• Home
  • Nachrichten
  • Business
  • Fashion Fairday 2016: Faire Produktion geht auch in China

Fashion Fairday 2016: Faire Produktion geht auch in China

Von Regina Henkel

Wird geladen...

Scroll down to read more
Business|INTERVIEW

Seit Jahren steht die globale Bekleidungsindustrie wegen ihrer unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der öffentlichen Kritik. Oft zu Recht. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit. Dass es nämlich auch anders geht, zeigt der Bekleidungsproduzent KTC Limited aus China seit vielen Jahren. KTC gehört im Bereich Corporate Social Responsibility (CSR) zu den internationalen Vorbildern in der Bekleidungsindustrie und ist seit 2011 Mitglied der Fair Labor Association (FLA).

KTC betreibt eine Politik der offenen Fabrik und heißt nicht nur Journalisten aus aller Welt willkommen, sondern stellt auch sämtliche Auditberichte zur öffentlichen Einsicht ins Netz. Wir haben mit Karl-Martin Schmull, VP Corporate Responsibility bei KTC in China, über faire Produktion und die Situation in China gesprochen.

China gilt nach wie vor als Billiglohnland in der Bekleidungsproduktion. Stimmt das noch?

Ein Billiglohnland ist China bei Weitem nicht mehr, und in der näheren Zukunft wird es sich mehr und mehr zu einem hochpreisigen Herstellungsland entwickeln. Während Minimallöhne in China je nach Region oft noch niedrig sind, sind die Level für tatsächlich gezahlte Löhne für Qualitätsarbeit und Fachkräfte in den letzten Jahren stark angestiegen. Diejenigen Unternehmen und Fabriken, die alle gesetzlichen Abgaben zahlen - beispielsweise die Sozialversicherungen – und ihre Arbeiter auf einem Niveau vergüten, auf dem eine langfristige und motivierte Beschäftigung möglich ist, liegen in der Regel weit über den Mindestlöhnen und in Kostenregionen, die teils Länder in und um Europa übersteigen. Der Staat überwacht die Gehälter und verbundene Zahlungen in den letzten Jahren sehr strikt. Hinzu kommen die steigenden Lebenskosten und höheren Ansprüchen der Bevölkerung, die es den typischen Billigfabriken immer schwerer machen, Mitarbeiter zu bekommen. Diese Fabriken werden in der nahen Zukunft mehr und mehr aus China verschwinden; die Tendenz hierzu ist schon heute verstärkt zu beobachten.

Das heißt, das schlechte Image von „Made in China“ ist heute nicht mehr zutreffend?

China ist heute der technisch am weitesten fortgeschrittene Standort für die Produktion von funktioneller Premium Outerwear, und trotzdem herrscht in vielen Köpfen nach wie vor das Negativ-Image vor. Wir möchten das gerne korrigieren und können das am besten dadurch erreichen, indem wir Aufklärungsarbeit leisten. Wir wollen den Konsumenten zeigen, dass es für technische Premium Outerwear derzeit keinen besseren Produktionsstandort gibt. Weder in Bezug auf das handwerkliche Können noch in Bezug auf die sozialen Standards.

Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie in China? Wie hoch ist Ihre Fluktuation?

An unserem Produktionsstandort China arbeiten derzeit 2.000 Menschen. Die Fluktuationsrate liegt bei etwa 22 Prozent, was sehr niedrig ist für ein Land, in dem die Mehrheit der Arbeiter Wanderarbeiter sind. Es gibt sogar Mitarbeiter, die schon 35 Jahre dabei sind. Unsere Angestellten arbeiten aber auch deshalb gerne hier, weil wir ihnen das ganze Jahr über eine Vollbeschäftigung zusichern können. Das wäre nicht möglich ohne die Einsicht unserer Partner, die ihre Order frühzeitig platzieren müssen, damit wir die Produktion sicher planen können.

