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ESPR-Wissenslücke in der Modebranche: Warum Ausbildung und Regulierung Schritt halten müssen

Europas neue Ökodesign-Gesetze werden die globale Modebranche erschüttern und die meisten Akteur:innen sind nicht darauf vorbereitet. Asiatische Fabriken haben mit den Datenanforderungen zu kämpfen. Gleichzeitig aktualisieren Universitäten ihre Design-Lehrpläne nur langsam. Die Wissenslücke wird größer, während Regulierungsbehörden und Investor:innen auf schnelle Veränderungen drängen. Im Zentrum dieses Wandels steht die diesjährige Redress x TAL Ecodesign Challenge. Sie zeigt, wie Designer:innen von morgen und Lieferant:innen von heute neue Wege erproben. Diese Wege sollen Kreativität, Compliance und kommerzielle Realität miteinander verbinden.

ESPR UND DER AKTUELLE STAND

Die EU-Verordnung zum Ökodesign für nachhaltige Produkte (ESPR) wurde 2024 mit dem Ziel verabschiedet, Nachhaltigkeit in das Produktdesign zu integrieren. Der regulatorische Rahmen schreibt Eigenschaften wie Haltbarkeit, Reparaturfähigkeit und Recyclingfähigkeit vor und beinhaltet ein Verbot der Vernichtung nicht verkaufter Lagerbestände. Eine zentrale Anforderung ist der kommende Digitale Produktpass (DPP), der die Geschichte, die Umweltauswirkungen und die Entsorgungshinweise jedes Produkts digital dokumentiert.

Die ESPR-Anforderungen werden voraussichtlich 2027 zunächst für vorrangige Branchen, darunter die Textilindustrie, eingeführt. Die vollständige Einhaltung der DPPs und der damit verbundenen Rahmenbedingungen ist bis 2030 erforderlich.

Im Gespräch mit FashionUnited betonte Christina Dean, Gründerin der Bildungs-NGO Redress, die Dringlichkeit der Integration von ESPR in Bildung und Lieferketten. „Obwohl wir seit Jahren darüber sprechen, dass Design der Ausgangspunkt für den Übergang zur Kreislaufwirtschaft ist, signalisiert die bevorstehende ESPR, dass uns die Zeit davonläuft“, sagt sie. „Designer:innen und Unternehmen, die dies noch verleugnen, müssen diese Haltung aufgeben. Wir müssen in kurzer Zeit viele Designänderungen sehen.“

In der Textilwelt ist ESPR ein großer Wandel. Die EU gehört zu den weltweit größten Importeur:innen von Kleidung. Etwa 70 Prozent ihrer Textilien werden in Asien hergestellt. Das bedeutet, dass die Auswirkungen der Regulierung in den globalen Lieferketten zu spüren sein werden. Einem Bericht von UBS zufolge ist die Modebranche bereits für zehn Prozent der weltweiten Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Gleichzeitig landen 85 Prozent der Textilien auf Mülldeponien. Die Regulierung soll diese Trends umkehren, setzt aber eine Branche unter Druck, in der die Margen bereits knapp sind.

(Links) Christina Dean, Gründerin und Vorsitzende von Redress, und (rechts) Rod Henderson, Präsident von TAL Apparel. Bild: Redress

Für Lieferbetriebe ist die größte Herausforderung im Moment die fehlende Klarheit. „Es ist eine große Herausforderung, die Daten aus einer sehr komplexen Lieferkette zu sammeln. Zudem muss die Datenerfassung konsistent sein. Wir beginnen zum Beispiel mit einigen unserer größeren Kund:innen an DPP zu arbeiten. Es ist aber noch nicht klar, welche Daten erforderlich sind und wie sie aufbereitet werden müssen“, erklärt TAL-Präsident Rod Henderson. Schon kleine Details wie Stoffeinlagen führen zu Kompromissen. Sie verbessern die Haltbarkeit, verringern aber die Recyclingfähigkeit.

