Fußball-Hype und Sneakercollab: Bikkembergs verjüngt sich und visiert deutschen Markt an
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Bikkembergs positioniert sich neu und zielt auf eine jüngere Generation ab. Sie kennt den Namen des belgischen Modeschöpfers vielleicht, aber wurde nicht mehr mit seiner Ästhetik sozialisiert. Eine strategische Kollaboration mit dem umstrittenen russischen Streetwear-Designer Gosha Rubchinskiy soll der Marke nicht nur neue Relevanz verleihen, sondern auch Türen in Märkten wie den USA und Deutschland öffnen.
Das eingespielte Duo aus Markenchef Dario Predonzan und Creative Director Lee Wood hält Bikkembergs entgegen der branchenüblichen Fluktuation seit fast einem Jahrzehnt gemeinsam auf Kurs. Im Interview geben sie Einblicke in die aktuelle Ausrichtung und der Rolle des Fußballs als kultureller Katalysator.
Sie präsentieren auf der Pitti Uomo eine Kollaboration mit Gosha Rubchinskiy. Wie kam es dazu?
Lee Wood: Es bestehen eindeutige Parallelen zwischen Goshas Ästhetik und der Markenästhetik von Bikkembergs, die aus der Dirk-Ära stammt, welche wir gewürdigt und bis heute fortgeführt haben. Es gibt starke Parallelen zwischen Mode und Sport, Streetstyle, der Sprache des Fußballs und wie diese sportliche Subkultur modisch werden kann.
Es war einfach eine sehr natürliche Verbindung, dass wir uns gefunden und beschlossen haben, an diesem Projekt zu arbeiten. Beide Seiten haben sehr unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Aber wenn man zwischen den Zeilen liest, gibt es auch ziemlich viele Parallelen. Gochas Ästhetik ist extrem ikonisch in seiner Art, Subkultur mit Fußballtrikots und all diesen Dingen zu integrieren.
Das Fußball-Thema ist tief in der DNA von Bikkembergs verwurzelt und liegt derzeit im Trend. Welche Rolle spielt es, abgesehen von der Kollaboration, für FS26?
Wood: Diese Kollaboration ist für uns von immenser Bedeutung und Strahlkraft. Ich habe sie auch als Inspirationsquelle in die Kollektion einfließen lassen. Dabei soll sie der Zusammenarbeit nicht das Rampenlicht nehmen, sondern auf subtilere Weise anschließen und durch Merchandising-Artikel vervollständigen.
Wie setzen Sie das um?
Wood: Designelemente der Sohle oder der Nähte werden aufgegriffen und in die Ästhetik einzelner Kleidungsstücke, Schnittführungen oder sogar als Miniaturschuh-Logo auf T-Shirts, Poloshirts, Hemden und Oberbekleidung integriert. So entsteht eine konstante Erinnerung an die dekonstruierten Bestandteile des Schuhs, die in anderen Bereichen Anwendung finden.
Spiegelt sich dieser Fußball-Hype bereits in Ihren Verkaufszahlen wider?
Dario Predonzan: Wir erwarten diese Entwicklung eher im nächsten Jahr als im laufenden. Die Kollaboration ist seit einem Jahr in Planung und wird zusammen mit dem Comeback der Fußballschuhe in der Saison Frühjahr/Sommer 2026 sichtbar werden. Der Hype darum wird aber schon früher kommen, wahrscheinlich in den letzten sechs Monaten dieses Jahres.
Hilft das in Zeiten, in denen der Konsum schwächelt?
Predonzan: Wir haben in den letzten acht, neun Jahren, die ich hier bin, versucht, uns nicht von unseren Kernwerten zu entfernen. Unser Mantra ist „Mens sana in corpore sano“, was für mich Sport, Dynamik und Selbstvertrauen der Menschen bedeutet, die diese Marke tragen.
