Dhaka Apparel Summit stellt Nachhaltigkeit in den Vordergrund
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Nach viel Wirbel im Vorfeld, der mit den Arbeiterprotesten in Ashulia im Dezember 2016 anfing und dem darauffolgenden geplanten Boycott von sieben internationalen Marken fand der Dhaka Apparal Summit letztlich doch statt wie geplant, und zwar am 25. Februar 2017 im Pan Pacific Hotel in Sonargaon in der bengalischen Hauptstadt.
Das erste Gipfeltreffen der Textil- und Bekleidungsindustrie fand im Dezember 2014 statt, um die Branche in Bangladesch zu unterstützen und alle Beteiligten im Dialog zusammenzubringen. Der diesjährigen, zweiten Ausgabe gelang dies, brachte sie doch Dutzende von Experten als Vortragende und mehr als 2.000 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zusammen. In diesem Jahr ging es um den Aufbau einer nachhaltigeren Lieferkette und damit einer besseren gemeinsamen Zukunft. In drei jeweils 90-minütigen Podiumsdiskussionen ging es am frühen Nachmittag um Geschäftspraktiken und die Umwelt; am späten Nachmittag um die kollaborative und verantwortliche Beschaffung für nachhaltiges Wachstum; und am frühen Abend um die Veränderungen und Zukunftsaussichten der Bekleidungsindustrie in Bangladesch.
Auftraggeber und Produzenten müssen „wahre Partner“ werden
Marks & Spence-Länderchefin für Bangladesch und seit jüngstem auch für Myanmar, Shwapna Bhowmick, verwies auf die Unabdingbarkeit einer „wahren Partnerschaft“ zwischen Auftraggebern und Herstellern, um die Situation in Bangladesch zu verbessern. Sie lobte die Unterstützung, die Marks & Spencer bis jetzt von seinen Zulieferbetrieben in Bangladesch erhalten habe, seinem wichtigsten Beschaffungsland, wann immer es um die Ausweitung von Möglichkeiten ging. Dies hat zu einer Produktdiversifikation von Schwimmshorts bis zu Denims geführt, sowie einer Erweiterung der Kapazitäten und kürzeren Beschaffungszeiten. Während Marks & Spencer sich am Anfang auf einfache Produkte wie Poloshirts und Jeans beschränkte, konnte das Unternehmen inzwischen auf Mehrwertprodukte wie Kleider und Anzugjacken aufstocken.
Bhowmick erwähnte auch eine wirkliche Partnerschaft mit den Arbeitern in Bangladesch, die sehr jung, enthusiastisch und lernbegierig seien. Dies ist ihrer Meinung nach der Grund, warum die Geschäfte in Bangladesch zulegten. Zusammenfassend fragte sie: „Wie können wir Marken ermutigen? Wie können wir das Image der Branche ändern und zusammen daran arbeiten, das Image als halb voll statt als halb leer darzustellen?“
Christopher Woodruff, Professor für Entwicklungsökonomie an der Universität Oxford, brachte den interessanten Punkt zur Sprache, dass Bangladeschs Hauptkonkurrent nicht ein anderes bekleidungsproduzierendes Land wie Indien oder Vietnam sei, sondern sein eigener blühender Sektor, der um Talente buhlt. „Die Arbeiter haben jetzt auch andere Möglichkeiten“, erklärte Woodruff, „der Sektor muss sich um diese Talente bemühen.“ Zu den von ihm vorgeschlagenen Lösungsansätzen gehören die Beförderung von Arbeiterinnen in Managerrollen, eine bessere Ausbildung der Arbeiterschaft sowie unterer und mittlerer Manager und konkurrenzfähige Löhne.
Verbraucher wollen wissen, was in Beschaffungländern passiert
Als zweitgrößtes Beschaffungsland kanadischer Importe in Südasien sprach Robert McDougall, geschäftsführender Direktor für Südasien der kanadischen Regierung, über die Rolle von Kanada in Bangladeschs Bekleidungssektor. Er betonte, dass Auftraggeber Gewissheit über Kernpunkte wie Umwelt, Geschlechterrollen, Arbeiterrechte und -gesundheit haben wollen. „Kanadische Auftraggeber wollen Produkte, die den Ansprüchen ihrer Kunden gerecht werden und ihren Marken im Ausland keine schlechte Publicity bescheren. Auftraggeber wollen auch die Gewissheit, dass ihre Märkte und ihre Hauptbezugsquellen für Waren stabil und zuverlässig sind. Was hier in Bangladesch passiert, wird in Kanada wirklich zur Kenntnis genommen“, betonte McDougall.
Nicht wenige Redner bezogen sich auf die jüngsten Entwicklungen in Ashulia und die Beziehung zwichen Arbeitern und Regierung in Bangladesch. „Im Dezember machte Bangladesch einen riesigen, enttäuschenden Schritt zurück, was die Arbeiterrechte angeht. ... Ashulia hat Bangladeschs Image und Ruf als verlässliches Herkunftsland von Bekleidung geschadet“, erklärte Marcia Bernicat, US-Botschafterin für Bangladesch. „Wie kann man in einem Land Bekleidung verkaufen, wenn plötzlich eine große Anzahl von Arbeitern und Gewerkschaftsführern verhaftet, entlassen oder suspendiert wird, nur weil sie oder andere Arbeiter nach einer Lohnerhöhung gefragt haben?“, fragte sie.