KTC Limited hat sich in den letzten Jahren durch sein Engagement für CSR und Living Wages einen guten Namen gemacht. An welchen CSR-Projekten arbeiten Sie gerade?

Derzeit implementieren wir eine Smartphone App, die als Plattform dient, unseren Angestellten Zugriff auf beispielsweise Informationen, Events und Trainings zu geben. Diese Plattform möchten wir als ein Kernstück unserer Ausbildungs- und Trainingspläne etablieren. Das Konzept ist auf mittlere und jüngere Altersgruppen zugeschnitten – also die Zielgruppe, die bezüglich Motivation und Ausbildung in China derzeit den größten Herausforderungen gegenüber steht. Wir sind überzeugt, dass der Kanal über das Smartphone der richtige Weg ist für das grundlegende und unkomplizierte Einbinden der Angestellten, da fast alle Altersgruppen in China heutzutage das Smartphone nutzen. Es ermöglicht ein unkompliziertes und spielerisches Ausprobieren in einem Umfeld, in dem sich diese Generationen sicher fühlen und zurecht finden.

Warum machen Sie so ein Training? Warum nicht auch abwandern?

Dieses Projekt ist ein Teil des grundsätzlichen Ziels, Training und Ausbildung auf einem hohen Level aufzubauen. Das hat mehrere Gründe: entgegen des Trends wegen der steigenden Kosten in günstigere Produktionsländer abzuwandern, sind wir davon überzeugt, dass wir als Arbeitgeber eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft tragen. Auch im Hinblick auf das hier vor Ort und in unserer Arbeitnehmerschaft aufgebaute Fähigkeits- und Qualitätslevel ist eine Schließung unseres chinesischen Standortes keine zulässige Alternative. Als richtigen Weg sehen wir es, unsere Effizienz weiter zu steigern und unsere Kompetenzen in Qualität, Technik und Wissen weiter auszubauen. Produkte höchster Anforderungen und sehr spezielle und technische Anwendungen werden zu einem immer größeren Anteil unserer Manufaktur. Um diesen Kurs langfristig weiter erfolgreich zu verfolgen, sind wir auf das Engagement und auf die breit gefächerten Fähigkeiten in Handwerk, Kommunikation und Initiative unserer Arbeiter angewiesen. Wir investieren daher in ein mehrstufiges Ausbildungssystem, dass vor allem den Fabrikarbeitern ermöglicht, in einem breiteren Feld theoretisches und praktisches Wissen aufzubauen, dass sie als bloße Näher nicht erwerben können.

CSR und Nachhaltigkeit sind in aller Munde - wie stark ist das Interesse Ihrer Kunden wirklich in diesem Bereich?

Auf Kundenseite beschränkt sich das Interesse an im Geschäftsalltag gelebter Sozialverantwortung leider in den meisten Fällen auf das Vorlegen eines Code of Conducts. Viele Marken sehen sich in der jüngsten Vergangenheit schwierigen Absatzsituationen in ihren Absatzmärkten gegenüber. Gerade im Outdoorbereich sind die Produkte derzeit entweder wenig innovativ und spezialisiert funktional oder die Wetterverhältnisse mindern Bedarf und Nachfrage nach traditionellen Bekleidungsstücken. Ein großer Teil der Produkte auf dem Markt ist überflüssig, und das schlägt in kritischen Zeiten zu Buche. Hinzu kommt oft die mangelnde Bereitschaft des Konsumenten langfristig zu denken. Anstelle von langlebiger Qualität wird günstiger und dafür oft gekauft – womit wir als Industrie und der Konsument von tatsächlicher Nachhaltigkeit noch weit entfernt sind. Dem Endkonsument fehlen oft Informationen zu Nachhaltigkeit und Sozialverantwortung eines Produktes, die zu erhalten ist in der Realität oft sehr schwer und unbequem. In dieser unglücklichen Kombination wird der Preis oft zum Verkaufsargument Nummer eins.

Fotos: KTC Limited

fashion fairday