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Frauen in der Chefetage: Angelika Schindler-Obenhaus, COO Gerry Weber

Von Barbara Russ

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Business |INTERVIEW

Angelika Schindler-Obenhaus ist derzeit COO der Gerry Weber International AG. Auf dem Branchen-Netzwerk LinkedIn beschreibt sie sich selbst als „eine leidenschaftliche Verfechterin von Veränderung und transformationaler Führung“ und als „Befürworterin von Frauen in Führungspositionen“. Für die Serie „Frauen in der Chefetage" sprach FashionUnited mit ihr über ihre Pläne für Gerry Weber, ihren Führungsstil und die Frauenquote in Vorständen.

Frau Schindler-Obenhaus, beschreiben Sie Ihre bisherige Karriere in eigenen Worten.

Ich habe meine Karriere 1982 bei der Horten AG mit einer Ausbildung zur Handelsassistentin begonnen, danach war ich Abteilungsleiterin. Ich habe schnell gemerkt, dass es mich in Richtung Einkauf zieht und bin nach sechs Jahren zu Sinn Leffers in den Einkauf gewechselt.

Dort habe ich dann als Abteilungsleiterin Einkauf für den Bereich Young Fashion, bei Bamboo, gearbeitet. Nach acht Jahren habe ich als Zentraleinkäuferin zur Boecker GmbH gewechselt und habe dort die Eigenlabelproduktion in Fernost kennengelernt, was ein spannender neuer Aspekt war – die Produktion in China und Hongkong und die Kleider selber gestalten zu können. Danach bin ich als Leiterin des Key Account im Vertrieb zu Cecil gegangen.

Damals war ich die erste Frau im Vertrieb, der Ton war rau, daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. Aber nach mir kamen mehr Frauen in den Vertrieb, was die Atmosphäre positiv beeinflusst hat. Dort habe ich das Systemgeschäft von der Pike auf gelernt. 2004 wurde Cecil verkauft und die Kultur hat sich komplett verändert.

Da hat mich ein Headhunter angesprochen, die Katag AG in Bielefeld suche jemanden im Systemgeschäft. Als Einkaufsleitung war ich ab 2005 an der Vertikalisierung der Eigenmarken beteiligt. 2010 wurde ich für den Bereich Einkauf in den Vorstand berufen, später kamen Beschaffung, IT, Vertrieb und Marketing dazu. Nach zehn Jahren habe ich Mitte letzten Jahres beschlossen, dass ich nochmal etwas anderes machen will. Und dann kam Gerry Weber auf mich zu.

Was hat Sie an Gerry Weber gereizt?

Die Marke Gerry Weber hat eine 91-prozentige Markenbekanntheit [Stand November 2020], was unglaublich ist. Ich habe darüber nachgedacht, wie man die Marke für die Generation der Baby Boomer – also Frauen ab Fünfzig aufwärts wieder attraktiver machen kann. Meine Leidenschaft war geweckt und Ende Juli, Anfang August habe ich dann den Posten angetreten.

Welche Eigenschaften haben Sie für Ihre aktuelle Position besonders befähigt?

Ich glaube, ich kann mich gut in eine Zielgruppe einfühlen. Man muss verstehen, was die Kundin will, nicht nur, was man selbst gut findet. Und dann natürlich: Erfahrung. Ich habe viele Jahre die Bereiche Produkt und Beschaffung sowie Marke und Produktion mitgestaltet. Wichtig ist mir auch, eine gute Mitarbeiterkultur zu haben. Keine Kultur der geschlossenen Türen, nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern nah an den Mitarbeitern sein.

Welche Veränderungen streben Sie bei Gerry Weber an?