Die Ökodesign-Challenge 2025 von Redress integriert ESPR in die Struktur

Für Designer:innen, die in die Branche einsteigen, ist es ebenfalls unerlässlich, dass sie genau wissen, was auf dem Arbeitsmarkt von ihnen erwartet wird. Ähnlich wie bei den Lieferbetrieben gibt es eine Lücke zwischen Wissen und Anwendung. Dean betont, dass die Herausforderung über einzelne Designer:innen hinausgeht. Die aktuellen Lehrpläne der Universitäten lassen eine Ausbildung im Bereich ESPR oft vermissen. „Von Mode-Dozent:innen bis zu Dekan:innen an asiatischen und anderen Universitäten haben die meisten noch nichts von ESPR gehört. Die Integration neuer Designinhalte in die Lehrpläne ist extrem langsam, da diese bereits voll sind. Deshalb müssen wir jetzt die Dringlichkeit erhöhen, sonst stehen wir später vor einem großen Durcheinander.“

Dean fügt hinzu, dass Universitäten die ESPR-Bereitschaft als Wettbewerbsvorteil sehen sollten. So wie Lieferbetriebe riskieren, Aufträge zu verlieren, wenn sie die Einhaltung der Vorschriften nicht nachweisen können, könnten Universitäten Studierende verlieren, wenn sie ihre Relevanz nicht beweisen können. Die Positionierung von Zirkularität und Regulierungskompetenz als Fähigkeit könnte zu einem Maßstab für akademische Exzellenz werden. Letztendlich würde es auch die Beschäftigungsfähigkeit der Absolvent:innen verbessern.

Um diese Lücke zu schließen, hat Redress in diesem Jahr seine Beziehung zu TAL ausgebaut. Die jährliche Ecodesign Challenge wurde in der vietnamesischen Fabrik von TAL Apparel fortgesetzt. Zehn Finalist:innen des Redress Design Award aus neun Ländern hatten die Aufgabe, defekte Hemden und Reststoffe zu kommerziell nutzbaren, geschlechtsneutralen Kleidungsstücken für die Redress-Alumni-Marke Jann Bangcaras umzugestalten. Innerhalb von 1,5 Tagen mussten die jungen Designer:innen mindestens zwei von vier zentralen ESPR-Ökodesign-Anforderungen integrieren: Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und minimale Abfallerzeugung.

Die Finalist:innen und das Team hinter der Redress x TAL Ecodesign Challenge 2025. Bild: Redress

Für viele war dies die erste direkte Begegnung mit der ESPR. Durch die Einbettung gesetzlicher Prinzipien in die reale Prototypenentwicklung wollen Redress und TAL die nächste Generation von Designer:innen und ihre Lieferketten auf eine Zukunft vorbereiten. In dieser Zukunft sind Compliance und Wettbewerbsfähigkeit untrennbar miteinander verbunden. „Designer:innen haben Nachhaltigkeit in ihrer normalen Praxis verstanden. Sie konnten sie aber noch nie klar im Rahmen der ESPR formulieren. Diese Verordnung wird uns zu einer gemeinsamen Sprache führen – und sie müssen diese Sprache lernen“, erklärt Dean.

Die philippinische Finalistin Mara San Pedro sagte während des Wettbewerbs, die größte Herausforderung sei die Abfallvermeidung: „Wenn man ein so komplexes Kleidungsstück wie ein Hemd upcycelt, muss man alle Teile des Hemdes berücksichtigen. Man muss sicherstellen, dass man so wenig Abfall wie möglich erzeugt und dass man die Produktion skalieren kann.“ Der kanadische Finalist Wen Hanzhang sagte, er müsse „nicht nur für die Ästhetik, sondern auch als Ingenieur“ entwerfen und jede Entscheidung begründen. Dennoch sieht er die ESPR als kreativen Ansporn und nicht als Einschränkung. „Man denkt über neue Lösungen nach und arbeitet mit dem, was man hat. Ich glaube also, dass die ESPR-Werte unsere Kreativität fördern. Wir müssen innerhalb der Realitäten und der tatsächlichen Einschränkungen entwerfen, die die Umwelt betreffen.“

„ESPR sollte Musik in den Ohren von Designer:innen sein…“

Natürlich liegt die Verantwortung für die ESPR nicht allein bei den jungen Designer:innen. Sie werden wahrscheinlich nur begrenzten Einfluss auf die Compliance der Marken haben, für die sie arbeiten. „Im besten Fall haben wir gesehen, dass die Einstellung von nachhaltig orientierten Designer:innen in den Designteams für Begeisterung sorgt. Aber natürlich hat das keinen Einfluss auf die Compliance oder die Strategie auf Führungsebene“, bemerkt Dean.

