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„Die Kleinbauern profitieren auf jeden Fall“- Tina Stridde, Aid by Trade Foundation

Von Simone Preuss

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Business |INTERVIEW

Immer auf der Suche nach interessanten Unternehmen, Initiativen und Menschen der Modebranche, hat sich FashionUnited mit Tina Stridde unterhalten, Geschäftsführerin der Aid by Trade Foundation und der Cotton made in Africa-Initiative. Frau Stridde arbeitet an der Schnittstelle zwischen Mode und Entwicklungszusammenarbeit, einem spannenden Arbeitsfeld, das in der Branche ständig an Bedeutung wächst.

Wir starten das Gespräch mit einem Vergleich von nachhaltiger Baumwolle und Biobaumwolle, wobei Frau Stridde klarstellt, dass unter der CmiA-Initiative nachhaltige Baumwolle nach sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitskriterien angebaut wird. Unter dem Dach CmiA bietet die Initiative zum einen den CmiA-Standard und als Alternative CmiA-Biobaumwolle aus Tansania an. Dafür wird sie – gemäß den Standards für CmiA- und Biobaumwolle – doppelt zertifiziert. Die CmiA-Bauern setzen Pestizide und in geringerem Maß künstlichen Dünger ein. Dies ist bei dem Anbau von CmiA Biobaumwolle nicht möglich.

Wie sieht es beim Absatz der CmiA-Baumwolle aus?

Rund 350.000 Tonnen zertifizierte CmiA-Baumwolle werden derzeit pro Jahr produziert. Von unseren rund 35 Partnern – beispielsweise Otto, Asos, Jack & Jones, die Rewe Group, Tchibo oder Engelbert Strauss – wird mehr und mehr davon abgenommen. Bisher wird rund die Hälfte der zertifizierten CmiA-Baumwolle als “normale” Baumwolle verkauft. Unabhängig davon, wie ihre Baumwolle verkauft wurde, profitieren die Kleinbauern auf jeden Fall von den positiven Effekten der Initiative wie den höheren Ernten durch den Einsatz der im Training erworbenen Kenntnisse.

Bei der CmiA-Initiative war von Anfang an klar, dass es sich um Baumwolle für den Weltmarkt handeln sollte, die ohne Prämien gehandelt würde, da auch keine Mehrkosten entstehen, beispielsweise durch separate Lagerung und Transport, oder Ertragseinbußen wie etwa durch geringere Ernten für den Bauern. Bei CmiA sollen beide Seiten der textilen Kette einen Mehrwert haben. CmiA-Baumwolle soll für den Massenmarkt attraktiv sein und ohne Aufschlag in die textile Kette integriert werden.

Die teilnehmenden Unternehmen zahlen eine volumenabhängige Lizenzgebühr, die sich verringert, je größer die abgenommene Menge ist. Bei mehreren Millionen Artikeln pro Jahr beträgt sie etwa nur 2 Cent.

Sie sind seit dem Anfang von Aid by Trade/Cotton made in Africa mit dabei, also seit über 10 Jahren - was ist die größte Veränderung seit damals?

Nachhaltigkeit spielt inzwischen eine größere Rolle bei vielen Unternehmen. Früher gab es vielleicht eine grüne Kollektion, die eventuell noch anders aussah und besonders hervorgehoben wurde. Jetzt ist Nachhaltigkeit oft Teil einer Gesamtstrategie und mehr und mehr Unternehmen stellen große Teile ihrer Beschaffung in diesem Sinne um, legen etwa Wert darauf, dass ein bestimmter Prozentsatz (z.B. von 20 Prozent bis zu 100 Prozent) des Sortiments nachhaltig werden.

Diese Entwicklung hat sich auch für Cotton made in Africa positiv ausgewirkt. Wir sind gemeinsam mit den nachhaltigen Sortimenten bei Unternehmen gewachsen. Die Initiative der Otto Group, ihre gesamtes Eigenmarken-und Lizenzsortiment auf 100 Prozent nachhaltige Rohstoffe umzustellen, hat uns auch gegenüber anderen Unternehmen sehr geholfen; damit konnten wir deutlich machen, dass auch große und komplexen Beschaffungsstrukturen in der Masse CmiA umsetzen können. Neben den Unternehmen der Otto Group sollten als weitere wichtige Partner Tchibo, die Rewe Group und Ernsting’s family genannt werden.

Wie sind Sie bei der Suche nach neuen Partnern vorgegangen, haben Sie sie ausfindig gemacht oder wurden Sie angesprochen?

Beides: die Initiative wird aktiv von interessierten Unternehmen angesprochen; darüber hinaus sprechen wir direkt potenzielle Partner an oder kommen über unsere Netzwerke mit Unternehmen in Kontakt. Die Entscheidungswege sind oft sehr lang und es gibt häufig die Vorstellung, dass die Integration nachhaltiger Baumwolle sehr schwierig und kompliziert sei. Von Anfang an haben wir mit Unternehmen der textilen Kette wie Spinnereien oder den vertikal aufgestellten Produktionsbetrieben gemeinsam an der Umsetzung gearbeitet.

Sie erwähnten die Auffassung, dass die Integration nachhaltiger Baumwolle schwierig und kompliziert sei. Was sind weitere Vorurteile und Unsicherheiten, die Sie im Rahmen von Cotton made in Africa aus dem Weg räumen mussten?

Unternehmen griffen oft auf frühere Erfahrungen mit Biobaumwolle zurück, etwa in den 90er Jahren, als es noch komplizierter war, diese einzukaufen und zu verarbeiten, da es nur eine limitierte Anzahl von Lieferanten gab, die mit Bio-Baumwolle gearbeitet haben. Ebenso wie die Vorstellung, dass wir deutlich in die bestehenden Ketten der Unternehmen eingreifen und diese verändern würden. Und natürlich das Klischee der höheren Preisen. All dies ist aber inzwischen ausgeräumt.