In der aktuellen Situation, in der die Modebranche nicht boomt und in verschiedenen Märkten aufgrund des Krieges und all der Dinge, die auf der Welt passieren, leidet, ist es wichtig, unseren Kernwerten treu zu bleiben. Sport und insbesondere Fußball sind ein wichtiger Teil davon. Daher weichen wir davon nicht ab. Anderen oder Trends zu folgen, wie es bei anderen Marken und Märkten zu sehen war, führt nicht zu Beständigkeit und langfristigen Ergebnissen.
Würden Sie noch einen Schritt weiter gehen und in Sport- und Performance-Kleidung expandieren?
Predonzan: Nein, im Moment nicht. Wir hatten letztes Jahr einen kleinen Versuch mit Padel-Tennis, der in einigen Teilen der Welt im Trend liegt, aber das entspricht nicht unserer Markenidentität. Wir überlassen die Performance Nike, Adidas und all den großen Marken, die sich darauf spezialisiert haben und untereinander konkurrieren. Der Markt ist groß, aber die Marken sehr gering. Wir wollen da nicht hin.
Im Fußball waren Sie jedoch bereits mit Partnerschaften auf dem Spielfeld vertreten…
Predonzan: Dirk hat in der Vergangenheit viel gemacht, wie mit Inter [Mailand] und anderen großen Teams. Das letzte Mal waren wir bei der Weltmeisterschaft in Russland mit der russischen Mannschaft dabei. Es war eine sehr, sehr gute Erfahrung.
Ist das ein Ansatz, den Sie weiter verfolgen werden?
Predonzan: Sag niemals nie. Wir sind ständig im Gespräch mit Vertretern des Leistungssports, sowohl mit Einzelathlet:innen als auch mit Teams. Daher wird es wahrscheinlich wieder eine Gelegenheit geben, bei der wir uns in diesem Bereich engagieren. Das ist jedoch nicht der Schwerpunkt unserer Kommunikationsstrategie.
Apropos Russland – das Land zählt zu Ihren Wachstumsmärkten. Soll die Zusammenarbeit mit Rubchinskiy dies unterstützen?
Predonzan: Das ist nicht der Grund, warum wir uns füreinander entschieden haben. Russland war schon immer unser zweitstärkster Markt nach Italien, noch bevor ich und Lee hier waren. Wir haben dort verschiedene Expansionspläne mit Partner:innen, die Monobrand-Stores eröffnen werden.
Wir haben in Rostow angefangen und werden im Juli in Moskau eröffnen. Wir planen bis Ende 2027 20 Geschäfte in dieser Region.
Wieso sind Sie in Russland so erfolgreich?
Predonzan: Die Wahrnehmung der Marke in Russland ist sehr hoch. Sie ist vergleichbar mit der Wahrnehmung, die wir in Südeuropa von einer Art ‘Super-Premium’-Marke haben.
Sind weitere Eröffnungen außerhalb dieser Region geplant?
Predonzan: Wir expandieren in Marokko, wo wir bereits in Casablanca vertreten sind. Drei weitere Filialen stehen kurz vor der Eröffnung. Darüber hinaus eröffnen wir auch in Kasachstan und Usbekistan.
Welche anderen Märkte entwickeln sich ebenfalls gut?
Predonzan: Osteuropa ist generell sehr stark und Spanien ebenfalls ein recht guter Markt. Ab SS26 konzentrieren wir uns auch auf Nordeuropa. Deutschland wird mein Hauptziel sein, ist aber wirtschaftlich betrachtet aufgrund von Ladenschließungen ein sehr schwieriger Markt.
Im Schuhbereich sind wir in den USA aktiv, aber es ist immer noch ein sehr kleiner Markt für uns und aktuell leiden die großen Kaufhäuser sehr. Es ist also wahrscheinlich nicht der richtige Zeitpunkt, aber wir wollen dort sein. Wahrscheinlich wird auch die Zusammenarbeit mit Gosha dazu beitragen, wieder einige dieser Geschäfte wie Saks oder Nordstrom zu gewinnen.