Wir legen einen klaren Fokus auf die vier Kernmarken und eine klare Zielsetzung für jede davon. Mit Gerry Weber wollen wir wieder der Leader sein im Bereich Modern Classic Mainstream. Das waren wir immer und diese Position wollen wir wieder einnehmen. Unser USP ist die Passform. Die Kunden vertrauen darauf, dass Produkte von Gerry Weber einfach gut sitzen. Deshalb fokussieren wir uns bei Gerry Weber Edition hauptsächlich auf die Kompetenzbereiche Strick, Shirts, Outerwear und Hosen. Bei Gerry Weber Collection wollen wir auch wieder mehr Mode wagen und unter anderem auch verstärkt Statement Pieces platzieren. Insgesamt wollen wir einzelteiliger werden, weg vom bisherigen Coordinates-Gedanken. Die Generation Wow, wie ich sie auch nenne, geht heute mit einem anderen Anspruch an Mode heran. Und das wollen wir auch in unserer Bildsprache und Kommunikation transportieren.

Mit Taifun wollen wir wieder eine relevante Marke im Bereich Modern Casual Mainstream werden, das wird kein leichtes Unterfangen, denn da haben wir starke Mitbewerber wie Opus, S.Oliver Tom Tailor, Street One. Aber ich denke, wir können das schaffen.

Mit Samoon, im Curvy-Bereich, wollen wir wieder Leader werden, davon sind wir nicht weit entfernt. Die Curvy-Frau umfasst alle Altersgruppen und ist sehr selbstbewusst. Sie ist sehr stark online unterwegs – das wollen wir nutzen und ihr dort ein starkes Angebot bieten.

Außerdem wollen wir wieder auf eigenständige Vertriebe für jede Marke setzen und auch kommunikativ weg vom Dachmarkenkonstrukt.

„Ich habe immer den Mund aufgemacht und war nie bequem“ wurden Sie einmal zitiert. Hat Ihnen das immer geholfen? Werden unbequeme Frauen anders wahrgenommen, als unbequeme Männer?

Ich war in meiner Karriere sehr oft die erste Frau und habe mir nie die Frage gestellt, ob ich mich als Frau jetzt anders verhalten muss. Ich habe immer den Mund aufgemacht und meine Verbesserungsvorschläge und Ideen kommuniziert.

Ich finde es als Führungskraft das allerschlimmste, wenn die Mitarbeiter einem nach dem Mund reden. Ein Unternehmen kommt weiter, wenn die Menschen, die täglich in den Prozessen stecken, ihren Mund aufmachen und Verbesserungsvorschläge bringen. Unternehmen leben von den „unbequemen“ Mitarbeitern, nicht von den Mitläufern. Das ist meine Überzeugung. Und ich denke, das hat mir geholfen.

Haben Frauen einen anderen Führungsstil als Männer?

Ich weiß nicht, ob sich das so sagen lässt. Vielleicht. Es gibt unter den Männern noch mehr Patriarchen, ich kenne wenige Patriarchinnen. Aber auch da würde ich nicht sagen: Das ist typisch männlich oder typisch weiblich. Es ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Mein Führungsstil ist: Mitarbeiter fördern und fordern.

Das heißt nicht, dass man die ganze Zeit „kuschelt“, sondern jeden mit Respekt behandelt. Es kann nicht immer nur Sonnenschein geben – als Chefin muss man manchmal unbequeme Entscheidungen treffen und Trennungsgespräche führen. Ich stelle viel lieber jemanden ein, als dass ich jemanden entlasse. Aber auch eine Entlassung kann man mit Würde, Anstand und Respekt dem anderen gegenüber gestalten.

Tauschen Sie sich mit anderen Frauen in ähnlichen Positionen aus?

Ja, ich habe mittlerweile ein sehr großes Netzwerk. Wir unterstützen uns gegenseitig. Ich denke, da hat sich viel getan. Die ersten dieser Networking-Events für Frauen fand ich nicht gut, da bin ich schnell wieder gegangen. Inzwischen sind das meistens lohnenswerte und gut organisierte Veranstaltungen. Zum Beispiel gab es von McKinsey ein Event, „Women Matter in Luxury and Fashion“. Das war ein tolles Netzwerk mit vielen spannenden Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung, wo Frauen aus verschiedenen Führungspositionen untereinander diskutiert haben. Daraus hat sich ein neuer Zirkel ergeben. Wir sprechen über die verschiedensten Themen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Mitarbeiterführung, Leadership. Manchmal natürlich auch über die Männer, denen wir begegnen.