Ein Vorurteil hält sich allerdings bis heute - dass afrikanische Baumwolle nicht global verfügbar sei, was aber nicht den Tatsachen entspricht. Afrikanische Baumwolle hat einen Anteil von knapp 18 Prozent an den Weltexporten von Baumwolle. Insgesamt werden auf dem Kontinent rund 1,5 Millionen Tonnen Baumwolle erzeugt – davon ist circa 25 Prozent CmiA zertifiziert. Unsere Baumwolle ist auf jedem wichtigen Textilmarkt weltweit verfügbar. Ein weiteres Vorurteil ist, dass afrikanische Baumwolle von schlechterer Qualität sei. Auch das stimmt nicht. Sie hat Eigenschaften, die typisch für handgepflückte Baumwolle sind, und sowohl ökologisch als auch qualitativ betrachtet einige Vorteile bieten – beispielsweise der Verzicht auf Entlaubungsmittel, um Baumwolle zu ernten, oder dass nur reife Fasern gepflückt werden. Diese Vorurteile kann man leicht aus der Welt räumen, nur muss die Gelegenheit da sein, dies zu tun.

Könnten Sie etwas zum CmiA Kooperationsprogramm erzählen, das zum 10. Bestehen der Initiative im letzten Jahr ins Leben gerufen wurde?

Unser sogenanntes CCC (CmiA Community Cooperation) -Programm ist auf Anregung eines Unternehmenspartners entstanden. Es ging darum, die Arbeit und Ziele von Cotton made in Africa den Konsumenten auf anschauliche und emotionale Weise vermitteln und gleichzeitig Hilfe zur Selbsthilfe leisten zu können. Entscheidend dabei war, CCCP nicht als klassisches Spendenprojekt zu konzipieren sondern alle Beteiligte – Unternehmen, Baumwollgesellschaften und Kleinbauern – aktiv zu involvieren.

Die Projekte im Rahmen des CCCP sind vor allem auch für die Baumwollgesellschaften wichtig. Theoretisch kann ein Baumwollbauer – anders als ein Kaffeebauer etwa, der über Jahre das Wachstum seiner Kaffeepflanzen verfolgt – sich jedes Jahr entscheiden, eine andere Feldfrucht anzubauen, Soja oder Mais etwa. Dabei sind die Community-Projekte ein Anreiz, bei der Baumwolle zu bleiben.

Durch die Spende unseres Stifters, Herrn Dr. Otto, zu unserem 10. Jubiläum können wir für die Dorfgemeinschaften in den Anbaugebieten der CmiA-Baumwolle noch unmittelbarer wirksam sein: Mit Hilfe der Baumwollgesellschaften werden von den Dorfgemeinschaften Projektvorschläge bei uns eingereicht. Sie bauen meist auf bestehende Projekte auf, die von den Baumwollbauern schon begonnen wurden, für die allerdings eine weitergehende Finanzierung fehlt. Bisher ging es darum, Schulen zu renovieren oder zu bauen; Krankenstationen ausbauen oder Frauenkooperativen zu unterstützen. Neu dabei sind jetzt Bereiche wie Gesundheit oder Naturschutzprojekte - Schlüsselthemen für eine nachhaltigen Entwicklung.

Die Projektvorschläge werden dann nach einer ersten Vorausauswahl dem Projektbeirat vorgelegt, der aus Vertretern der Otto Group, der Welthungerhilfe und dem WWF besteht und über die finale Umsetzungszusage entscheidet. Viele Unternehmen sind an der Ko-Finanzierung solcher Projekte interessiert; sie bieten die Möglichkeit, ihr Engagement für Cotton made in Africa gut verständlich an ihre Kunden zu kommunizieren.

Könnten Sie noch einmal auf die Kleinbauern zurückkommen - müssen diese praktisch jedes Jahr wieder neu für die Initiative gewonnen werden?

Die Bauern können sich jedes Jahr neu entscheiden, ob sie weiterhin Baumwolle anbauen möchten. Baumwolle dient für Kleinbauern in Afrika als Haupteinnahmequelle. Oft stammt der größte Teil des Einkommens, der den Kleinbauern bar zur Verfügung steht, aus dem Anbau und Verkauf des Rohstoffs. Die darüber hinaus angebauten sogenannten Food Crops werden meist für den Eigenbedarf der Familien oder für den lokalen Markt produziert. Somit spielt Baumwolle eine große Rolle für die Beschaffung von Barmitteln – beispielsweise für die Schulbildung der Kinder sowie für Anschaffungen wie ein Radio oder Fahrrad.

Das ist das Stichwort; Sie haben die Baumwollgesellschaften bereits öfter als Partner erwähnt. Heißt das, das Verhältnis ist gut und die Partnerschaft läuft?

Auf jeden Fall. Das Feedback der Baumwollgesellschaften und ein kontinuierlicher Austausch mit ihnen sind für unsere Arbeit sehr wichtig. Sie sind für uns die zentrale Kontaktstelle zu den Kleinbauern und kümmern sich um das Training der Kleinbauern, stellen das Saatgut zur Verfügung und übernehmen die Vorfinanzierung der Inputs. Auch sie werden im Rahmen der Zertifizierung kontrolliert, denn vor Ort sind wir auf verlässliche Partner angewiesen, die den CmiA Standard im Schulterschluss mit den Kleinbauern auf dem Feld umsetzen. Da hat sich über die Jahre eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit ergeben und der Kontakt ist eng.

Fotos: mit freundlicher Genehmigung der Aid by Trade Foundation
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