Teilnehmer:innen der Redress x TAL Ecodesign Challenge arbeiten an einem Kleidungsstück. Bild: Redress

Die Größe eines Unternehmens spielt auch in der Fertigung eine Rolle. Für Firmen wie TAL, die mit einer Vielzahl von Unternehmen zusammenarbeiten, erfordert Compliance die Lieferung nachhaltiger Produkte in großem Maßstab. Henderson sagt, dass größere Marken oft mit Nachhaltigkeitsteams und detaillierten Erwartungen kommen; kleinere Akteur:innen seien hingegen weniger gut vorbereitet. „Die größeren Organisationen sind stärker darauf ausgerichtet, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und haben Nachhaltigkeitsteams integriert“, so Henderson. „Bei kleineren Organisationen ist es oft ein kollaborativerer Prozess – manchmal schulen wir sie, und manchmal schulen sie uns. Es ist wirklich ein Geben und Nehmen – es ist nicht die Verantwortung einer einzelnen Person, sondern eine Verantwortung der gesamten Branche.“

Diese Verantwortung ist mit Kosten verbunden. Henderson merkte an, dass TAL in Personal und Systeme investiert habe, um sich auf die ESPR vorzubereiten. Aber nicht alle Fabriken können sich das leisten. „Anfangs sind die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften sehr real. Die Margen im Bekleidungsgeschäft sind sehr klein und der Kostendruck ist hoch. Aber wenn man weiß, dass der Trend zu mehr Nachhaltigkeit geht, werden die langfristigen Chancen diese Kosten überwiegen“, sagt er. UBS bestätigt dies und stellt fest, dass dringende Investitionen in Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung für asiatische Lieferbetriebe notwendig sind. Nur so können sie auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig bleiben.

Weniger vorbereitete Märkte wie Bangladesch oder Vietnam sind gefährdet. Dort könnten kleinere Fabriken mit begrenzten Kapazitäten Schwierigkeiten haben, sich anzupassen. Sie laufen Gefahr, Kund:innen zu verlieren, wenn die Ressourcen nicht schnell für Weiterbildung und Compliance umgeschichtet werden. „Wenn man eine kleine Fabrik mit 20 Nählinien ist, die für eine Marke produziert, ist es sehr schwierig, all diese Investitionen zu tätigen, um die Vorschriften zu erfüllen“, so Henderson. Investitionen dürfen sich auch nicht auf Fabriken und IT-Systeme beschränken, sie müssen auch in die Menschen fließen. Ohne ausgewogene Investitionen in die Bildung, sowohl auf universitärer Ebene als auch in der betrieblichen Weiterbildung, wird die Qualifikationslücke zwischen den regulatorischen Erwartungen Europas und den Produktionskapazitäten Asiens größer werden.

Dies bestätigt nur die Perspektive von Dean von Redress: Die ESPR ist kein Zukunftsproblem, sie ist bereits da. Natürlich ist es eine Herausforderung, solche Werte in ein bereits überlastetes Bildungssystem zu integrieren. Das wird nicht über Nacht geschehen. Aber wenn Designer:innen der Entwicklung voraus sind, können sie dieses Wissen verinnerlichen, um ihre Kompetenz in ihrer zukünftigen Karriere zu zeigen. „Im Herzen aller Designer:innen liegt der Wunsch, kontinuierlich etwas Besseres und Passenderes für unsere Welt und für die Kund:innen zu schaffen, für die sie entwerfen. Deshalb denke ich, dass die ESPR als eine Herausforderung gesehen werden sollte, es besser zu machen, nicht als eine Peitsche zur Bestrafung. Sie sollte Musik in den Ohren von Designer:innen sein“, schließt Dean.

Das Gewinnerteam der diesjährigen Redress x TAL Ecodesign Challenge. Bild: Redress

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