Wir müssen jedoch alle Kräfte bündeln, um stark aufgestellt zu sein und in neuen Märkten wie den USA Ergebnisse zu erzielen, denn man muss sehr gut organisiert, vorbereitet und sicher sein, das richtige Produkt für diesen Markt zu haben. Wenn man einmal scheitert, muss man drei, vier Jahre warten. Außerdem weiß man nie, was mit all diesen Zöllen und „Mr. Blonde“ passieren wird.
Unsichere Zeiten bestimmen auch die Lieferketten in der Modebranche. Hat der Konflikt zwischen Bangladesch und Indien zum Beispiel Auswirkungen auf Sie?
Predonzan: Wir produzieren nicht in Bangladesch und haben nur einen Teil der Produktion in China. Der Großteil der Produktion befindet sich in Italien und der Türkei.
Wood: In China fertigen wir lediglich technische Stoffe, wie Nylon-Elemente und Beschichtungen. Der Rest wird in Europa produziert.
Predonzan: Und was die Zölle betrifft, so ist der US-Markt, wie gesagt, noch recht klein. Wir verkaufen hauptsächlich Schuhe und Lederwaren „Made in Italy“. Daher gibt es im Moment keine größeren Schwierigkeiten.
Alle Produkte werden von Lizenznehmer:innen hergestellt. Designchef Lee Wood beaufsichtigt zusammen mit dem Kreativ- und Designteam von Bikkembergs jeden Aspekt des Prozesses. Das Team entwickelt jede Kollektion, die dann den Lizenznehmer:innen zur Absprache und möglichen Anpassung auf Grundlage ihrer Erkenntnisse und Marktanforderungen präsentiert wird.
Hier die Partner:innen in der Übersicht:
- Schuhe: Rodolfo Zengarini (Marken, Italien)
- Bekleidung: 2Brothers (Apulien, Italien)
- Accessories:Principe (Lombardei, Italien)
- Unterwäsche und Bademode: AreaB (Venetien, Italien)
- Kinderschuhe: Elisabet (Marken, Italien)
- Schmuck: Arkano (Venetien, Italien)
Welche Produktkategorien entwickeln sich bei Ihnen generell besonders gut?
Predonzan: Schuhe laufen hervorragend, nahezu in allen Märkten. Auch bedruckte Ready-to-Wear-T-Shirts verkaufen sich immer sehr gut.
Wood: Strickwaren erzielen ebenfalls gute Ergebnisse. Diese Produktkategorie war schon immer von großer Bedeutung für die Marke. Preislich liegt Strickware natürlich in einem ganz anderen Segment als T-Shirts oder Sweatshirts, aber unsere Kundschaft verstehen den Unterschied zwischen Qualität und Preis.
Es ist nicht einfach, kommerziellen Erfolg mit der Wahrung des Erbes des Gründers in Einklang zu bringen. Wie erreichen Sie beides?
Wood: Ich glaube nicht, dass es so kompliziert ist. Alle, die in meiner Position sind, mögen eine andere Methode oder einen anderen Ansatz haben. Mir war es von Anfang an immer wichtig, dem Erbe der Marke treu und respektvoll zu begegnen. Es ist nicht mein Name an der Tür. Daher muss ich verstehen, dass hinter der Marke eine ganze Philosophie und Geschichte steckt.
Im heutigen Klima muss man mehr als nur Designer sein, man muss auch ein kreativer Manager sein. Kreativität ist extrem wichtig, aber wir müssen vorsichtig sein und ein Gleichgewicht finden zwischen dem Notwendigen, dem Merchandising und dem, was sich gut verkauft.
Es gibt einen Teil der Arbeit, der die Auswertung von Daten und Zahlen erfordert, und einen anderen, bei dem man eine Vision für die kommende Saison haben muss. Es ist ein Balanceakt, der gleichzeitig auch kreative Erfolge mit sich bringt.
Herr Wood, Sie sind nun seit fast einem Jahrzehnt an der kreativen Spitze der Marke. Gibt es ein bestimmtes Juwel aus dem Archiv, das Sie gerne wiederbeleben würden?
