Differenzierung und Zusammenführung: So will LuxExperience zum erfolgreichsten E-Commerce-Player werden
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LuxExperience ist auf dem besten Weg, sich als führender Player im globalen Luxus-E-Commerce zu etablieren. Nach der Übernahme von Yoox Net-a-Porter (YNAP) durch Mytheresa, die am 23. April abgeschlossen wurde, ist das neu formierte Mutterunternehmen bereits der größte Anbieter gemessen an der Unternehmensdimension. Doch der Konzern, der bislang unter dem Namen MYT Netherlands Parent BV firmierte, steht nun vor der enormen Herausforderung, zu beweisen, dass er nicht nur ein erfolgreiches Luxus-E-Commerce-Geschäft führen kann, sondern gleich mehrere.
Einen ersten Einblick, wie das Unternehmen diese ambitionierte Aufgabe angehen will und welche ehrgeizigen Ziele sich CEO Michael Klinger gesteckt hat, erhielten Analyst:innen am Donnerstag in einer Telefonkonferenz.
LuxExpirience peilt vier Milliarden Euro Umsatz an
Gleich zu Beginn der Analyst:innenkonferenz macht Klinger die Ambitionen des Unternehmens nach der Übernahme deutlich. LuxExpirience strebt mittelfristig kombinierte Umsätze von vier Milliarden Euro bei einer Umsatzrendite von sieben bis neun Prozent an. Damit würde der Konzern ein operatives Ergebnis von über 300 Millionen Euro erzielen. Bereits im Geschäftsjahr 2026/27 erwartet LuxExpirience einen kleinen positiven Betrag vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, bevor bis 2030 die angestrebte Marge von sieben bis neun Prozent erreicht werden soll.
Im Zentrum der Profitabilitätsstrategie steht die Konsolidierung der Geschäftsbereiche sowie Synergieeffekte in Technologie und Logistik. Durch eine stringente Kostenkontrolle sollen jährlich Einsparungen von rund 150 Millionen Euro bei den Verwaltungskosten realisiert werden – eine zentrale Säule zur Steigerung der Rentabilität.
Dabei bleibt Mytheresa das Flaggschiff des Konzerns. Kaum verwunderlich, denn in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen den angespannten Multibrand-Einzelhandel und E-Commerce-Markt sowie den nun übernommenen Wettbewerber Net-a-Porter deutlich übertroffen. So konnte das Unternehmen trotz Sorge mit Blick auf die aktuellen Handelskonflikte am Mittwoch ein solides Wachstum für das laufende Geschäftsjahr bekanntgeben. Die Erlöse von Mytheresa stiegen im dritten Quartal um 3,8 Prozent auf 242,5 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Für Net-a-Porter und Mr.Porter steht hingegen zunächst eine umfassende Restrukturierung im Fokus. Seit 2023 verfolgen die Plattformen eine „Volume-to-Value”-Strategie, die auf margenstärkerre, hochpreisige Kund:innen abzielt. Dies führte zwar zu einem bewussten Umsatzrückgang, konnte jedoch durch verbesserte Profitabilität kompensiert werden. In den kommenden Jahren sollen die Plattformen wieder auf Wachstumskurs gebracht werden, mit dem Ziel, mittelfristig eine EBITDA-Marge von sieben bis neun Prozent zu erreichen – kurzfristig sind drei bis sechs Prozent geplant. Für das Off-Price-Segment mit Yoox und The Outnet rechnet LuxExperience kurzfristig weiter mit Umsatzrückgängen, strebt langfristig jedoch ein zweistelliges Wachstum und eine EBITDA-Marge von sieben bis neun Prozent an.
Für die Umsetzung der Transformation plant LuxExpirience Investition von 200 bis 250 Millionen Euro in einmalige Restrukturierungskosten, verteilt über zwei bis drei Jahre. Zusätzlich sollen 150 bis 200 Millionen eingesetzt werden, um den negativen operativen Cashflow während dieses Zeitraums abzudecken – insgesamt also 450 Millionen Euro. Diese Aufwendungen werden jedoch vollständig durch die bestehende Liquidität von rund 780 Millionen Euro gedeckt, einschließlich ungenutzter Kreditlinien.
Kannibalisierung oder Differenzierung
Für den vom Unternehmen erwarteten Erfolg des Zusammenschlusses setzt CEO Klinger allerdings nicht alleine auf die Restrukturierung und Integration der übernommenen Plattformen, sondern verweist auch auf das erhebliche Wachstumspotenzial des globalen Luxusmarkts – insbesondere im Online-Bereich.
„Wir haben eine herausragende Marktchance“, so Klinger. „Digital wird weiter wachsen – und wir werden davon überproportional profitieren.“ Tatsächlich prognostizieren Marktanalyst:innen, dass der globale Luxusmarkt von derzeit rund 360 Milliarden US-Dollar bis 2030 auf etwa 480 Milliarden Dollar anwachsen wird – der Löwenanteil des Wachstums werde dabei aus dem digitalen Kanal kommen. So soll sich der digitale Luxusmarkt in den kommenden Jahren von heute 70 Milliarden auf rund 150 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppeln.
Doch Klinger sieht die Chance des Unterfangens nicht nur im Marktvolumen begründet, sondern auch in der einzigartigen Positionierung des Konzerns. „Wir verfügen über extrem wertvolle Assets – starke Marken, eine globale Reichweite und vor allem eine hochkarätige Kund:innenbasis, die uns im Luxusshopping eine einzigartige Größe verleiht“, erklärte der CEO.
