EU Green Deal: Omnibus-1-Paket verwässert und verstört
Die Trilogverhandlungen zum Omnibus-I-Paket wurden von Vertreter:innen des Europäischen Parlaments, der EU-Kommission und des EU-Rats durch einen Kompromisstext beendet, der am heutigen Dienstag veröffentlicht wurde.
Ein Omnibus ist eine rechtliche oder legislative Initiative, die andere Rechtsakte ändert - in diesem Fall unter anderem die EU-Lieferkettenrichtlinie und die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Letztere verpflichtet große EU-Unternehmen und solche von außerhalb mit einer bedeutenden Präsenz auf dem EU-Markt, eine Sorgfaltsprüfung ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und ihrer gesamten Wertschöpfungsketten durchzuführen.
Im Rahmen des im März 2020 verabschiedeten Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft als Teil des europäischen Green Deals wurden eine Reihe von Richtlinien und Verordnungen ins Leben gerufen - etwa die Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR), die Green-Claims-Richtlinie (GCD), die Textilkennzeichnungsverordnung (TLR), die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und CSDDD. Sie sollen der Verschwendung EU-weit entgegenwirken und Europas Wandel zu einer ressourceneffizienten, abfallarmen und klimaneutralen Wirtschaft beschleunigen.
Vereinfachung, um Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten, doch zu welchem Preis?
Die Menge an neuen Gesetzgebungen und ihre Detailliertheit wurde jedoch kritisiert; ein Ruf nach Vereinfachung wurde laut, die durch eine Reihe von Omnibussen umgesetzt werden soll. Nach über einem Jahr auf dem Reißbrett wurde jetzt ein Kompromisstext erarbeitet. Er soll die Bürokratie abbauen und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in der EU steigern - auf Kosten des Klimaschutzes, wie einige befürchten, denn mehr als 80 Prozent der europäischen Unternehmen werden von ihren Umweltberichtspflichten befreit.
Die Initiative Lieferkettengesetz etwa berichtet von einer „massiven Abschwächung von Kernelementen der EU-Lieferkettenrichtlinie“. „Mit einem Anwendungsbereich von 5.000 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro, der kompletten Streichung der Klimatransitionspläne, sowie der Aufhebung der EU-weit harmonisierten Haftungsregel bleibt von den Kernelementen, die die CSDDD zu einem wirksamen Regelwerk zum Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima machen, nur noch wenig übrig“, kommentiert Sofie Kreusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, in einem Pressestatement.
„Ein solches EU-Lieferkettengesetz nimmt Betroffenen von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit, sich gegen Unrecht zu wehren – und entbindet die meisten Unternehmen von der gesetzlichen Verpflichtung, sich ernsthaft mit Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten und Klimaschutz in ihrem Geschäftsmodell zu befassen“, fügt sie hinzu.
Rechte Allianz
Die Einigung ist ein bedeutender Erfolg für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, deren Bestreben sich auf den Bürokratieabbau für Unternehmen konzentrierte. Er hat jedoch einen hohen Preis, brachte das Thema doch zum einen die Koalition, die von der Leyens Wiederwahl ermöglichte, an den Rand des Zusammenbruchs und veranlasste zum anderen ihre Mitte-Rechts-Partei EVP, sich mit der extremen Rechten zusammenzutun.
„Der vereinbarte Text wurde zu großen Teilen aus dem von Rechtsextremen gemeinsam mit der EVP vorgelegten Gesetzesentwurf übernommen. Diesem Vorschlag zuzustimmen, käme einer Legitimierung der sich neu formierenden rechten Allianz in Europa gleich. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, den Vorschlag im EU-Rat abzulehnen“, fordert Kreusch im Namen der Initiative Lieferkettengesetz.
Auch in Brüssel sorgte die Allianz für Aufsehen, brach die EVP doch die sogenannte Cordon sanitaire – eine ungeschriebene Regel, die es etablierten Parteien verbietet, mit der extremen Rechten zusammenzuarbeiten.
Einflussnahme fossiler US-Konzerne
Aber das ist noch nicht alles. Besorgniserregend ist auch, dass die jüngsten Vereinfachungen der EU-Lieferkettenrichtlinie neuesten Enthüllungen zufolge auch auf die Einflussnahme fossiler US-Konzerne zurückgehen.
„Die koordinierte Einflussnahme fossiler US-Konzerne hat mit legitimer Interessenvertretung nichts mehr zu tun. Das Omnibus-I-Paket droht einen gefährlichen Präzedenzfall zu schaffen, der weiteren Deregulierungsinitiativen den Weg ebnet und die Balance zwischen öffentlichem Interesse und Konzernmacht zulasten der Bürger:innen verschiebt – und letzten Endes jegliche demokratisch beschlossene Regelungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt bis zu Unkenntlichkeit aushöhlt“, schließt Kreusch.
Unternehmen können nicht zur Rechenschaft gezogen werden
Zudem wurde durch die Abschwächung ein EU-weiter Rechtsrahmen abgeschafft, der es Bürger:innen ermöglichte, Unternehmen für die Auswirkungen ihrer Lieferketten auf Menschenrechte oder lokale Ökosysteme zur Rechenschaft zu ziehen.
Auch bei der Ausarbeitung des Omnibus-I-Vorschlags lief nicht alles, wie es laufen sollte: Ende November bestätigte die EU-Ombudsfrau ein Fehlverhalten der EU-Kommission, da sie weder eine Folgenabschätzung noch eine regelkonforme Konsultation durchgeführt habe, ausgelöst durch eine zu starke Nähe zu Wirtschaftsverbänden und dem mangelnden Einbezug von NGOs und anderen Interessenvertreter:innen.
Bis zum 16. Dezember haben die Abgeordneten des Europäischen Parlaments jetzt Zeit, ihr Mitspracherecht bei der Abstimmung über das Abkommen einzufordern, denn dann wird endgültig abgestimmt.
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