Wood: Wir verfügen über ein unglaubliches, äußerst umfangreiches Archiv. Es ist erstaunlich, wenn ich mir das Archiv ansehe, wie sehr sich die Mode in Bezug auf Materialien, Produktionsmethoden und dergleichen verändert hat. Aber auch, wie sehr sich die Mode im Kreis dreht und zu der Ästhetik zurückkehrt, die in unserem Archiv vorhanden ist. Ähnlich verhält es sich mit der Kollaboration mit Gosha, da wir diese Art von Schuhen schon immer hergestellt haben. Diese Philosophie hatten wir schon immer. Es ist einfach so, dass die Mode jetzt zu uns zurückgekehrt ist.
Wenn ich mir diese Stücke im Archiv ansehe, entdecke ich immer wieder Unglaubliches. Manches wäre heute aufgrund der Produktionskosten oder nicht mehr existierender Herstellungsverfahren einfach nicht realisierbar. Wir finden aber stets einen Weg, diese Elemente zu interpretieren, sie aufzugreifen, zu filtern und ihnen Tribut zu zollen. Das ist enorm wichtig, denn es gibt sehr prägnante Codes, die mit unserer Marken-Sprache verbunden sind und nicht nur mit dem Schriftbild zu tun haben, sondern beispielsweise mit einem bestimmten Stichmuster oder einer besonderen Art, einen Ärmel zuzuschneiden – wir versuchen, diese am Leben zu erhalten.
Mit Blick auf die Zukunft, nach der Reflexion über die Vergangenheit. Was sind Ihre Erwartungen für die zweite Jahreshälfte und wie wollen Sie 2025 abschließen?
Predonzan: Wir lagen 2024 im Einklang mit dem Vorjahr und hatten großartige Ergebnisse im E-Commerce-Geschäft. Wir haben in dem Bereich ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2023 erzielt. Meine Erwartung ist natürlich immer positiv. Ich glaube nicht, dass es ein zweistelliges Plus sein wird, aber die Erwartungen liegen sicher zwischen null und zehn Prozent Plus im Vergleich zum Vorjahr.
Der Schwerpunkt in diesem Jahr ist es, den Vibe der Marke zu finden, um das jüngere Publikum zu erreichen. Wir müssen unsere zukünftigen Konsument:innen gewinnen, die Bikkembergs heute wahrscheinlich noch nicht so gut kennen. Die Kollaboration und der Relaunch von Fußball als Trend werden uns helfen, dorthin zu gelangen.
Über Bikkembergs
Bikkembergs wurde vom gleichnamigen belgischen Designer Dirk Bikkembergs 1986 – damals noch unter seinem vollständigen Namen – gegründet. Der in Köln geborene Modeschöpfer studierte in Antwerpen an der Royal Academy of Fine Arts und war Teil der avantgardistischen Designer:innen-Gruppe „Antwerp Six“. Er ist für seine provokante und innovative Menswear bekannt und gilt als Pionier in der Fusion von Sport und Mode. Fußball spielt dabei immer eine wichtige Rolle und ist bis heute Teil der Marken-DNA. Er legte auch Anfang der 2000 den Grundstein für Kooperationen zwischen Modedesigner:innen und Fußballclubs abseits des Platzes.
2011 beendete Bikkembergs seine aktive Karriere und die Marke ging in den Besitz des italienischen Schuhspezialisten Zeis Excelsa. Hinter der ursprünglich belgischen Marke steht das italienische Unternehmen Levitas SpA. Seit 2015 hält die chinesische Modern Avenue Group Co., Ltd. (ehemals Guangzhou Canudilo Fashion & Accessories Co., Ltd.) 51 Prozent am Unternehmen und damit die Mehrheitsbeteiligung.
Bikkembergs erzielt rund 70 Prozent seiner Umsätze im Wholesale. Der Direktvertrieb setzt vor allem auf den eigenen Onlineshop, der um rund zehn Point-of-Sales (POS) ergänzt wird.