Größe allein garantiere jedoch noch keinen Erfolg, stellte Klinger klar. Vielmehr sei es die Vielfalt des Portfolios, die LuxExperience einen entscheidenden Vorteil verschaffe – von der regionalen Reichweite bis hin zum Angebotsmix im Hochpreissegment. In Kombination mit dem ambitionierten Transformationsplan sehe sich der Konzern in einer einzigartigen Position, um zur relevantesten Plattform im digitalen Luxus-Einzelhandel aufzusteigen.
Die seit der Übernahme immer wieder aufkommende Sorge um eine mögliche Kannibalisierung der Angebote – insbesondere zwischen Mytheresa und den übernommenen Plattformen Net-a-Porter und Mr Porter – wies Klinger entschieden zurück. „Kannibalisieren wir uns nicht? Konkurrieren wir nicht in genau demselben Raum um genau dieselben Kund:innen?“, fragte der CEO rhetorisch in die Runde, um sogleich selbst zu antworten: „Nein. Beide sind Luxus, aber mit unterschiedlicher Komposition.“
Auch in Zahlen belegte der CEO die klare Trennung. Nur 9,5 Prozent der Kund:innen und lediglich 8,2 Prozent der besonders kaufkräftigen Kund:innen überschneiden sich zwischen Mytheresa und Net-a-Porter und Mr Porter. Ein ähnliches Bild zeichnet sich zudem im Off-Price-Segement. Trotz eines respektablen durchschnittlichen Bestellwerts von 274 Euro, liege das Off-Price-Geschäft mit Yoox und The Outnet klar in einer anderen Liga als die First-Price-Angebote der übrigen Plattformen. Dies zeige sich nicht nur in den Warenkörben, sondern auch in der Kund:innenbasis. Von den insgesamt Kund:innen der Luxusplattformen Mytheresa, Net-a-Porter und Mr Porter, hätten lediglich 7,5 Prozent der Kund:innen im vergangenen Jahr auch bei Yoox oder The Outnet eingekauft.
Diese klare Differenzierung sei laut Klinger ein wesentlicher Pfeiler der Strategie von LuxExperience: „Mit unseren verschiedenen Plattformen sprechen wir unterschiedliche Luxus-Kund:innen an und können so unter dem gemeinsamen Dach des Konzerns den Markt umfassender abdecken“, so der CEO. „Das ist einer der entscheidenden Gründe, warum wir überzeugt sind, dass wir LuxExperience zur relevantesten Plattform für digitalen Luxus weltweit entwickeln können.“
Zusammenführung von administrativen Bereichen
Die ambitionierten Wachstums- und Profitabilitätsziele des Unternehmens sind jedoch trotz alledem nicht ohne eine tiefgreifende Transformation des Konzerns zu erreichen – und das weiß auf Klinger: „Es ist bekannt, dass diese Geschäfte transformiert werden müssen“, betonte CEO Klinger in der Telefonkonferenz und machte klar: „Wir sind auf einem guten Weg, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.“
LuxExperience setzt bei der Neuausrichtung auf fünf zentrale Prinzipien: Stärkung der Marken, Reduzierung der Komplexität, Optimierung der Infrastruktur, technologische Konsolidierung sowie Nutzung der umfassenden Kund:innendatenbasis. Ziel sei es, ein Operating Model zu etablieren, das den unterschiedlichen Charakteren der Marken gerecht werde – und dabei gleichzeitig von Synergien auf der Kosten- und Infrastruktur-Seite profitiere.
Während Mytheresa, Net-a-Porter und Mr Porter künftig jeweils von eigenständigen Teams gesteuert werden – inklusive separatem Einkauf, Performance Marketing, Content und Personal Shopping – sollen zentrale Funktionen wie Technologie, Logistik, HR oder Finance zusammengeführt werden. Die Off-Price-Plattformen hingegen werden weiterhin mit einer eigenen Backend-Infrastruktur operieren. „Das ist ein anderes Geschäftsmodell mit anderen Margen – und verlangt eine andere Kostenstruktur“, so Klinger.
Besonderes Augenmerk legt der Konzern auf die Optimierung der operativen Infrastruktur. Durch die Zusammenführung der Logistik-Netzwerke und die bessere Auslastung bestehender Kapazitäten sollen die Produktivität um 20 Prozent und die Kosten pro Kund:innenkontakt um 30 Prozent gesenkt werden. Auch bei der Produktion von Foto-Content sieht Klinger Einsparpotenziale von bis zu 40 Prozent. „Diese Benchmarks basieren nicht auf Skaleneffekten, sondern auf der Expertise, die wir als Mytheresa einbringen“, stellte der CEO klar.
Im Bereich Technologie peilt LuxExperience langfristig an, Net-a-Porter und Mr Porter auf die bestehende Mytheresa-Infrastruktur zu migrieren. Dies soll nicht nur eine bessere User Experience ermöglichen, sondern auch die Technologiekosten um bis zu 70 Prozent senken. Ein weiterer Hebel liegt in der Nutzung der Datenbasis: Mit über vier Millionen Kund:innen weltweit verfügt LuxExperience nach eigenen Angaben über eine der reichhaltigsten Datenbanken im Luxussegment. Durch den verstärkten Einsatz von KI und personalisierten Angeboten will der Konzern nicht nur die Relevanz für Kund:innen erhöhen, sondern auch für Marken als Partner noch attraktiver werden. „Unsere Daten bieten uns nicht nur tiefere Insights ins Luxusshopping-Verhalten, sondern eröffnen uns auch neue Möglichkeiten der Monetarisierung und Effizienzsteigerung“, so Klinger.
Die klare Trennung der Markenidentitäten gepaart mit zentralisierten Backend-Strukturen sieht der CEO dabei als den entscheidenden Erfolgsfaktor: „Stärke die Marke, gib den Teams Autonomie und Verantwortung – und profitiere gleichzeitig von zentralisierten Synergien“, fasste Klinger die Grundlogik des Transformationsplans zusammen.