Wir fördern Sie MitarbeiterInnen?

Bisher habe ich da nicht auf das Geschlecht geachtet, sondern welche Leistung erbracht wurde. Durch die nun eingeführte Quote wird sich das wahrscheinlich ändern. Sie fordert uns dazu auf, dann auch in der zweiten und dritten Ebene noch mehr zu tun.

Wie stehen Sie zur Quote?

Da habe ich persönlich eine Wandlung durchlaufen. Ich war immer strikt gegen die Quote. Ich dachte, das wird den Frauen nicht gerecht, wenn sie als Quotenfrau einen Job bekommen und sich dann gegen dieses Vorurteil behaupten müssen.

Aber mittlerweile denke ich, es wird ohne Quote nicht funktionieren. Weil sich durch Freiwilligkeit nichts ändert. Wenn eine Frau es überhaupt in einen DAX-Vorstand schaffte, dann oft in den „Frauenressorts“.

Auch dass die Quote erst ab dem vierten Vorstandsmitglied greift finde ich problematisch. Das würde zum Beispiel bei meiner aktuellen Position nicht greifen, der Vorstand von Gerry Weber besteht aus drei Personen. Aber ich gehe davon aus, dass der erste Schritt gemacht ist und dass mehr Frauen den Unternehmen gut tun, weil sie eine andere Perspektive mitbringen. Wir alle hoffen, dass es irgendwann ganz normal sein wird, dass Frauen in den Vorständen sitzen.

Was muss sich dazu strukturell ändern?

Die gesellschaftlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen müssen sich ändern. Bei Gerry Weber haben wir zum Beispiel eine Kita. Das ist ein Beispiel für diese Rahmenbedingungen, die geschaffen werden müssen, um es Eltern zu ermöglichen, nach dem Mutterschutz beziehungsweise der Elternzeit wieder zurück in den Beruf zu gehen.

Die Einstellung in Deutschland Frauen gegenüber muss sich ändern. Ich muss mich zum Beispiel oft rechtfertigen, dass ich keine Kinder habe, man stellt mich in die Ecke „Karrierefrau“. Auf der anderen Seite haben Mütter, die schnell wieder in den Beruf einsteigen wollen, mit dem Label der „Rabenmutter“ zu kämpfen.

[An dieser Stelle schaltet sich Kristina Schütze, Pressesprecherin & Head of Corporate Communications Gerry Weber, die in dem Videotelefonat dabei ist, in das Gespräch ein]

Kristina Schütze: Das sehe ich als Mutter im Übrigen auch so. Als ich im September 2019 die Stelle bei Gerry Weber angetreten habe, wurde ich auf Linkedin von fast wildfremden Menschen gefragt, wie ich das mit zwei kleinen Kindern schaffen will. Mein Mann hatte auch kürzlich einen neuen Job angefangen – den hat das keiner gefragt.

Angelika Schindler-Obenhaus: Ja, genau das meine ich. Da muss sich gesellschaftlich einiges tun.

Welche Tipps würden Sie aktuellen AbsolventInnen oder Ihrem jüngeren Selbst geben?

Ich würde ihnen raten, Sprachen zu lernen, Auslandserfahrung und neue Perspektiven zu sammeln und authentisch zu sein. Außerdem sollten sie herausfinden, wofür sie brennen, und dann versuchen, die Weichen für ihr Berufsleben entsprechend zu stellen. Und Chancen wahrzunehmen! Ich hatte in der Schule und auch später sicherlich nicht geplant, Vorständin zu werden. Es hat sich so ergeben, weil ich immer neue Chancen wahrgenommen, Mentoren gefunden, die an mich geglaubt haben, und keine Angst vor dem Scheitern hatte.

Bilder: 1. Angelika Schindler-Obenhaus; 2 und 3: Kampagnenbilder Gerry Weber.

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