberer einbindet, wird sie ein Satellit bleiben. Letztendlich müssen die Großen hier Druck machen – Gallionsfiguren, wie Marc O‘Polo, die das Thema intensiv angehen. Doch auch alle anderen müssen dabei sein und endlich Flagge zeigen.
Wie definieren und vor allem wie messen Sie Nachhaltigkeit bei Fynch-Hatton?
Wir definieren Nachhaltigkeit tatsächlich in mehreren Kennzahlen, um damit Ziele zu setzen. Die simpelste Kennzahl ist der prozentuale Anteil unserer nachhaltigen Artikel heute und unser Ziel für die kommende Saison. Dafür muss man die ganze Mannschaft für das Thema sensibilisieren. Keiner von uns geht mehr raus und sucht neue Lieferant:innen, ohne das zu berücksichtigen. Nachhaltigkeit steht bei uns ganz oben auf der Agenda.
Wie viel Prozent ihrer Kollektion ist derzeit “nachhaltig”?
70 Prozent unserer Kollektion ist aktuell nachhaltig. Wir sind gerade bei der Sommersaison, da funktioniert das recht gut. Wir haben ein kleines Delta, da es im Grunde keine Nachhaltigkeitsstandards für Leinen gibt, Leinen aber für uns ein großes Thema ist. Deshalb sind wir sogar eher bei 80 Prozent, wenn man Leinen berücksichtigt.
Sie erwähnten gerade Ziele – eines der von ihnen angekündigten Ziele ist auch die Klimaneutralität bis 2025. Halten Sie daran fest?
Das Ziel ist durchaus realistisch. Wir stellen nach und nach unsere Flotte auf erneuerbare Energien um. Und wir arbeiten intensiv am Thema Purchasing. Das haben wir im letzten Jahr neu aufgestellt und gehen jetzt in Richtung Nearshoring, um deutlich nachhaltiger zu werden.
Können Sie schon etwas mehr über ihre Nearshore-Pläne verraten?
Da gibt es interessante Entwicklungen, eben nicht nur in der Türkei und Osteuropa, sondern auch in Richtung Afrika. Es ist bemerkenswert, dass viele chinesische Hersteller:innen sich momentan in Afrika umschauen und dort investieren, da China als Produktionsland immer schwieriger wird.
Was erhoffen Sie sich für die nächsten 25 Jahre?
Relevanz, Sichtbarkeit und Marke sind unsere größten Ziele. Wir wollen mit dem Handel unbedingt weiter sehr erfolgreich sein, gemeinsam wachsen und die Dinge richtig machen, immer mit dem nötigen Weitblick. Wir sind ein tolles Unternehmen und wir haben einen großartigen Inhaber, der mit 58 noch mitten im Leben steht. Unser Ziel ist es, Unternehmen und Marke wirtschaftlich so perfekt aufzustellen, dass wir sie an die nächste Generation übergeben können, sofern die drei Töchter von Roger Brandts in die Fußstapfen ihres Vaters treten möchten.
Unsere Ambition ist es sicherzustellen, dass das Unternehmen in den nächsten 25 Jahren ein relevanter Player im Markt bleibt und mit steigendem Erfolg wirtschaftlich gut aufgestellt ist. Das haben wir uns vorgenommen in der Hoffnung, dass die nächste Generation fortführt, was in den letzten 25 Jahren gut funktioniert hat.