Europa schottet Großbritannien nach neuer Coronavirus-Variante ab
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Glaubt man den schrillen Überschriften der britischen Zeitungen, ist das Vereinigte Königreich einmal mehr auf sich allein gestellt - und der Feind sitzt auf dem Festland. "Die EU schlägt Großbritannien die Tür vor der Nase zu", titelt sogar die seriöse "Times" am Montag. Dass Frankreich und die ganze EU wegen der raschen Ausbreitung der neuen Coronavirus-Variante die Grenzen geschlossen haben, hat sogar die Regierung in London "etwas überrascht", wie Transportminister Grant Shapps einräumt. Für Montagnachmittag hat Premierminister Boris Johnson ein Krisentreffen einberufen.
Auf den Straßen in Südengland Richtung Ärmelkanal wirkt es, als sei der No-Deal-Brexit bereits da: Schon seit Tagen stauen sich die Lastwagen kilometerweit. Viele Unternehmen versuchen, ihre Waren noch auf die andere Seite zu bringen, bevor Großbritannien nicht mehr Mitglied des EU-Binnenmarktes und der Zollunion ist und höhere Zölle in Kraft treten. Dazu kommen ein erhöhtes Aufkommen von medizinischen Lieferungen wegen der Pandemie - und das übliche Weihnachtsgeschäft. Helfen soll "Operation Stack" (Stapel): Lastwagen dürfen dabei auf mehreren Fahrspuren der Autobahn M20 parken. Außerdem soll unter anderem der stillgelegte Flughafen Manston in der südostenglischen Grafschaft Kent als Parkplatz dienen.
Dass sich Europa nun gegen Großbritannien abschottet und keine Lastwagen aufs Festland lässt, könnte schwere Folgen für die Versorgung haben, warnen britische Verbände. "Die Einstellung des begleiteten Güterverkehrs von Großbritannien nach Frankreich kann die Versorgung mit frischen Lebensmitteln für Weihnachten in Großbritannien ernsthaft stören", sagt Ian Wright, Chef des Verbands der Lebensmittel- und Getränkehersteller FDF. Von einem "schweren Schlag" spricht Rod McKenzie vom Güterkraftverband RHA.
Eher könnte es nach Weihnachten Probleme geben, heißt es aus dem Handel. In Großbritannien fürchtet man, dass europäische Firmen keine Lastwagen mehr schicken. "Wenn ihnen nicht garantiert werden kann, dass sie aufgrund der Staus aus Großbritannien herauskommen oder dass sie die Produkte ausführen dürfen, die sie wollen, macht es das viel unwahrscheinlicher, dass sie überhaupt ins Vereinigte Königreich kommen", sagt FDF-Chef Wright der BBC. Logistics-UK-Chef Alex Veitch fordert, die Regierung müsse Schnelltests für Lkw-Fahrer anbieten.
Viel wird davon abhängen, wie rasch die Ausbreitung der Corona-Mutation unter Kontrolle gebracht werden kann. "Der kranke Mann Europas", wie der "Daily Mirror" das Königreich nennt, ist schon jetzt eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder des Kontinents. Die Regierung hatte zwar betont, es gebe keine Hinweise, dass die bisher eingesetzten Impfstoffe nun nicht mehr wirksam seien. Doch die Warnungen von Premier Johnson, die neue Variante sei bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form, haben letztlich zu der harten Reaktion in Europa geführt, wie manche Kritiker der Regierung vorwerfen.
Hoffnung macht da ausgerechnet ein Franzose. Sonst ist das Land in vielen Fragen - wie etwa bei den Brexit-Verhandlungen um Fischereirechte - ein Lieblingsfeind der Briten. Nun aber weisen britische Medien geradezu flehentlich auf einen Tweet von Jean-Baptiste Djebbari, dem beigeordneten Minister für Verkehr, hin: "In den nächsten Stunden werden wir auf europäischer Ebene solide Auflagen zum Gesundheitsschutz beschließen, damit der Verkehrsfluss von Großbritannien aus wieder beginnen kann", schreibt er da. (dpa)
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