Nazma Akter, geschäftsführende Direktorin der AWAJ Foundation, nannte den Vorfall in Ashulia eine „Warnung für alle“ und betonte die Wichtigkeit des Dialogs mit den Arbeitern und die Notwendigkeit des konstruktiven Dialogs mit dem Management sowie die Würde und den Respekt der Arbeiter. Sie erinnerte auch daran, dass in Bangladesch, dem zweitgrößten Exporteur von Bekleidung weltweit, der Monatslohn immer noch bei nur 68 US-Dollarn liegt; einem der niedrigsten der Region.
„Eine Antwort auf [Ashulia] wird bestimmen, wie überlebensfähig Bangladeschs Bekleidungssektor in Zukunft sein wird“, sagte Bernicat und verlangte „wesentliche Änderungen in der Zukunft [bezüglich] Infrastruktur, Finanzierung, und am wichtigstem, einer grundlegender Veränderung, wie die Branche ihre Arbeiter behandelt.“ Bernicat wies auch darauf hin, dass „Sanierungsmaßnahmen ins Stocken geraten sind, besonders in Frabriken außerhalb des Einzugsbereichs der Allianz [Allianz für Arbeitersicherheit in Bangladesch] und des Abkommens [Abkommen zur Brand- und Gebäudesicherheit in Bangladesch]“.
Sanierungen abzuschließen hat oberste Priorität
Dieser Punkt wurde auch von Mahmud Hasan Khan Babu aufgegriffen, dem Vizepräsidenten des Verbands der Bekleidungshersteller und -exporteure Bangladeschs (BGMEA), dem Veranstalter des Treffens. Er zählt den Abschluss des Sanierungsprozesses zu den wichtigsten Prioritäten des Sektors und fasste zusammen, dass 68 Prozent der Allianz-Fabriken und 75-Prozent der Fabriken des Abkommens ihre Sanierungsarbeiten abgeschlossen haben beziehungsweise sie bis Ende des Jahres abgeschlossen haben werden. Aufgabe des BGMEA sei es, diese Nachricht an alle Fabriken weiterzuleiten, einschließlich der, die weder unter einem der beiden Abkommen erfasst noch BGMEA-Mitglieder seien, um die vorherrschende Einstellung dieser Unternehmer „dass sie nichts tun müssten“ zu ändern.
Für Hauptredner Srinivas Reddy, Landeschef der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Bangladesch, ist die Lösung, um bleibende Veränderungen zu erreichen, einfach: Das Misstrauen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern muss in eine hochwertig Partnerschaft umgewandelt werden. „Verkaufen Sie den Traum von 50 Milliarden US-Dollar [Exportziel bis 2021] den Arbeitern, dann werden Sie ihr Ziel erreichen“, riet er. „Die Achtung von Arbeitsrechten ist ein Schlüsselkonzept; sie müssen als Gewinn betrachtet werden, nicht als Belastung.“
Thomas Klausen, Geschäftsführer von Dansk Fashion & Textile, sieht die Berufsausbildung und Training in sozialer Kompetenz als Gebot der Stunde, zusammen mit Vertrauen und Zusammenarbeit. Er warnte davor, weiterhin der Produktion von Billiggütern nachzurennen, was Bangladesch derzeit tut, um eine Stagnation zu vermeiden. „Zulieferer und Auftraggeber müssen die Abwärtsspirale aufhalten“, sagte er und fügte hinzu: „Wir müssen neu bedenken, was wir mit verantwortlichem Geschäftsverhalten meinen. Bangladesch sollte die Möglichkeiten nutzen, die sich aus bestehenden Initiativen ergeben. Es hat unter den Konkurrenzländern bereits die Nase vorn und kann in Bezug auf Nachhaltigkeit ganz vorn sein.“ Klausen verwies auch darauf, dass unternehmerische Verantwortung oft zu Einsparungen führt.
In seiner Rede zum Thema, wie die Wertschöpfungskette Nachhaltigkeit unterstützen kann, fasste Peter McAllister, geschäftsführender Direktor der Ethical Trading Initiative (ETI), die Diskussion zusammen, indem er die Verantwortung gleichermaßen bei Auftraggebern und Herstellern suchte: „Ich glaube nicht, dass die Einkaufsstrasse die Preise festsetzt. Deshalb ist es nicht Aufgabe der Hersteller in Banladesch, diesen Wert zu finden“, sagte er. „Das Geschäftsmodell... [in Herstellungsländern auf der ganzen Welt] ist fehlerhaft. Wir brauchen annehmbare Zustände in annehmbaren Fabriken; es muss innerhalb der Wertschöpfungskette eine gemeinsame Konversation geben: das könnte [in Bezug auf] Produktivität sein, Effizienzsteigerung oder einer Rückführung der Preise zu den Verbrauchern. Marken und Auftraggeber sind genauso Teil der Konversation wie Lieferanten und Hersteller.“
Fotos: Dhaka Apparel Summit